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Arosa und Davos (wieder) zusammenführen

Bis 1851 gehörten Davos und Arosa politisch zusammen. Ein Tunnel zwischen Langwies und Davos könnte die beiden Gemeinden wieder näher zusammen- bringen. Könnte. Die Regierung will das Projekt schubladisieren.

Südostschweiz
24.10.12 - 02:00 Uhr

Von Christian Buxhofer

«Die Tourismusdestinationen Davos und Arosa könnten mit einer direkten Eisenbahnverbindung durch einen Tunnel stark aufgewertet werden und sich zu einer neuen touristisch geprägten Grossregion entwickeln.» Der erste Satz beim Projekt «Arosatunnel» in der regierungsrätlichen Botschaft zur Planung neuer Verkehrsverbindungen lässt aufhorchen. Bei keinem anderen der insgesamt zehn erläuterten Bahnprojekte werden die Vorteile bereits in der Einleitung gepriesen. Doch am Schluss fällt die Gesamt- bilanz der Regierung für die betroffene Region ernüchternd aus. Für den Topf A hats nicht gereicht, der Arosatunnel ist ein B-Projekt: Verkehrstechnisch interessant, volkswirtschaftlich aber nur mit einem bescheidenen Nutzen. Deshalb wird eine weitere Vertiefung und technische Bearbeitung durch den Kanton «vorläufig» zurückgestellt.

Zwei Varianten geprüft

In der vom Kanton in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie hat die Rhätische Bahn für eine Tunnelverbindung vom Landwassertal ins Schanfigg zwei Varianten untersucht, die sich durch die Lage des Tunnelportals auf der Schanfigger Seite unterschieden: Arosa beziehungsweise Litzirüti. Bevorzugt wurde schliesslich die Variante Litzirüti, weil dadurch auch die Verbindung Chur–Davos verbessert werden könnte. Angedacht wurde ein 7,7 Kilometer langer Einspurtunnel mit zwei Ausweichstellen sowie oberirdischen Streckenabschnitten von total 1,2 Kilometern Länge zwischen den Tunnelportalen und den Verknüpfungen mit den bestehenden RhB-Strecken in Litzirüti und im Raum Davos Islen. Die Investitionskosten schätzt die RhB auf rund 480 Millionen Franken.

Das Betriebskonzept sieht zwischen Arosa, Litzirüti und Davos Platz einen Shuttle-Betrieb mit Meterspurzügen der RhB im Halbstundentakt vor. In Litzirüti wären Anschlüsse von und nach Chur gewährleistet. Die Linie Chur–Arosa durchs Schanfigg würde so weiterhin im Stundentakt betrieben. Die Fahrzeit Arosa–Davos würde lediglich 26 Minuten betragen, während heute via Chur und Landquart zweieinhalb Stunden benötigt werden. Markant würde sich auch die Fahrzeit von Chur nach Davos reduzieren. Dauert die Fahrt via Prättigau heute rund 90 Minuten, wären es inskünftig durchs Schanfigg nur noch etwa 60 Minuten.

Hohe Fahrzeiteinsparung

Die hohe Fahrzeiteinsparung und das Zusammenführen zweier Tourismusdestinationen würden eine hohe Nachfrage auslösen. Die RhB-Planer rechnen mit rund 840 000 zusätzlichen Personenfahrten pro Jahr. Die Mehrzahl der Fahrten würde durch das Projekt selbst induziert, Verlagerungswirkungen von der Strasse auf die Schiene würden nur in geringem Umfang erzielt, heisst es in der Studie. Gerechnet wird mit einem hohen Gästeaustausch zwischen Arosa und Davos.

Hohe Unterhaltskosten

So würden auch beide Orte von einer höheren Wertschöpfung profitieren. Für Arosa wurden 12,2 Millionen Franken pro Jahr ermittelt, für Davos 15,3 Millionen Franken. In die RhB-Kasse würden dank der vielen neuen Kunden jährlich rund 3,4 Millionen Franken fliessen. Diesem Ertrag stehen jedoch hohe zusätzliche Ausgaben beim Unterhalt und Betrieb gegenüber, sodass die Folgekosten für die Bahn unter dem Strich jährlich rund neun Millionen Franken betragen würden. Gesamthaft würde das Projekt in der Region Arosa/Davos rund 250 Vollzeitarbeitsstellen auslösen.

Gesamthaft sehen die Experten und auch die Regierung im Projekt für die Volkswirtschaft und die Raumentwicklung klare Vorteile.

Aus eidgenössischer Sicht fällt die Beurteilung wegen der hohen Investitions- und Unterhaltskosten deutlich negativer aus. Diesen Kosten von jährlich 32 Millionen Franken stehen Vorteile in den Bereichen Umwelt, Wohlfahrtsgewinn der Fahrgäste und Verbesserung der Verkehrssicherheit gegenüber, die nach dem Berechnungsverfahren des Bundes einen Wert von total neun Millionen Franken haben. Unter dem Strich bleibt eine Nutzen-Kosten-Differenz von minus 23 Millionen Franken pro Jahr. Zu viel, um national für dieses Projekt werben zu können. Auch deshalb dürfte sich die Regierung für den B-Topf entschieden haben. Die Chancen, dass der Tunnel tatsächlich einmal gebaut wird, sind damit praktisch null.

Die Bündner Regierung hat alle konkreten Ideen für neue Verkehrsverbindungen in Graubünden unter die Lupe nehmen lassen. Das «Bündner Tagblatt» stellt in einer Serie alle Projekte inklusive der vom Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement Graubünden bei Ernst Basler und Partner, Zürich, in Auftrag gegebenen Bewertung der Projekte vor. Heute erscheint der achte Teil.

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