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Das Mädchen aus dem Dorf erobert Berlin

Petra Auer wollte schon als kleines Kind auf die Bühne. Heute lebt sie als Schauspielerin in Berlin. Zu verdanken hat sie das vor allem ihrer Hartnäckigkeit – und ein bisschen auch René Schnoz.

Südostschweiz
12.03.14 - 01:00 Uhr

Julian Reich

Ihr erstes Stück schrieb sie gleich selbst und inszenierte es auf dem Armenhausplatz in Grüsch. Sie klingelte an allen Türen ringsum und sag- te bestimmt: «Du kommst sicher auch.» Die kleine Petra Auer konnte recht beharrlich sein, alle zwei Wochen, erinnert sie sich heute, habe sie fortan geklingelt, und ziemlich sicher fanden es die Grüscher bald einmal nicht mehr ganz so herzig. Später spielte Auer im Dorftheater, fuhr aber gleichzeitig so gut Ski, dass es für das Juniorenkader des Bündner Skiverbandes reichte. Die Eltern meinten, aus Petra würde mal eine Rennfahrerin. Die aber wusste, dass sie auf die Bühne gehört.

Zum ersten Mal in der Heimat

Mittlerweile ist sie auf vielen Bühnen und vor vielen Kameras gestanden. Kürzlich zum ersten Mal in ihrer Heimat: In «Die Dunkelheit in den Bergen», dem von René Schnoz am Theater Chur inszenierten Stück von Silvio Huonder. Am Samstag war Derniere, am Sonntagmittag schon bestieg Auer den Flieger zurück nach Berlin, wo sie heute lebt. «Ich mag keine Abschiede», sagt sie, sie macht es lieber kurz und schmerzlos.

Am Tag der letzten Vorstellung sitzt die 29-Jährige in einem Restaurant auf dem Churer Arcasplatz und erzählt aus einem Leben, das im Rückblick wie die Abfolge von sich zwingend ergebenden Schritten aussieht. Ein Leben, das in vielem exemplarisch ist für den Aufstieg eines Mädchens aus dem Dorfe zu einer Schauspielerin in der Weltstadt.

Lern etwas Rechtes

Die Eltern waren wenig begeistert vom Berufswunsch der Tochter, damals, als sie aus der Schule kam. Sie solle etwas Rechtes lernen. Also absolvierte sie eine kaufmännische Lehre – stets im Wissen, gleich anschliessend in die Schauspielerei zu wechseln. Nur wie? Sie wusste, dass sie Aufnahmeprüfungen zu bestehen haben würde. Zu ihrem Glück fand sie in René Schnoz einen engagierten Mentor. Er, der sich nun, fast zehn Jahre später, für sein Churer Stück wieder an sie erinnerte, nahm sie unter seine Fittiche.

Und doch, es wollte nicht klappen. Zwei Jahre lang reiste Auer von Aufnahmeprüfung zu Aufnahmeprüfung durch den ganzen deutschsprachigen Raum. Erst als andere schon längst aufgegeben hätten, wurde sie in Zürich angenommen. «Es war der richtige Zeitpunkt. Wäre ich schon früher aufgenommen worden, hätte mich das Studium überfordert», sagt sie, und meint damit die unzimperliche Art, mit der die Studenten ins kalte Wasser geworfen werden, wie sie mit Kritik eingedeckt werden und wie sehr sie sich mit eigenen Abgründen auseinandersetzen müssen. «Man lernt dabei Seiten von sich kennen, von denen man nichts wusste. Und auch nichts wissen wollte.»

Die Schauspielschule war eine harte Probe. «Man darf dabei den Stolz nicht verlieren. Er sollte einem aber auch nicht im Weg stehen.» Die Beschäftigung mit sich selbst und die Konfrontation mit den eigenen Schwächen war eine wichtige Erfahrung in ihrem Leben.

Nach dem Anschluss zog es Auer nach Los Angeles – anders als ihre Kommilitonen, von denen viele nach Berlin wollten. Sie besuchte Schauspiel- und Ballettkurse, wurde jedoch von einem unerwarteten Engagement doch noch nach Berlin gelockt. Alles lief gut – bis das Engagement auslief und kein neues mehr hereinkam. Auer musste sich mit einer Neun-Quadratmeter-Wohnung in einem Hinterhof begnügen, in die nur einmal am Tag Sonnenlicht traf – reflektiert vom gegenüberliegenden Fenster.

Die Durststrecke dauerte ein ganzes Jahr. Auer war kurz davor, aufzugeben und zurück in die beschauliche, weniger raue Schweiz zu ziehen. Bis es plötzlich wieder aufwärts ging: ein Werbespot hier, eine Nebenrolle in einem Sat1-Film dort. Das war vor einem Jahr. Heute lebt Auer wieder in einer grösseren Wohnung.

Eigene Webserie in Planung

Film und Theater reizen die Schauspielerin gleichermassen. «Auf der Bühne kann man sich so richtig verschwenden», sagt sie. Vor der Kamera hingegen besteht die Herausforderung darin, auf Knopfdruck bereit zu sein, während man die Handlung vielleicht nicht einmal chronologisch dreht.

Ihr nächstes Projekt entwirft Petra Auer gleich selbst. Sie plant eine Webserie, die von einer jungen Frau erzählt, wie sie sich auf die Suche nach ihrer Familie macht. Wurde sie doch eigenartiger Umstände wegen von einem Italiener adoptiert (eine Rolle spielt die EM 1988 und ein zu stark getretener Freistoss). Die Dreharbeiten für «Gianna Panini» beginnen im April in Berlin.

www.petraauer.ch

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