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Dem Roseggletscher ist die Zunge abgestorben

Der Roseggletscher hat auf einen Schlag 1,3 Kilometer an Länge verloren. Das Durchschmelzen der Gletscherzunge in einer Steilstufe macht den vorderen Teil zu «Toteis»; ein Hinweis auf den Dickenverlust.

Südostschweiz
13.10.12 - 02:00 Uhr

Von Norbert Waser

Gletscher gelten als Klimaindikatoren. Und wenn die Klimaerwärmung einen Beweis braucht, so liefert ihn der neuste Kryosphärenbericht der Schweizer Alpen, der soeben im SAC-Magazin «Die Alpen» veröffentlicht wurde. Die Längenmessungen der Schweizer Gletscher von 2010 auf 2011 sprechen eine klare Sprache. Mit einer einzigen Ausnahme, dem Mont Duran im Wallis, der um 23 Meter vorgestossen ist, haben sämtliche vermessenen Gletscher an Länge eingebüsst, teils markant.

Ereignis am Roseggletscher

Aufhorchen lässt insbesondere eine Zahl: Der Roseggletscher im Engadin hat von einem auf das andere Jahr 1305(!)Meter Länge eingebüsst. Dieses Ereignis hat ihm im «Alpen-Magazin» sogar zu einem eigenen Artikel unter dem Titel «Totes Eis – Wenn ein Gletscher zerfällt» verholfen. Grund für dieses ausserordentliche Ereignis ist die Abtrennung der Gletscherzunge in einer Steilstufe. Dadurch ist der ganze vordere Teil nicht mehr mit dem Gletscher verbunden und wird dadurch auch nicht mehr vom Stammgletscher «genährt». Deshalb auch die Bezeichnung «Tot-eis», das statistisch nicht mehr für die Längenmessung verwendet werden kann. Buchstäblich der tiefere Grund für dieses Ereignis liegt in der Dickenabnahme des Gletschers. Dadurch wurde das Eis in der Steilstufe immer dünner, bis es ganz durchgeschmolzen ist. Der Roseggletscher ist da keine Ausnahme, das gleiche Phänomen wurde 2003 auch beim Dammgletscher im Urnerland und beim Paradiesgletscher unterhalb des Rheinwaldhorns beobachtet. Mit der Gletscherzunge würde für die Klimaforschung zugleich eine lange Datenreihe verloren, bedauern die Wissenschaftler.

Morteratsch verlor 44,9 Meter

Der Rückgang eines Gletschers um 1,3 Kilometer in einem einzigen Jahr ist ein ausserordentliches Phänomen. Die Situation ist aber auch ohne dieses Ereignis klar und in Bezug auf die Klimaerwärmung messbar. Sämtliche in Graubünden unter Beobachtung stehenden Gletscher haben von 2010 auf 2011 an Länge verloren. Der Morteratschgletscher, im Nachbartal zum Roseg, wo auf einem Gletscherlehrpfad die Rückgänge seit dem vorletzten Jahrhundert mit Tafeln eindrücklich dokumentiert sind, hat in der letzten Messperiode erneut 44,9 Meter an Länge eingebüsst, so viel wie kein anderer Gletscher in Graubünden. Als Grund dafür wird im Kryosphärenbericht die Kombination von geringer Schneeakkumulation über den Winter und früh einsetzender Schneeschmelze im sehr warmen Frühling genannt. Dies wirkte sich auch auf die Permafrostgebiete aus, einen weiteren Indiaktor der Kilmaerwärmung.

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