«Mit 60 Jahren war klar: Jetzt muss ich nochmals etwas Neues machen»
Zürich, London, Quito – das sind nur einige Orte, in denen Giusep Tschuor aus Sagogn einen Halt eingelegt hat. Immer im Zeichen der Musik. Dennoch blieb er seinem Heimatdorf stets verbunden. Dort spielt er regelmässig Konzerte.
Zürich, London, Quito – das sind nur einige Orte, in denen Giusep Tschuor aus Sagogn einen Halt eingelegt hat. Immer im Zeichen der Musik. Dennoch blieb er seinem Heimatdorf stets verbunden. Dort spielt er regelmässig Konzerte.
Sabine-Claudia nold
«Sechs Kinder waren wir daheim», erzählt Giusep Tschuor, der Zweitjüngste. «Wir hatten zu Hause ein Klavier und die ersten Unterrichtsstunden erhielt ich von meinem Vater, der Primarlehrer war.» Es folgte Klavierunterricht bei Schwester Theresita in Ilanz. «Im Lehrerseminar Chur wurde ich dann von Benedetg Dolf stark gefördert», erinnert sich Tschuor, der sich zum Primarlehrer ausbilden liess.
«Die Kinder sangen mit»
Der junge Tschuor heiratete, gründete eine Familie und unterrichtete während zehn Jahren an einer Primarschule. Berufsbegleitend studierte der dreifache Familienvater aber Musik. «Da ich tagsüber unterrichtete, konnte ich mich nur abends meinem Studium widmen. Dazu gehörte auch das Üben auf dem Klavier», erzählt er. «Oft sangen unsere Kinder aus ihren Bettchen die Melodien lauthals mit.» Da die Familie in einem Mehrfamilienhaus wohnte, gab es deswegen auch ab und zu Reklamationen. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Musikstudiums begann Tschuor an verschiedenen Schulen Musik und Klavier zu unterrichten und mehrere Chöre zu leiten.
«Nachdem ich über 20 Jahre an der Pädagogischen Hochschule Zürich unterrichtet hatte, spürte ich mit meinen 60 Jahren plötzlich: Ich muss nochmals etwas Neues machen», erzählt Tschuor. Er schrieb sich für eine zweijährige Zusatzausbildung in Jazz-, Pop- und Rockmusik ein. «Ich war einiges älter als der Kursleiter», sagt er und schmunzelt. Er habe während dieser Ausbildung auch eine handfeste Krise gehabt – nicht zuletzt aufgrund seines streikenden Computers. «Doch als ich die Aufnahmen unserer Arbeiten hörte, war die Krise vorbei.»
«In London wurde ich Organist»
Während seines viermonatigen Sabbaticals lebte Tschuor in London. «Das war einmalig. Täglich konnte ich mehrere Konzerte besuchen. Einmal gab es ein ganztägiges Mammutkonzert, bei dem alle Organisten Londons spielten», erinnert er sich. «In London wurde ich vom Pianisten zum Organisten, denn dort hörte ich so viele gute Organisten, dass ich mein eigenes Orgelspiel intensivierte.»
Interessant, aber nicht einfach
Nach der Pensionierung wollte Tschuor nochmals in eine gänzlich fremde Stadt. «Aber nicht als Tourist.» Er sah ein Inserat, in dem Musiker für Ecuador gesucht wurden. «Ich meldete mich und es klappte.» Für mehrere Monate reiste der Musiker nach Quito. «Es war interessant, aber nicht immer einfach», so sein Fazit. Tschuor lebte bei einer einheimischen Familie, unterrichtete an einer Schule Klavier, lebte aber ziemlich isoliert. «Die Familie interessierte sich nicht für Musik, mich hingegen interessierte Fussball nicht sonderlich», meint er mit einem verschmitzen Lächeln. «An Informationen über Konzerte zu kommen, war ohne persönliche Kontakte nahezu unmöglich.» Über die Kirche, in der er am Sonntag als Organist hochwillkommen war, konnten diese Kontakte schlussendlich doch noch geknüpft werden.
Auch in seinem Heimatdorf Sagogn ist Tschuor regelmässig auf der Orgel zu hören: in Gottesdiensten und an Konzerten. Die schönste Einladung für ein Konzert kommt aber jeweils von seiner kleinen Enkelin: «Wenn sie mich an der Hand nimmt und zum Klavier führt.»
Werke für Orgel und Alphorn: Sonntag, 21.12, 17 Uhr, katholische Kirche Sagogn, Eintritt frei, Kollekte für das Albert Schweizer Spital Haiti.
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