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Ecopop hat die Entwicklunghilfe-Idee bei den SP-Frauen abgeschaut

Ecopop will zehn Prozent der Entwicklungshilfe in Familienplanung investieren. Experten und der Bundesrat halten das für überholt. Indes: Simonetta Sommaruga sympathisierte vor fünf Jahren noch mit der Idee.

Südostschweiz
22.10.14 - 02:00 Uhr

Von Anna Wanner

Bern. – Um nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt das Bevölkerungswachstum zu stoppen, verlangt Ecopop, dass zehn Prozent der Entwicklungshilfe für Familienplanung in armen Ländern eingesetzt werden. Von Seiten der Entwicklungsorganisationen ernten die Initianten dafür Kritik: Sie verfolgten ein völlig verstaubtes Modell der Entwicklungshilfe, so der Vorwurf. Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, bezeichnet den Vorschlag von Ecopop als «untauglich». Es fehle nicht der Zugang zu Verhütungsmitteln. Es fehle den Frauen an Selbstbestimmung. Folglich sei das Problem mit dem Verteilen von Kondomen nicht zu lösen.

Innerhalb der Ecopop-Bewegung bringt Aktivist Alex Gagneux als einziger Erfahrung in der Entwicklungsarbeit mit. Er hat den Teil der Initiative verfasst, der vorschreibt, wie Entwicklungsgelder einzusetzen sind. Dass er deswegen nun von allen Seiten kritisiert wird, lässt er nicht einfach auf sich sitzen: Schliesslich befinde er sich in guter Gesellschaft. So hat die heutige Justizministerin Simonetta Sommaruga als Ständerätin einen Vorstoss ihrer SP-Ratskollegin Liliane Maury Pasquier unterzeichnet, der die gleichen Ansprüche an die Entwicklungshilfe stellt wie Ecopop: Die Schweiz habe den internationalen Entwicklungszielen zu folgen und müsse unter anderem den Zugang zu Familienplanung in armen Ländern ermöglichen. In ihrem Vorstoss 2009 fragt die Genferin Maury Pasquier den Bundesrat, ob er bereit sei, für dieses Anliegen zehn Prozent der Entwicklungsgelder bereitszustellen. Der Bundesrat macht in seiner Antwort deutlich, dass er von der Idee eines Mindestbetrags wenig hält.

Für die Kampagne missbraucht?

Heute ist Sommaruga nicht nur Bundesrätin, sondern zuständig dafür, die ablehnende Haltung der Regierung gegen Ecopop zu vertreten. Auf den Vorstoss angesprochen erklärte Sommaruga vergangene Woche dem «Tages-Anzeiger», die Antwort des Bundesrates habe sie damals überzeugt: Die Familienplanung dürfe nicht als isolierte Massnahme dastehen, wie dies Ecopop fordere. Ausserdem halte sie es für bevormundend, Umweltschutz über sinkende Geburtenraten zu betreiben. Auf die Frage, ob sie den Vorstoss ein zweites Mal unterzeichnen würde, antwortete sie ausweichend.

Demgegenüber findet Maury Pasquier deutliche Worte. Dass die Ecopop-Initianten sie im Zusammenhang mit der aktuellen Volksinitiative erwähnten, sei missbräuchlich: «Es stört mich, dass ich als Unterstützerin erwähnt werde, weil ich klar gegen die Initiative bin.»

Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Forderungen, den auch Maury Pasquier nicht ausräumen kann. Sie betont allerdings zwei wesentliche Unterschiede. Erstens habe sie eine breitere Hilfe verlangt: Die Lebensqualität und Gesundheit von Frauen in Drittweltländern müsse über Bildung gefördert werden, sagt die gelernte Hebamme. «Frauen müssen wissen, welche Rechte sie haben.» Zweitens und viel wichtiger stelle sie im Unterschied zu Ecopop keinen Bezug zur Demographie her. «Mir geht es um die Gesundheit der Frauen.»

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