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«Ein bisschen mehr Schweiz könnte uns Bayern gut tun»

Annähernd wie den Messias haben die Glarner Behörden gestern den bayerischen Ministerpräsidenten empfangen. Mit Erfolg: Schon nach dem Mittagessen schwärmt Horst Seehofer: «Glarus ist für mich gelobtes Land.»

Südostschweiz
13.02.12 - 01:00 Uhr

Von Brigitte Tiefenauer

Glarus. – Horst Seehofer ist beeindruckt. «Ein bisschen mehr Schweiz könnte uns Bayern gut tun», meint er nach Röbi Martis Begrüssungsworten. Tatsächlich zückte der Landammann alle Register, um vor den prominenten Besuchern Werbung fürs Glarnerland zu machen. Schliesslich wolle Seehofer Ideen abkupfern, sprich: Werk und Wissen aus dem hinteren Glarnerland nach Deutschland und damit in die Welt hinaustragen. «Eine Chance», so Marti.

Krawatten-, aber nicht ideenlos

Zwar ohne Krawatte, aber mit umso mehr glarnerischem Charme und einer tüchtigen Portion Lob in eigener Sache präsentiert Marti den Gästen «seinen» Kanton im besten Licht. Der kleinste, aber stolzeste Bergkanton sei flächenmässig ähnlich gross wie der Landkreis Berchtesgaden in Bayern, mit knapp 40 000 Einwohnern aber nur halb so stark bevölkert.

Marti erklärt die Landsgemeinde, wo bahnbrechende Entscheide gefällt worden sind, vom ersten Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer 1864 bis zum Stimmrecht für 16-Jährige 2007 und der Fusion der 25 Gemeinden zu noch dreien.

«Nicht einmal die Gemeindegebietsreform in Bayern 1972 war so radikal», so Marti. «Wir sind stolz. Auf diese traditionelle und trotzdem moderne, direkte Demokratie ebenso wie auf die traditionelle Mahlzeit der Landsgemeinde.» Sie sei den bayerischen Weisswürsten nicht unähnlich. Die Frage sei nur, wer wem das Rezept geklaut habe. Seehofer bekommt die Glarner Variante aufgetischt und lobt Wurst, Land und Volk in den höchsten Tönen.

Glarner Zahnräder drehen in Bayern

In der Folge zeigt der Landammann «Geschäftsbeziehungen» mit Bayern auf; am Beispiel etwa von «bester Schoggi» in zwei Läderach-Filialen in München und Nürnberg – ein Versucherli bekommen die Besucher als Gastgeschenk.

Er erwähnt weitere Beispiele wie die Fassadenplatten der Eternit am Allianz-Hauptgebäude und im Olympiadorf sowie Zahnräder von Sauter Bachmann für bayerische Maschinen- und Motorenhersteller. Im Gegenzug heize die Kehrichtverbrennungsanlage Niederurnen mit Öfen einer Münchner Firma, und regelmässig liefere die Firma Ossberger aus Weissenburg Turbinen für Glarner Kleinkraftwerke.

Frauenkirche in Maschinenkaverne

Von den kleinen Kraftwerken wechselt Marti flugs zum grossen: Er präsentiert das Pumpspeicherwerk Linthal und dessen angestrebte Leistung von 1450 Megawatt als «ähnlich gross wie beim Kernkraftwerk Isar II in Bayern». Das seien enorme Dimensionen. Allein in der Maschinenkaverne hätte die Münchner Frauenkirche bequem Platz.

Die Überleitung zum nachmittäglichen Ausflug nach Linthal übernimmt der Zürcher Regierungsrat Markus Kägi. Als Vizepräsident des Axpo-Verwaltungsrates gibt er einen ersten Einblick ins Werk und folgert: «Wir sind auf dem richtigen Weg für die Energiepolitik, die der Bund ansagt.»

Als «Paradebeispiel» von Europa her inspiziert zu werden, ist für Kägi Ehrensache: «Wir wollen den Bayern Mut machen und hoffen, dass sie wertvolle Lehren aus unserem Werk ziehen.»

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