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Das «Zentrum des Alls» liegt also doch in Graubünden

In St. Moritz ist gestern ein Kunstwerk von Thomas Heinzer, eine riesige Kugel mit einem Durchmesser von drei Metern, von einem Helikopter eingeflogen worden. Beim Hotel «Waldhaus am See» ist sie ab sofort zu bewundern.

Südostschweiz
28.04.12 - 02:00 Uhr

Von Marina U. Fuchs

St. Moritz. – Zwischensaison in St. Moritz. Die meisten Hotels und auch viele Läden sind geschlossen. Ruhezeit – sollte man meinen. Gestern wurde man aber eines Besseren belehrt und durfte sich über einen spektakulären Anlass freuen. Ein Kunstwerk wurde bei schönstem Sonnenschein vor der tief verschneiten Landschaft in einer eindrücklichen Aktion an seinen Platz vor dem – geöffneten – Hotel «Waldhaus am See» gebracht.

Eine Arbeit, in der sich alles spiegelt

«Zentrum des Alls» nennt sich das aussergewöhnliche Kunstprojekt, das der Schweizer Künstler Thomas Heinzer, der im Kanton Schwyz lebt und arbeitet, sich hat einfallen lassen. Heinzer ist nicht nur Künstler, sondern auch ein begeisterter Wintersportler. Vor 30 Jahren machte ein Autounfall seinen Traum von einer Karriere im Skiweltcup zunichte. In St. Moritz war er schon einmal während des «White Turf», den alljährlichen Pferderennen auf dem gefrorenen St. Moritzersee, mit einer Skulptur präsent. Aber «Zentrum des Alls» sprengt alle Dimensionen seiner bisherigen Arbeit. Die hochglänzende Edelstahlkugel hat einen Durchmesser von drei Metern. Auf ihrer Oberfläche spiegelt sich die Umgebung und macht das Kunstwerk zu einem dekorativen Blickfang.

Der Künstler hat zur Verwirklichung seiner Vision mit einer deutschen Firma zusammengearbeitet, die Kugeln und insbesondere Miniaturkugeln für Computer, Medizin und anderes herstellt. Die Kugel, deren Realisation sich über drei Jahre hinzog, ist über eine Treppe begehbar, innen gibt es eine Sitzbank, vier mondsichelförmige Fenster lassen den Himmel erahnen. Ton- und Lichteffekte sind geplant. Im Inneren kann man in Kürze durch eine Lupe die kleinste mechanisch hergestellte Präzisionskugel der Welt bestaunen. Ihr Durchmesser beträgt 90 bis 100 Mikrometer, entspricht der Dicke eines menschlichen Haares und ist mit blossem Auge kaum sichtbar. «Mikro- und Makrokosmos treffen in der Kugel aufeinander – und mittendrin der Mensch als Betrachter, die Kugel als verbindender Gedanke», erklärte Heinzer.

«Flugtechnisch war es eine Herausforderung»

Der Rohling des grossformatigen Kunstwerks wurde von einer Spezialwerkstätte in China in aufwendiger Arbeit hergestellt. «Dies wäre bei uns aus finanziellen Gründen nicht möglich», betonte der Kugelspezialist Thomas Schulte. Die Feinarbeiten wurden nach der Verschiffung nach Hamburg bei der deutschen Firma Nanoball, deren Geschäftsführer Schulte ist, ausgeführt.

Mit einem Spezialtransport kam die Kugel aus der Nähe von Köln nach St. Moritz. Bei der Olympiaschanze war dann die Helibernina für das letzte Stück Weg gefragt. «Das war wegen der hohen Temperaturen und des Gewichts von über einer Tonne – und damit am Limit – eine grosse flugtechnische Herausforderung», erklärte Pilot Hansueli Bärfuss. Es war mehr als beeindruckend, wie das spiegelnde Kunstwerk über den See geflogen und nach einer eleganten Kurve über das «Waldhaus am See» an seinem Standplatz abgesetzt wurde.

«Zentrum des Alls» wird nach Auskunft des Künstlers vorerst bis Oktober zu bewundern sein, dann werden die Verantwortlichen der Gemeinde entscheiden, wie weiter verfahren wird. Nur eines fragt man sich: Warum wurde die dekorative Kugel zurückgesetzt installiert und nicht an prominenter Lage direkt oberhalb des Sees, wo sie ein noch viel faszinierenderer Blickfang sein könnte?

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