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Die bedeutende Rolle der Musik im Werk von Paul Klee

Was für eine wichtige Rolle die Musik im Leben und Schaffen von Paul Klee spielte, bringt eine ihm gewidmete Ausstellung in Paris umfassend zum Ausdruck.

Südostschweiz
04.01.12 - 01:00 Uhr

Von Walter Labhart

Paris. – Kaum ein bildender Künstler des 20. Jahrhunderts hat sich so lange und so intensiv mit der Musik beschäftigt wie Paul Klee (1879–1940). Das als Sohn eines deutschen Musiklehrers am Kantonalen Lehrerseminar Bern-Hofwil und einer ausgebildeten Sängerin baslerischer Herkunft in Münchenbuchsee geborene Multitalent war schon als Violine spielen- der Gymnasiast Mitglied des Berner Stadtorchesters geworden. 1903 begann er Konzertkritiken für das «Berner Fremdenblatt» zu verfassen, ein Jahr später lernte er auf der Viola zu musizieren. Während seines Malstudiums bei Heinrich Knirr in München wirkte er in dessen Atelier in einem Streichquintett mit. In München lernte er seine Frau kennen, die Pianistin Lily Stumpf, die ihm mit Klavierstunden den Lebensunterhalt sichern half.

Nachdem er sich ganz für die künstlerische Laufbahn als Maler, Zeichner und Grafiker entschieden hatte, blieb er der Musik weiterhin treu. Er besuchte zahlreiche Konzerte und musizierte später als Bauhaus-Lehrer mit seinem Kollegen Lyonel Feininger. In Dessau, wo er bis 1931 am Bauhaus unterrichtete, setzte er sich vermehrt mit der Polyphonie von J. S. Bach auseinander, den er nebst Mozart am meisten verehrte. Trotz persönlicher Begegnungen mit Béla Bartók, Paul Hindemith, Igor Strawinsky und dem Schweizer Komponisten Albert Moeschinger, der ihn zum Gemälde «Der junge Moe» (1938) anregte, verschloss er sich vor der zeitgenössischen Musik. Seinem Verständnis zufolge hatte die Musik das «Goldene Zeitalter» bereits mit Beethoven erreicht, während sich die Malerei erst anschickte, neue Wege zu betreten und einen Höhenflug zu starten.

Polyphonie und Rhythmen

Die lebenslängliche Auseinandersetzung mit dem Wesen der Musik, mit ihrer spezifischen Formensprache, dem Element der Bewegung und dem Zeitfaktor widerspiegelt sich bereits im zeichnerisch geprägten Frühwerk Klees. Von der Karikatur «Der Pianist in Not» (1909), der auf einem Nachttopf sitzend aus einer wirren Partitur spielt, spannt sich ein weiter Bogen bis zum elementaren, auf Rot und Schwarz begrenzten «Paukenspieler» aus dem Todesjahr 1940. Chiffren stehen hier anstelle einer Zeichnung erzählenden Charakters. In jenem letzten, in Bern verbrachten Jahr häufen sich die symbolträchtigen Darstellungen von Musikern. Eine «Landschaft in C-Dur» und ein «Alter Geiger» von 1939 bereiten auf «Eidola: weiland Harfner» und auf die «Eumenide vom Chor» vor, von einem «Musikalischen Gespenst» aufgeschreckt, das wohl als eine von vielen Todesvisionen von Paul Klee interpretiert werden kann.

Die sich überlagernden Farbschichten in den Werken der Dreissigerjahre bezeichnete der Künstler selber als «Polyphonie», um auf das gleichzeitige Erklingen von Themen in der Musik anzuspielen. Von Rhythmen liess sich Klee zu markanten Gliederungen in seinen Bildkompositionen inspirieren, zu klar strukturierten Proportionen und zu Motivwiederholungen wie etwa in der «Zeichnung mit der Fermate» (1918), der «Fuge in Rot» (1921), in «Rhyth-misches» (1930) oder in der «Dynamisch-polyphonen Gruppe» (1931).

Briefe und Partituren

In der von Marcella Lista kuratierten, chronologischen Ausstellung «Polyphonies» vermitteln über 100 bildnerische Werke und fast ebenso viele Dokumente in Frankreich erstmals Einblick in Klees profunde Auseinandersetzung mit der Musik. Besonders aufschlussreich sind Briefe an seine Frau, die von Konzerterlebnissen berichten, sowie Musikbücher und Musiknoten aus Klees Besitz. Während Bachs Solosonaten für Violine und Otto Jahns Mozart-Biografie von seinen musikalischen Idealen künden, beweisen Debussys «Pelléas et Mélisande», Bartóks Suite op. 14 und Schönbergs sechs Klavierstücke op. 19, dass sich Klee mit zeitgenössischer Musik, der er stets skeptisch gegenüberstand, immerhin befasst hatte.

Paul Klee: «Polyphonies». Cité de la Musique, Paris. Bis 15. Januar.

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