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«Mückenschutz ist für die WM ein Muss»

Fussball Auch aus der Region Schwyz reisen viele Fans nach Brasilien an die WM. Der auf Tropenkrankheiten spezialisierte Arzt des Spitals Schwyz gibt im Interview wertvolle Tipps.

Südostschweiz
12.06.14 - 02:00 Uhr

Mit Reto Nüesch* sprach?Christoph Clavadetscher

Müssen die Fussballfans, die an die WM reisen, ihre Reiseapotheke speziell packen?

In die Reiseapotheke gehören zunächst alle Medikamente, die auch zu Hause eingenommen werden müssen. Speziell für Reisen sind auch Mittel gegen Durchfall und Übelkeit sowie Erbrechen empfehlenswert. Dann Medikamente gegen Erkältung, insbesondere abschwellende Nasentropfen für die Flugreise, sollte man dann an Schnupfen leiden. Gegen Fieber, Kopfschmerzen oder Schmerzen allgemein empfehle ich bei Tropenreisen zudem ein Paracetamol-Präparat.

Keine Aspirin?

Mittel, die die Blutplättchen beeinträchtigen, wie Aspirin, sollten nur eingenommen werden, falls vom Arzt so verschrieben. Der Grund ist, dass gewisse Tropenkrankheiten wie etwa Dengue-Fieber oder Malaria zu einer erhöhten Blutungsneigung führen, die durch gewisse Schmerzmittel noch verstärkt wird. Weiter ist Mückenschutz in den Tropen ein Muss. Je nach Reisedestination wird auch eine Malaria-Notfalltherapie empfohlen. Eine Creme gegen Hautentzündungen kann gute Dienste leisten. Weiter sollten auch Verbandsmaterial für eine kleine Wundversorgung, Sonnenschutz und Kondome eingepackt werden.

Was für Gefahren beziehungsweise Krankheiten lauern für die Fussballfans?

Die gesundheitlichen Risiken für eine Reise an die WM sind nicht sehr gross. Das häufigste gesundheitliche Problem auf Reisen ist die Reisediarrhöe. Diese hört im Allgemeinen nach etwa drei Tagen von selber auf und bedarf keiner speziellen antibiotischen Therapie. Infektionen der oberen Luftwege sind ebenfalls ein häufiges Problem auf Reisen. Gegen Hepatitis A und B kann man sich durch eine Impfung vor der Reise schützen. Dabei sollten auch alle anderen Routineimpfungen aktualisiert werden. Die HIV-Infektion kommt weltweit vor, so auch in Brasilien. Dieser Infektion kann man mit Kondomen vorbeugen. Durch Moskitos werden zum Beispiel Dengue-Fieber, Gelbfieber und Malaria übertragen. Alle diese Krankheiten lassen sich durch guten Mückenschutz –Repellents, Moskitonetze oder Schlafen in klimatisierten Räumen – vorbeugen. Gegen Gelbfieber kann man sich impfen lassen, falls entsprechende Gebiete bereist werden. Auch Malaria tritt in Brasilien regional auf, je nach Reiseroute wird eine Notfalltherapie empfohlen. Eine grössere Gefahr als diese Infektionskrankheiten sind Verkehrsunfälle.

Eine besondere Herausforderung dürften auch das Klima, die Sonne und die Hitze sein …

Ja. Wichtig ist, auf genügend Flüssigkeitszufuhr zu achten. Dies ist besonders wichtig für ältere Menschen und solche, die wassertreibende Medikamente einnehmen. In den Tropen sollte man sich nach Möglichkeit im Schatten aufhalten und körperliche Tätigkeit bei grosser Hitze nach Möglichkeit vermeiden. Und selbstverständlich gilt es, die Haut vor UV-Strahlen zu schützen: Kopfbedeckung, Kleidung, Sonnencreme. Wegen der senkrechteren Einstrahlung der Sonne in Äquatornähe ist diese deutlich stärker als in unseren Breitengraden.

Wie sollen sich die Schweizer Fans vor Ort verhalten?

Die hygienischen Verhältnisse sind anders als bei uns. Eine gängige Empfehlung auf Reisen bezüglich Nahrungsmittel lautet deshalb: «boil it, cook it, peel it or forget it». Also nur gekochte Nahrungsmittel oder Früchte, die man schälen kann, essen. Dies ist aber sicher auch abhängig vom Speiselokal. Bei Unsicherheit bezüglich der Geniessbarkeit von Trinkwasser kein Hahnenwasser trinken, sondern nur abgefüllte oder aufgekochte Getränke. Bei Gelegenheitsbekanntschaften gilt es, sich vor HIV-Infektion und anderen Geschlechtskrankheiten durch Kondome zu schützen. Der Strassenverkehr ist deutlich gefährlicher als bei uns. Brasilien ist auch eine fremde Kultur. Somit ist es gut und interessant, sich etwas mit Kultur, Sprache und Geschichte des Landes zu befassen. Im Allgemeinen wird ein höfliches und anständiges Verhalten nach unseren Massstäben auch im Ausland als solches wahrgenommen.

Haben Sie als ausgewiesener Tropenmediziner auch schon eine Tropenkrankheit aufgelesen?

Ja, ich habe einmal Dengue-Fieber erwischt. Dieses wird durch «Tigermücken» übertragen, die tagsüber stechen. Es ist deshalb schwierig, sich vollumfänglich gegen diese Krankheit zu schützen. Ich wurde erst zwei Tage nach der Rückkehr aus den Tropen krank. Es fühlte sich an wie eine Grippe mit starken Gliederschmerzen. Dann entwickelte sich ein Hautausschlag, und für mich war damit die Diagnose klar. Ein befreundeter Kollege machte dann noch die Tests zur Bestätigung. Alles ging gut. Und natürlich hatte ich häufig Reisedurchfall, den bekomme ich aber auch manchmal in den Ferien in Europa.

Wie wird man überhaupt Tropen-Mediziner?

Nach dem Medizinstudium kann man sich auf Reise- und Tropenmedizin spezialisieren. Die schweizerische Ärztegesellschaft vergibt den entsprechenden Titel, sobald alle Voraussetzungen erfüllt sind und die Facharztprüfung bestanden ist. Dazu muss man auch in den Tropen gearbeitet haben. Ich selbst bin Infektiologe, also Spezialist für Infektionskrankheiten und Internist, also Facharzt für Infektionskrankheiten und Innere Medizin. Zusätzlich habe ich während meinem Forschungsaufenthalt in Bangkok ein Diplom für Tropenmedizin erworben.

Sind Sie auch Fussballfan? Ihr Tipp für die WM?

Als Basler bin ich mit Fussball gross geworden und schaue immer wieder gerne einen Match. Ich bin aber kein eigentlicher Fan. Schwierig zu sagen, wer die WM gewinnen wird. Ich tippe auf Deutschland oder Brasilien.

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