×

Der Metzgermeister, der den Sägemehlsport wiederbelebte

Viele Jahrzehnte lang war das Engadin ein weisser Fleck auf der Landkarte des Schwinggeschehens. Dann kam er: Berni Locher, Metzgermeister, Berner Oberländer und Gründer der Societet da luotta.

Südostschweiz
19.07.13 - 02:00 Uhr

Von Flavian Cajacob

Schwingen. – Zwischen Maloja und Martina wird wie vergiftet Ski gefahren, Langlauf betrieben, gerannt und geklettert, Golf gespielt, Mountainbike gefahren, geritten, gesegelt, gesurft und gekitet. Bloss geschwungen, nein, das wird im Engadin nicht wirklich überschwänglich. Darüber kann auch das letztjährige Nordostschweizer Schwingfest nicht hinwegtäuschen, welches in Silvaplana 5000 Besucher zu begeistern vermochte. Schwingen, das ist für die Engadiner schon eher etwas für die da «draussen» – jene ennet Julier, Albula und Flüela.

Tatsächlich? Im grossen Ganzen ja. Doch es gibt, wie so oft im Leben, auch hier Ausnahmen, welche die Regel (nicht) bestätigen. Die erwähnenswerteste heisst Societet da luotta Engiadina – oder zu gut Deutsch: Schwingclub Engadin. Gegründet vor zwei Jahren, nimmt sich der Klub in Ermangelung aktiver Schwinger vorderhand der Förderung des Nachwuchses an. Und das mit Erfolg, wie Berni Locher nicht ohne Stolz festhält: «Wir haben bereits das eine oder andere Zweiglein eingefahren, und einer unserer Schwinger durfte letztes Jahr sogar ans Eidgenössische Nachwuchsschwingfest reisen – als einer von bloss dreien aus dem Kanton Graubünden.» Auch heute beim Bündner Kantonalfest in Cazis werden einige Schwinger aus dem Engadin dabei sein, um sich mit den stärksten des Kantons sowie einigen auserwählten Gästeakteuren zu messen.

Gründer, Leiter und gute Seele der Societet

Locher ist Gründer, Technischer Leiter und gute Seele der Societet. Wer mit dem Metzgermeister übers Schwingen und seine jungen Athleten spricht, spürt das sprichwörtliche Feuer, welches in ihm brennt, wenn es um den Nationalsport geht. «Ich war ja in jungen Jahren selber Schwinger, weiss also bestens um die Faszination, die vom Sägemehl und den Zwilchhosen ausgeht.» Infiziert mit dem Schwingervirus hat sich Berni Locher selbstredend nicht im Engadin. Sondern im Berner Oberland, von wo er ursprünglich stammt. Als er ins Engadin umzog, um in Zuoz eine Metzgerei zu eröffnen, nahm er nicht nur Messer und Schürze mit nach Südbünden, sondern auch seine Liebe zum Hosenlupf.

Die schlief zwar im Zuge beruflicher Herausforderungen und angesichts der fehlenden Möglichkeiten zwischenzeitlich ein wenig ein. Doch mit dem Heranwachsen seiner Kinder kam der Familienvater wieder auf den Geschmack. «Wir organisierten immer mal wieder kleinere Anlässe, an denen Kollegen und die Schulkinder aus der Region sich im Schwingen üben konnten. Das war jedes Mal ein toller Spass und ein grosser Erfolg», erzählt Berni Locher.

Im Zuge dessen reifte der Entschluss, das Ganze auf ein festes Fundament zu stellen, sprich, einen eigenen Klub zu gründen. Zuerst habe er abgeklärt, ob so etwas überhaupt möglich sei, erzählt Locher. Als er dann vom Kantonalverband grünes Licht signalisiert erhielt, habe dem Vorhaben nichts mehr im Wege gestanden. Im Frühsommer 2011 war es so weit: Der Schwingclub (mit c, nicht mit k geschrieben!) Engadin schritt zur Gründungsfeier und bezog im Serlas-Park in S-chanf seinen eigenen Schwingkeller.

Unterstützung aus der ganzen Schweiz

Gegen 20 junge Schwinger trainieren da regelmässig. Unter den strengen Augen ihres Technischen Leiters Berni Locher. Der gibt Anweisungen und lacht: «Natürlich, ein bisschen sehe ich mich hier schon als Entwicklungshelfer. Aber es gibt einige Jungs, die gute Voraussetzungen mitbringen, um es bei den Aktiven bald einmal in die Kränze zu bringen.» Bis in zwei, drei Jahren, so Locher, sollte es soweit sein und einer aus dem Klub mit bekränztem Kopf die Heimreise von einem Schwingfest zurück ins Engadin antreten. Die Teilnahme an einem solchen im Übrigen fordert von den jungen Schwingern jedes Mal doppelten Einsatz: Denn aufgrund der weiten Distanzen muss meist übernachtet werden – zum Glück hat Locher in der ganzen Schweiz Schwingerfreunde, die ihm und seinen Jungs ein Dach über dem Kopf anbieten.

Das Militär lässt sich Zeit

Momentan tragen die Engadiner Schwinger ihren Kampf nicht nur im Sägemehl, sondern auch auf der bürokratischen Ebene aus. Denn der Klub will raus aus dem Keller und rein in eine eigene Schwinghalle. Ein geeignetes Objekt haben sie bereits ausgemacht: eine alte Halle der Armee. Allerdings muss hier wie anderswo im Militär der Dienstweg einhalten, und wenn es auch nur an einer einzigen Stelle harzt, dann kann das dauern. Genau das ist der Fall.

Zuversichtlich stimmt den Engadiner Schwingförderer die Tatsache, dass Bundesrat und VBS-Vorsteher Ueli Maurer dem Projekt gegenüber sein persönliches Wohlwollen signalisiert habe. Sollte der Traum von der Schwinghalle im Engadin tatsächlich in Erfüllung gehen, so hält Berni Locher in seiner Metzgerei bereits ein passendes Dankeschön bereit. «Natürlich eine Schwingerwurst, eine Spezialität von mir!»

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR