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«Der Blitz legt einen sofort lahm»

Die Brandwunden sind noch nicht ganz verheilt, die sich der Bergsteiger Markus Staub am 1. August auf dem Glärnisch zuzog. Dort hatte ihn ein Blitz getroffen, was schwere Verbrennungen an den Füssen des 59-Jährigen hinterliess.

Südostschweiz
13.10.14 - 02:00 Uhr

Von Delia Landolt (Text und Bild)

Haslen. – «Realisiert, was passiert ist, habe ich wahrscheinlich erst am nächsten Tag, als zum ersten Mal meine Füsse ausgepackt wurden», erinnert sich Markus Staub.

Am 1. August dieses Jahres ist der Bergsteiger auf dem Vorderglärnisch von einem Blitz getroffen worden. An den Stellen, an denen der gewaltige Stromstoss aus seinem Körper austrat, hat dieser unter anderem eine kreisrunde Verbrennung hinterlassen, die bis auf den Knochen geht.

Auch an beiden Fersen und an der rechten kleinen Zehe hat Staub Verbrennungen bis 3. Grades erlitten. Erst nach gut einer Woche wurde ihm im Spital Zürich innen am Fuss ein kleines Stück Spalthaut vom Oberschenkel verpflanzt, um die Wundheilung etwas zu beschleunigen.

Vier Minuten Reanimation

Vom Klöntal her kommt der Helikopter nach dem Unfall angeflogen. Schwebend lädt er den 59-jährigen Patienten ein. Auf dem Glärnisch sollte zum Nationalfeiertag traditionsgemäss ein grosses Feuer entfacht werden.

Doch dieses Mal kommt es nicht dazu. «Der Blitz nimmt keine Rücksicht auf Steine oder Menschen», erzählt Markus Staub zwei Monate nach dem Unfall. Die Kraft des Blitzes schleuderte ihn in die Höhe.

Staub ist einer der acht Glarner, die für das Feuer auf dem Glärnisch zuständig sind, und er war schon etwa ein Dutzend Mal dabei gewesen.

Ein ähnlicher Unfall mit einem Blitzschlag hatte sich bereits vor gut 40 Jahren ereignet. Das damalige Opfer wurde jedoch vom Blitz nicht ganz so stark getroffen und konnte nach medizinischer Versorgung vor Ort aus eigener Kraft vom Gipfel absteigen.

Markus Staub erlitt dagegen einen Herzstillstand und musste von einem Kollegen drei bis vier Minuten lang reanimiert werden. «Der Blitz legt einen offensichtlich sofort lahm», sagt Staub. Vom heftigen Stromschlag habe er allerdings nichts gespürt.

Sudoku zur Beschäftigung

Erst zirka 15 bis 20 Minuten nach dem Stromschlag kommt Staub wieder zur Besinnung. Zum Flug nach Mollis kann er rückblickend sagen: «Ich habe zwar gezittert, aber an Schmerzen kann ich mich irgendwie nicht erinnern.»

Heute, bald zehn Wochen danach, kann Markus Staub wieder einigermassen normal auf seinen Füssen stehen. Zwei Monate lang musste er an Stöcken gehen. Auto fahren kann er bisher noch nicht, gehen nur langsam und das leicht hinkend.

Bei den schlimmeren Verbrennungen gehe es immer noch eine Weile, bis sie verheilt seien und die Verbände endlich kleiner würden, erzählt Markus Staub weiter.

Zur Arbeit kann er erst wieder gehen, wenn ihm sein Arzt das Einverständnis gibt. Das werde noch ein paar Wochen dauern. «Ich bin froh, wenn der Tagesablauf wieder einmal anders aussieht als auf dem Sofa liegen, Bücher lesen, Kreuzworträtsel und Sudoku lösen.»

Nach seiner Genesung wird Markus Staub seine Arbeit im Innendienst der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Glarus aber wieder ohne Probleme aufnehmen können.

Für viele Blitzopfer ist das nicht selbstverständlich. Zwar enden «nur» zirka zehn Prozent aller Blitzschläge tödlich. Trotzdem haben viele Betroffene danach mit Gesundheitsschäden zu kämpfen. Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen, Gedächtnis- oder Schlafstörungen können auftreten.

Geduld bis Weihnachten

Bis auf die Brandwunden hat Markus Staub keine Beschwerden. «Sonst fehlt mir eigentlich nichts.» Ob der Berggänger im kommenden Winter auf Skitouren verzichten muss, ist noch nicht ganz klar. Es hängt davon ab, wie Staub mit den zurückbleibenden Narben an den Füssen in den Skischuhen zurechtkommt.

Etwas anderes als Socken hat Staub seit dem 1. August nicht oft an den Füssen getragen. «Schuhe konnten wir uns diesen Herbst sparen», sagt er lachend. «Es wird sicher bis gegen Weihnachten dauern, bis die Brandverletzungen verheilt sind und sich genügend neue Haut gebildet hat.»

Zurzeit geniesst Staub die warme Herbstsonne auf seinem Gartensitzplatz in Haslen. Ob er nächstes Jahr wieder beim Glärnischfeuer dabei sein wird, weiss er noch nicht. In Zukunft wird aber kein Risiko mehr eingegangen. Auf dem Glärnisch findet das Feuerwerk nur noch bei sicheren Verhältnissen statt.

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