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«Wir sind in der Mitte, das ist gut so»

Diesen Herbst gilt es für den Naturpark-Kandidaten Parc Ela Ernst. Die Gemeinden befinden über einen neuen Parkvertrag – und damit über einen zehnjährigen Betrieb ab 2012. Dass der Park nicht allen gefällt, weiss Geschäftsleiter Dieter Müller.

Südostschweiz
26.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Mit Dieter Müller sprach Jano Felice Pajarola

Herr Müller, Sie haben gerade eine Informationstour durch ein Dutzend Dörfer im Gebiet des Parc Ela hinter sich, sind Red und Antwort gestanden zur Zukunft des Naturparks. Ihre Bilanz?

Dieter Müller: Ich denke, es war eine gute Sache. Wir konnten viele motivierende Gespräche führen – auch mit Leuten, die sonst vielleicht nicht direkten Kontakt mit uns gehabt hätten. Wir spürten guten Rückhalt, und im Gespräch liessen sich vereinzelt noch vorhandene Ängste relativieren.

Und jetzt herrscht helle Begeisterung?

Es gab in einzelnen Gemeinden schon Diskussionen darüber, ob nun wegen des Naturparks mit Einschränkungen zu rechnen ist. Es war wichtig, nochmals zu sagen, worüber man sich mit Bund und Kanton im Richtplan verbindlich geeinigt hat: dass ein Park keine zusätzlichen gesetzlichen Auflagen bringt. Denn viele haben das immer noch nicht mitbekommen. Streitgespräche gab es auf unserer Informationstour trotzdem nicht.

«Gewisse Leute konnten wir nicht überzeugen»

Die Reaktionen waren aber sicher nicht überall gleich positiv.

Sie haben recht, es gibt diesen Gürtel von Gemeinden um Savognin, in dem gewisse Ängste vorhanden sind. Umgekehrt gibt es aber auch alle übrigen Gemeinden, die besorgt nach Savognin blicken, da sie fürchten, der Park könnte wegen der dortigen Ängste gefährdet sein.

Der Handels- und Gewerbeverein Surses hat sich von der Richtplan-Aktion des Parc Ela nicht beeindrucken lassen. Er macht klar Front gegen das Projekt.

Es ist in der Tat so, dass wir gewisse Leute nicht damit überzeugen konnten, was in einem behördenverbindlichen Dokument – dem Richtplan – geschrieben steht. Das gilt ihnen offensichtlich nichts, und das ist bedauerlich. Argumente mit Hand und Fuss hat der Gewerbeverein aber nicht vorzuweisen. Stattdessen zitiert er unbelegte Polemik aus einem drei Jahre alten Zeitungsartikel ...

... wonach bislang nur Planer, Vernehmlasser, Theoretiker und Umweltschützer von den vielen Geldern profitiert hätten, die der Park in die Region gebracht habe. Aber der Handels- und Gewerbeverein ist überzeugt, es werde höhere Auflagen, mehr Druck der Umweltverbände gegen Wirtschaftsprojekte geben.

Bis jetzt konnte mir niemand sagen, was das denn für zusätzliche Auflagen und Einschränkungen sein sollen. Ich weiss nur, dass wir uns mit Bund und Kanton darüber einigen konnten, der Park sei kein Instrument für zusätzliche Auflagen. So ist es im Richtplan definiert, das ist Tatsache. Wie das nun doch ausgehebelt werden könnte, ist mir völlig unklar. In dieser Diskus- sion stehen auf der einen Seite sachliche Argumente, auf der anderen diffuse Behauptungen, die mit der Angst spielen, ein Naturpark müsse einfach neue Auflagen mit sich bringen.

Und wenn doch zusätzliche Auflagen kommen, dann gibt es tatsächlich eine Rücktrittsklausel für die Gemeinden?

Ja, der Parkvertrag kann während der Vertragsdauer aufgelöst werden, aber nur, falls die Mehrheit der Gemeinden es gutheisst. Eine einzelne Gemeinde kann nicht austreten. Die Mitgliederversammlung des Vereins Parc Ela respektive zwei Drittel der Gemeinden können sagen: Wir steigen aus.

Ein weiterer Vorwurf, den man hört: Der Park bringe minimale Wertschöpfung – bei maximaler Regulierung.

Was soll damit gemeint sein? Es gibt keine «maximale Regulierung». Es ist doch letztlich auch eine Glaubensfrage: Glaubt man an den heutigen Tourismustrend hin zu Natur, Kultur, Ursprünglichkeit, in dem der Park eine Chance wäre – oder glaubt man nicht daran? Ich finde, er wäre diese Chance; es existiert kein Grund, sie nicht zu ergreifen. Es gibt nichts zu verlieren. Entscheiden muss aber die Bevölkerung. Der Verein ist Auftragnehmer; er setzt um, was die Bevölkerung will. Wenn einzelne Gemeinden Nein sagen, schadet das dem Park – aber das Mittun ist freiwillig.

«Für die beiden Extreme machen wir es nie recht»

Eine der Bedingungen, die der Park erfüllen muss: Das Gebiet muss in zehn Jahren einen gleich hohen oder höheren Landschaftswert als heute aufweisen – wie soll das denn gehen, wenn es gar keine anderen Vorschriften gibt als ausserhalb eines Parks?

Es geht letztlich um eine Gesamtsicht. Es wird sicher Bauprojekte geben, die aber im Idealfall ihre Eingriffe gleich selber kompensieren. Ergänzend führen unsere Gemeinden freiwillig massiv viele Aktivitäten und Massnahmen durch, um Natur und Landschaft zu erhalten und zu fördern, zum Teil initiiert und unterstützt von uns – Vernetzungsprojekte, Trockenmauerprojekte und so weiter.

Auf das Parklabel des Bundes zu verzichten und als nicht offiziell anerkannter Parc Ela weiterzumachen – das wäre keine Option?

Nein. Nur wenn der Bund den Betrieb als Naturpark bewilligt, erhalten wir Finanzhilfen von Bund und Kanton, um Projekte in den vorgegebenen Bereichen Wirtschaft und Tourismus, Bildung und Kommunikation sowie Natur und Landschaft umzusetzen. Der Parc Ela ist seit zehn Jahren als Naturpark aufgebaut worden, wenn er das nicht mehr sein kann, gibt es auch keinen Parc Ela mehr.

Und die Umweltverbände, waren die immer überzeugt vom Verhalten des Parc Ela? Die Verbände haben zum Beispiel Einwände gegen das in Tinizong geplante Err-Kraftwerk, der Parc Ela nicht.

Das ist auch nicht Aufgabe des Vereins Parc Ela. Wasserkraft- und Schneesportprojekte dürfen und sollen auch in einem Naturpark realisiert werden können. Die Umweltverbände anerkennen unsere Arbeit im Bereich Natur und Landschaft. Dass der Verein in anderen Fragen nicht die Meinung der Umweltverbände teilt, leitet sich von unserer Aufgabe ab. Unsere Hauptaufgabe ist, die nachhaltige Entwicklung der Region zu unterstützen.

Der Parc Ela im «Sandwich»?

Wir sind immer in der Mitte, und das ist gut so. Wir haben zwei manchmal widersprüchliche Ziele zu verfolgen – einerseits geht es um Natur, andererseits um Wirtschaft. Und für die «extremen» Ansichten machen wir es nie recht, auf beiden Seiten. Die einen wollen nur Wirtschaft und sehen dabei nicht, dass Wertschöpfung im Naturpark auch darauf basiert, dass man unser Kapital Natur und Landschaft zu pflegen versucht. Und die anderen erkennen nicht, dass es für eine Erhaltung der Naturwerte in einer Randregion Einkommen und Wertschöpfung braucht. Es geht um Nachhaltigkeit – und die muss beides in Einklang bringen. Kritik von beiden Polen zeigt da nur, dass man es nicht allzu schlecht macht.

«Der Park ist ein Hilfsmittel des Bundes für uns»

Und Sie denken, die Bevölkerung stehe mehrheitlich hinter dem Park?

Ja, die Leute glauben an das Projekt, das habe ich immer wieder gespürt, auch im persönlichen Gespräch. Der Park ist ein Hilfsmittel des Bundes für Regionen wie unsere, und wir haben alle Vorarbeiten geleistet, um nun diese Hilfe auch anzunehmen. Ich denke, die Leute haben das verstanden.

Die Davoser Fraktion Wiesen hat bereits Ja gesagt, ein Entscheid, den der Landrat noch absegnen muss. Ihre Prognose für die übrigen Abstimmungen?

21 Ja. So hoffe ich es wenigstens. Damit der Parkvertrag auch in Kraft treten kann, braucht es aber die Zustimmung aus mindestens 15 Gemeinden.

Und das Worst-Case-Szenario?

Im schlimmsten Fall könnten die Gemeinden im oberen Surses vom Rest des Parkgebiets komplett abgekoppelt werden – dann könnten sie nicht mehr mitmachen. So sind die Vorgaben des Bundes, und das wäre schlecht für den Parc Ela. Ein solcher «Riegel» würde entstehen, wenn sowohl Savognin als auch Riom-Parsonz und Tinizong-Rona gegen den Park wären.

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