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Don Luigi Ciotti: Der Mafia-Enteigner lädt nach Rom

Er ist Italiens bekanntester Anti-Mafia-Priester – und der von den Paten am innigsten gehasste: Morgen eröffnet Don Luigi Ciotti in Rom die dritte grosse Anti-Mafia-Tagung.

Südostschweiz
22.10.14 - 02:00 Uhr

Von Dominik Straub

Rom. – Vor wenigen Wochen musste der Polizeischutz für Don Luigi Ciotti nochmals verstärkt werden: Ermittler hatten im Mailänder Hochsicherheitsgefängnis Opera ein Gespräch des Superpaten Toto Riina abgehört, in dem dieser einem Mithäftling erklärte, dass man Don Ciotti endlich töten müsse. «Der Priester ist niederträchtig und böse», sagte der einstige Chef der Cosa Nostra. Vor einem bevorstehenden Attentat hatten auch andere Staatsanwaltschaften gewarnt: Alle Mafia-Oganisationen, von der Cosa Nostra über die Camorra und die ‘Ndrangheta bis zur Sacra Corona Unita, wollen Don Ciotti tot sehen. Der 69-Jährige wird nun von über 20 Polizisten rund um die Uhr beschützt – nur die Leibwache von Präsident Giorgio Napolitano ist noch grösser.

Ciotti ist Gründer und Präsident von Libera. Dieses grösste Anti-Mafia-Netzwerk Italiens ist Dachorganisation von über 1300 Vereinen und Bürgerinitiativen mit Zehntausenden Mitgliedern und Aktivisten. Unter Don Ciottis Führung beginnen morgen in Rom die dritten sogenannten «Generalstaaten gegen die Mafia»: Der viertägigen Tagung werden mehrere Minister, Staatsanwälte und beide Parlamentspräsidenten ihre Aufwartung machen. Angemeldet sind auch EU-Justizkommissarin Martine Reichert, Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano und hohe Geistliche.

Beschlagnahmungen durchgesetzt

Ciotti hatte schon 1965 als 20-Jähriger in Turin eine Hilfsorganisation gegründet, die sich um Drogenabhängige, Prostituierte und Ex-Häftlinge kümmerte. Folgerichtig vertraute ihm der Bischof, der ihn zum Priester weihte, die Strassenpfarrei an.

Später war Don Ciotti von einer neuen Idee beseelt: Die von der Mafia mit Blut- und Drogengeld zusammengerafften Ländereien und Immobilien sollten der Zivilgesellschaft zurückgegeben und von gemeinnützigen Organisationen gratis genutzt werden können. 1995 gründete Don Ciotti zu diesem Zweck Libera und sammelte innerhalb von wenigen Monaten mehr als eine Million Unterschriften für ein Gesetz, das die definitive Beschlagnahme von Mafia-Gütern ermöglichen sollte. Bereits 1996 trat dieses Gesetz in Kraft.

Seither wurden in Italien Tausende Mafia-Güter konfisziert: Hotels und Ferienanlagen, Appartementhäuser und Villen, Läden und Lagerhallen, Pizzerien und Konditoreien, Gutshöfe, Felder, Wälder und Wiesen. Der Wert der enteigneten Güter beträgt Dutzende Milliarden Euro. Auf mehreren beschlagnahmten Gutsbetrieben hat Ciotti Kooperativen gegründet, in denen arbeitslose Jugendliche zusammen mit ausgebildeten Landwirten die Äcker bestellen, Oliven ernten, Hartweizen mahlen oder Wein pressen. Die Produkte werden in eigenen Bioläden verkauft, die den schönen Namen «Sapori della legalità» tragen – «der Geschmack der Legalität». Der erste Laden öffnete 2007 in Rom; inzwischen gibt es Geschäfte in Neapel, Bologna, Palermo, Pisa, Florenz – und sogar in Corleone, der sizilianischen Heimatstadt von Toto Riina und seinen «Corleonesi»-Gangstern.

Eine «doppelte Ohrfeige»

«Die Beschlagnahmung ihrer Vermögen, der Angriff auf ihr Portemonnaie, tut den Mafiosi am meisten weh», betont Don Ciotti. Die Kooperativen seien eine «doppelte Ohrfeige» für die Clans: «Zum einen hat man sie enteignet, zum anderen entsteht gerade auf ihrem früheren Land so etwas wie Gemeinschaftsgefühl und Gemeinsinn.» Beides sei Gift für die kriminellen Clans: «Was Sinn stiftet und zu einem ehrlich erwirtschaften Auskommen beiträgt, wird von der Mafia gefürchtet.» Dass die Clans immer wieder Brandanschläge und Sabotageakte gegen die Kooperativen verüben, bestätigt Don Ciotti nur in seiner Überzeugung, «dass wir auf dem richtigen Weg sind».

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