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Den Mut für romanische Werke nicht verlieren

Balser Puorger war ein bedeutender romanischer Autor des 20. Jahrhunderts mit einer tragischen Lebensgeschichte. Mevina Puorger hat ihrem Vorfahren eine Luxusedition gewidmet.

Südostschweiz
21.02.13 - 01:00 Uhr

Von Fadrina Hofmann

Ramosch. – Das Buch «La glieud da Schiliana ed oters raquints» wäre wohl der Traum eines jeden romanischen Autors. Gebunden, mit einem richtigen Foto auf dem Buchdeckel, mit blauem Buchzeichen, farbigen Bildern im Innern, Glossar und historischen Hintergrundinformationen – so edel präsentiert sich die Sammlung der Erzählungen von Balser Puorger. «Das Buch ist meinem Vater gewidmet, darum musste alles perfekt sein», erklärt Herausgeberin Mevina Puorger. Der Autor war ein Bruder ihres Grossvaters und der Patenonkel ihres Vaters Hans Puorger. «Für meinen Vater war er eine enorm wichtige Persönlichkeit», erzählt die Romanistin. Das Buch sei für sie eine Herzensangelegenheit und deswegen entstand diese Luxusedition mit einer kleinen Auflage.

Eine sprachliche Schatzkammer

Als Schriftsteller kannte Mevina Puorger ihren einst berühmten Vorfahren bis vor Kurzem kaum. Erst Jachen Curdin Arquint, ebenfalls Romanist, habe sie darauf hingewiesen, wie bedeutsam das Werk von Balser Puorger (1864–1943) für die romanische Literatur sei. Seine Publikationen sind vergriffen, die letzte Ausgabe stammt von 1953 und wurde sprachlich stark verändert. Die aktuelle Ausgabe enthält die Originalversionen des Autors aus Seraplana bei Ramosch.

«Die Sprache macht einen grossen Teil der Erzählungen aus», erklärt die Herausgeberin. Somit ist das Buch auch eine linguistische Biografie, unter anderem mit lokalen Ausdrücken oder mit dem Sprachgemisch der zurückgekehrten Emigranten, der Randulins.

Die unmögliche Liebesgeschichte

Balser Puorger wuchs in Seraplana auf, begann eine Lehre im italienischen Carrara im Geschäft seines Vaters, wurde Lehrer und unterrichtete später unter anderem an der Schweizer Schule in Bergamo und über drei Jahrzehnte an der Kantonsschule in Chur. Hier lernte er auch seine grosse Liebe kennen, Silvia Stanga aus Roveredo. Sie war seine Schülerin, 30 Jahre jünger und erst noch katholisch. Für die damalige Zeit war eine Ehe unter solchen Bedingungen unmöglich. Das unglückliche Paar blieb zeitlebens auf einer platonischen Ebene verbunden. Weder er noch sie hat jemals geheiratet. Puorger nahm sich im Alter von 79 Jahren das Leben.

Mit Fiktion Geschichte nahebringen

Die Geschichten in «La glieud da Schiliana ed oters raquints» haben alle eine biografische Note. Die Erzählungen haben einen historischen Hintergrund und schildern das soziale Leben in der Unterengadiner Gesellschaft. Die Reformationszeit wird ebenso thematisiert wie die Französische Revolution oder die Engadiner Emigration. Immer wieder durchleben die Protagonisten die Pein einer unerfüllten Liebe. «Bei all seinen Erzählungen merkt man aber, dass er ein Pädagoge war», meint Mevina Puorger. Mit Fiktion wollte Balser Puorger seinen Lesern ein Stück Kulturgeschichte nahebringen.

Auch heute gehören Romanisch-Schüler zu den Lesern von Balser Puorger. Das neue Buch ist für einmal nicht zweisprachhig, sondern auf Vallader und somit nur für ein kleines romanisches Publikum gedacht. «Wir sollten den Mut nicht verlieren, Wer-ke nur auf Romanisch zu veröffentlichen», sagt Mevina Puorger.

Sie jedenfalls beweist Mut. Ein zweiter Band mit Erzählungen von Balser Puorger soll bereits im nächsten Jahr erscheinen – vielleicht aber in einem etwas weniger luxuriösen Kleid.

Morgen Freitag wird «La glieud da Schiliana ed oters raquints» von Balser Puorger ab 20 Uhr im Kulturraum des Bogn Engiadina Scuol vorgestellt. Mevina Puorger und Philipp Gunzinger, ebenfalls ein Nachfahre, diskutieren über das Werk.

Balser Puorger: «La glieud da Schiliana ed oters raquints», Edition Mevina Puorger. 383 Seiten. 42 Franken.

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