×

«Je länger man bleibt, desto länger würde man bleiben»

Filmemacher Eligi Derungs ist mit seiner Kamera bis in die hinterste bewohnbare Ecke des Lugnez vor- gedrungen, um den fast schon magischen Ort Vanescha und seine Teilzeitbewohner zu besuchen.

Südostschweiz
21.01.12 - 01:00 Uhr

Von Sabrina Bundi

Über sieben Monate hinweg hat Eligi Derungs, Journalist bei der Radiotelevisiun Svizra Rumantscha, den Ort Vanescha im Lugnez unterhalb des Pèz Terri mehrmals besucht, um mit den Bewohnern zu reden, die zwischen April und Oktober die 20 Gebäude umfassende Ansiedlung auf der Terrasse im isolierten Tal bewohnen. Auf diesen Besuchen hat Derungs zahlreiche schöne Bilder und Momente eingefangen, in denen beispielsweise aus dem fast furchenlosen, frischen und gebräunten Gesicht des 83-jährigen Protagonisten Johann Solèr mehr Worte und Emotionen zu lesen sind, als er dem Journalisten erzählen könnte. Eine Eigenschaft, die auch seine Tochter Pia Solèr geerbt zu haben scheint. Auch von ihr werden die Zuschauer gepackt, wenn sie mit ihrem strahlenden Blick aus den geheimnisvollen grauen Augen über ihre Tätigkeit als Hirtin und ihr einfaches Leben in Vanescha erzählt. «Die Menschen, die ich in Vanescha angetroffen habe, sind unglaublich herzlich und ehrlich, egal, ob die Kamera an ist oder nicht», schwärmt Derungs. «Obwohl sie anfangs nicht sehr erfreut waren, dass ich sie und ihr kleines Paradies Vanescha filmen wollte.»

Vanescha im Wandel der Zeit

Bereits als Junge hat Derungs Vanescha ein-, zweimal besucht. Nun wollte er wissen, wie Vanescha lebt, obwohl es nicht über das ganze Jahr hinweg bewohnbar ist: «Ich wollte sehen, wie sich dieser einzigartige, abgeschiedene Ort, an dem man fast nichts anderes als Vogelgezwitscher, das Pfeifen der Murmeltiere und das Rauschen des Wassers hört, entwickelt hat.» Früher waren bis zu zwölf Bauernhöfe in Vanescha angesiedelt, heute ist Johann Solèr einer der Einzigen, der noch mehrere Wochen in Vanescha verbringt. Die Ansiedlung wird von Bewohnern von Vrin und wenigen Touristen eher zeitweise in den Ferien und an Wochenenden besucht. Doch leben auch einige Traditionen weiter: Zur Feier der Schutzpatrone Paul und Johannes pilgern einige Vriner in einer zweistündigen Prozession nach Vanescha, um in der 400 Jahre alten Kapelle eine Messe zu feiern.

Medizin für die Tiere

Auch die Wiesen in Vanescha werden immer noch gemäht, und dies, obwohl sie auf über 1800 Metern über Meer liegen und so steil sind, dass sie bei manch einem schon fast Höhenangst hervorrufen könnten. Solèr heut sogar barfuss: «Das ist die beste Therapie, die mich fit hält.» Auch sein Schwiegersohn Anton Alig und dessen Familie hilft beim Kultivieren der Wiesen in Vanescha mit: «Wir mähen bis auf über 2000 Meter und das Gras hier ist unglaublich saftig, es ist fast schon Medizin für die Tiere.»

Obwohl die Ansiedlung abgeschiedener nicht sein könnte, ist Langeweile für die Bewohner aber kein Thema: «Es gibt allerhand zu tun», erklärt Pia Solèr, die nach dem Sommer als Hirtin auf der Alp den Herbst noch so lange wie möglich in Vanescha ausklingen lässt. «Die Abende werden zwar immer länger, aber ich lese viel, stricke, oder gehe dann früh ins Bett, ich mag dieses einfache Leben.» Zwar sei sie auch gerne zwischen Leuten, aber «je länger man hier bleibt, desto länger würde man bleiben». Und ganz einsam sind sie dann doch nicht: In einigen Schlüsselmomenten des Films wird die Verbundenheit der Solèrs mit der einheimischen Flora und Fauna deutlich. Dann beispielsweise, als Johann Solèr sich für den Sommer von seinem Hund trennen muss, was beiden sichtlich schwer fällt.

Der Film «Vanescha» wird am Sonntag, 22. Januar, um 17.25 Uhr auf SF 1 ausgestrahlt.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR