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Als Monaco fast ein Schweizer Hafen wurde

Während des Zweiten Weltkrieges schlug Migros-Gründer Gottfried Duttweiler ernsthaft vor, Monaco zum 26. Kanton der Schweiz zu machen.

Südostschweiz
25.06.11 - 02:00 Uhr

Von Stefan Brändle

Monaco. – Das Projekt war verrückt, aber nicht ganz sinnlos. Zwischen 1941 und 1942 verhandelten prominente Schweizer mit Louis II., dem damaligen Regenten Monacos, über den «Anschluss» an die Eidgenossenschaft. Es herrschte Krieg, und beide Seiten waren von den gros- sen Achsenmächten umzingelt. Da tauchte in europäischen Geschäftskreisen die Idee auf, das halbwegs kriegsversehrte Monaco und die neutrale Schweiz zusammenzuschliessen. Der Zwergstaat an der Riviera sollte zum 26. Kanton des Kleinstaates in den Alpen werden.

Vor einigen Jahren enthüllt

Enthüllt wurde dieses erstaunliche, lange Zeit vergessene Vorhaben vor einigen Jahren durch den französischen Journalisten Pierre Abramovici. In seinem Buch «Un Rocher bien occupé» (etwa zu übersetzen mit «Monaco unter Besatzung») schreibt er, dass Vichy-Frankreich die Enklave am Mittelmeer damals an der kurzen Leine gehalten habe. Viele Monegassen hätten aber mehr Unabhängigkeit gewünscht. Die Schweiz wiederum litt unter ihrer Binnenlage; auf dem Mittelmeer transportierten ihre Schiffe zwar aus Übersee eingetroffene Güter und Personen von Lissabon Richtung Schweiz. Dabei mussten sie allerdings über «feindliche» Häfen wie Marseille (unter deutscher Kontrolle) oder Genua (in italienischem Besitz) laufen.

Ein eigenartiges Trio

Dies brachte einige Geschäftsleute auf die Idee, Monaco zu einem Art Schweizer Freihafen zu machen. Der wichtigste Verfechter auf eidgenössischer Seite war Migros-Patron Gottfried Duttweiler. Er liess sich von drei wenig reputierten Männern beraten, die obskure Gechäftsziele verfolgten: der Schweizer Pierre Du Pasquier, der amerikanische Industrielle mit Nazi-Sympathien zu seinen Partnern zählte; der Geschäftsmann Marc Bloch, der sich wegen Betrugs aus dem Ausland nach Genf gerettet hatte, sowie der deutsche Spion Heinrich Kleinschroth, der unter anderem als Tennispartner des Fürsten von Monaco bekannt war.

Duttweiler wollte die Monaco-Angelegenheit den Bundesbehörden in Bern schmackhaft machen. Ob der Bundesrat gesamthaft darüber beriet, ist nicht belegt. Bern ging auf jeden Fall nicht darauf ein. Vermutlich schon deshalb, weil «Duttis» Beratertrio nicht den besten Leumund aufwies. Dass sich Bundesbern mit der Frage aber dennoch befasste, geht aus französischen Regierungsberichten von 1944 hervor. «1942 schlug Du Pasquier dem politischen Department in Bern die Schaffung eines Schweizer Freihafens in Monaco vor», heisst es darin. «Die Antwort war von wirtschaftlichem und politischem Standpunkt aus negativ. Man schlug immerhin vor, die praktische Möglichkeit zu prüfen, einige Transporte auf Schweizer Rechnung durch Monaco vorzunehmen.» Wie die französische Diplomatie festhält, seien «konkrete Realisierungen» aber ausgeblieben.

Der Grund war vielleicht auch, dass der Transport zwischen Monaco und der Schweiz ebenso unsicher war wie von Marseille aus. Konsequenterweise hätten die Schweizer Monaco-Promotoren den Bau eines Tunnels von Genf ans Mittelmeer ins Auge fassen müssen. Länge: 300 Kilometer. Etwas zu lang? Immerhin wäre der Meeranstoss für die Schweiz nie leichter zu haben gewesen …

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