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Die Heimat in der Musik gefunden

Ein chinesischer Drachen ziert das Cover seiner neuen Musikproduktion «Travelogue». Werner Tian Fischer ist weit- gereist und spielt seine Musik momentan in Peking. Ein Porträt eines Vagabunden.

Südostschweiz
22.01.11 - 01:00 Uhr

Von Stephanie Elmer

Viele flüchten an jenem Donnerstagabend von der Winterkälte ins «Au Premier» am Zürcher Hauptbahnhof, im ersten Stock, mit Blick auf die beleuchtete Bahnhofstrasse. Man trinkt sein Feierabendbier, trifft Freunde auf ein Glas Wein – oder erzählt bei einer Tasse Kaffee ein Stück aus seiner Lebensgeschichte, so wie es Werner Tian Fischer tut. Eingepackt in seinem Wintermantel und dem roten Schal.Ein paar Wochen verbringt er in der Schweiz; ist zurückgekehrt aus China, seiner momentanen Wahlheimat. In Peking unterrichtet er junge Chinesen an der Beijing Midi School of Music und bereitet die Tour seiner neuen Band Travelogue vor. Seit gut einem Jahr lebt er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter dort. «Die Anonymität dieser Grossstadt fasziniert mich», sagt er.

Der Ruf der Ferne

Der Ruf der Ferne lockte schon früh. Damals nach der Matura. Werner Fischer, aufgewachsen in Oberurnen, folgte ihm und landete schliesslich für zwei Jahre in Portugal, bevor es ihn wieder nach Hause zog. Um an der Universität Zürich Geschichte und Englisch zu studieren. Wegziehen, sich niederlassen, Zelte wieder abbrechen und weiterziehen. Ein Rhythmus, der in seinem Leben schon oft den Takt angegeben hat. «Mir wird es an einem Ort halt schnell zu langweilig», sagt er, schon fast entschuldigend. «Ich bin jeweils auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Mein Ziel ist es, weiterzukommen und nicht stehenzubleiben.»Die Suche nach neuen Herausforderungen, zusammen mit seiner Musikbegeisterung, waren denn damals wohl auch die treibenden Kräfte, die ihn vor gut zehn Jahren nach Boston brachten, um am Berklee College of Music den Master in Musik zu absolvieren. Nach drei Jahren an der amerikanischen Ostküste kehrte er schliesslich zurück in die Schweiz. Lässt sich nieder, zieht wieder fort.

«Musik bringt dich weit»

«Highways and dancehalls – a good song takes you far», steht heute auf der Homepage von Werner Tian Fischer geschrieben. Und wenn man seiner Lebensgeschichte lauscht, so wird schnell klar, dass hinter diesem Satz mehr steckt, als die poetisch klingende Überschrift im Internet. Ein Vagabund, so wie man ihn sich nicht vorstellt. Ruhig, gelassen, überlegen – Hast oder Rastlosigkeit scheint man bei ihm vergebens zu suchen. Die Heimat, so scheint es, hat er gefunden – nicht dort, wo er aufgewachsen ist. Und auch nicht in einem fremden Land. Sondern in der Musik.Schmunzelnd erzählt er von seiner ersten Band, die er mit elf Jahren gegründet hat. Oder von seiner Folk-Pop-Gruppe Starfish, die er mit dem jetzigen Züri-West-Gitarristen Tom Etter in den 90er-Jahren gründete. Zusammen tourten sie durch die Schweiz. «Spielen, Spielen, Spielen, lautete damals die Devise», erzählt der Musiker. Bühnen mussten es nicht immer sein. Miteinander tourten sie durch Nordeuropa und machten Strassenmusik. Werner Tian Fischer schmunzelt, wenn er in den Erinnerungen dieser Zeit schwelgt. «Freude und Streit – in dieser Zeit haben wir alles durchgemacht.»

Blues und Jazz in Peking

«Es spielt keine Rolle, wo man seine Musik spielt, man muss es einfach machen. Musik zu erfahren, in der Gruppe zu spielen – das ist das Erlebnis, auf das es ankommt.» Und so spielt Werner Tian Fischer seine Musik momentan in Peking. Blues und Jazz, im CD Blues & Jazz Café, einem kleinen Lokal an der immer verstopften 3. Ringstrasse im riesigen Chaoyang District. Musiziert wird unkompliziert; mit anderen Musikbegeisterten aus den verschiedensten Ecken der Welt. Ein Stück Heimat im Fernen Osten.

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