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Bundesratswahlen 2010: Wer gewinnt – Kopf oder Bauch?

Nach welchen Kriterien wählen die Parlamentarier Bundesräte. Sie wägen Vor- und Nachteile. Aber auch das «Bauchgefühl» spielt eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung.

Südostschweiz
17.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Tarzisius Caviezel*

Als Nationalrat stehe ich vor der Aufgabe, politische Prozesse mitzugestalten und mitzuentscheiden. In den Kommissionen und im Plenum geht es dabei fast immer um mehr oder minder komplexe Sachgeschäfte. Am nächsten Mittwoch aber ist alles anders und – vermeintlich – viel einfacher: Aus einer überschaubaren Anzahl Kandidatinnen und Kandidaten wird die vereinigte Bundesversammlung zwei neue Mitglieder ins oberste Exekutivkollegium wählen.Bundesratswahlen haben sich in den letzten Jahren zu eigentlichen Polit-Krimis gewandelt. Das wird auch diesmal nicht anders sein. Seit die Rücktritte der Bundesräte Leuenberger und Merz bekannt geworden sind, vergeht kein Tag, ohne dass in den Parteien, den Medien oder an den Stammtischen über die geeigneten und weniger geeigneten Nachfolgerinnen bzw. Nachfolger diskutiert und spekuliert wird.

Qualifizierte Kandidaten

SP und FDP präsentieren uns je zwei qualifizierte Nachfolge-Kandidaten – drei Frauen und einen Mann. Alle vier bringen die notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen für das anspruchsvolle Amt mit. Wer wird das Rennen machen? Welche Faktoren sind am Ende matchentscheidend? Wem gebe ich in der Stunde der Entscheidung meine Stimme? Lasse ich dann, wenn es wirklich darauf ankommt, meinen Kopf oder mein «Bauchgefühl» sprechen?

Nicht allein mit dem Verstand

Genau diese letztgenannte Frage stellt sich uns allen auch im ganz normalen Alltag, im Beruf, in der Familie, bei Erziehungsfragen oder in der Part-nerschaft. Permanent sind wir vor Entscheidungen gestellt, die wir mit dem Verstand allein nicht treffen können. Deshalb verlassen wir uns bei kniffligen Problemstellungen oft auf etwas, das ganz verschiedene Namen trägt: Manche nennen es den siebten Sinn, andere sprechen von der Intuition oder eben vom Bauchgefühl.Emotionen spielen selbstverständlich auch in der Politik eine äusserst wichtige Rolle. Politikerinnen und Politiker sind keineswegs rein vernunftgesteuerte Wesen und es wäre tatsächlich absurd, sich Politik als quasi gefühlsfreie Zone vorzustellen. Im Gegenteil: Politik ist ein Feld, auf dem die beiden Pflänzchen namens «Lust» und «Frust» genauso munter aus dem Boden spriessen wie im Geschäfts- oder Privatleben.

Eine Nacht darüber schlafen

Wenn ich vor einer wirklich schwierigen Frage stehe, beginne ich meist zuerst, die wichtigsten Vor- und Nachteile systematisch zu analysieren. Daraus resultiert aber sehr oft nicht die klare Entscheidungsgrundlage, die ich mir gewünscht hätte. Mein Meinungsbildungsprozess ist blockiert. Was ist zu tun? Wenn es der Zeitrahmen erlaubt, nehme ich ein Time-out und frage mich, was meine Gefühle zur aktuellen Lage sagen. Und wenn die Pattsituation anhält? Dann greife ich zum altbewährten Mittel des Ei-ne-Nacht-darüber-Schlafens. Das hat mir schon oft die gesuchte Entscheidungssicherheit gebracht. Deshalb gilt für mich im Alltag oder auch bei der kommenden Bundesratswahl: Intensiv in mich hineinhören, denn Kopf und Bauch sind genau gleich wichtig!

*Tarzisius Caviezel ist FDP-Nationalrat und lebt in Davos.

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