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«Netstal ist ein Erfolgsmodell für den ganzen Kanton Glarus»

Die Gemeinde Netstal war schon immer eine Industrie- gemeinde. Mit der wachsenden Industrie im Norden wird diese Tradition fortgesetzt. Hans Leuzinger spricht von Netstal als einer sehr attraktiven Braut für Glarus (Mitte).

Südostschweiz
27.04.10 - 02:00 Uhr
«Netstal ist ein Erfolgsmodell für den ganzen Kanton Glarus»

Die Gemeinde Netstal war schon immer eine Industrie- gemeinde. Mit der wachsenden Industrie im Norden wird diese Tradition fortgesetzt. Hans Leuzinger spricht von Netstal als einer sehr attraktiven Braut für Glarus (Mitte).

Von Irène Hunold Straub

Netstal. – Es gibt Aufgaben, die der Netstaler Gemeindepräsident nun gerne abgibt und dem neuen Gemeinderat überlässt. Andere hofft er noch während seiner Amtszeit durchzubringen. Wie die Realisation einer neuen Passarelle, die er als einen gelungenen Kompromiss bezeichnet. Sie wird demnächst die bestehende ersetzen und führt vom Gemeindehausplatz zur Glarner Sportschule, welche das Swiss-Olympic-Qualitäts-label führen darf.Zu dieser Schule hat der mittlerweile pensionierte Hans Leuzinger eine ganz besondere Beziehung. Denn Hans Leuzinger wuchs – als Sohn des Schulhaus-Abwartsehepaars – dort auf. Die daneben anschliessende Mehrzweckhalle löst bei ihm die selben Gefühle aus. Es sei eine gute Sache geworden, gibt sich Leuzinger überzeugt. Er bezeichnet es als einen Glücksfall, dass dieses Vorhaben, das dem Regierungsrat unterbreitet werden musste, überhaupt noch realisiert werden durfte. Die neue Halle helfe mit, das reiche Vereinsleben von Netstal intakt zu halten. Momentan versuche man im Zuge der Gemeindefusion, sämtliche rund 40 Vereine unter einen Hut zu bringen.

Keine Schlafgemeinde

Auf die Frage, ob demnach Netstal für den Übertritt zur Grossgemeinde gerüstet sei, meint er: «Ja, ich bin überzeugt, dass sich die Gemeinde als attraktive Braut einbringen wird.» Netstal sei seit manchem Jahr schuldenfrei. Nebst dem grossen Einkaufscenter seien verschiedene Grossbetriebe im Norden entstanden und das Centro mit seinem attraktiven Erscheinungsbild trage viel zu einem einladenden Dorfbild bei. Ebenso wurde eine Vielzahl von Wohnhäusern, vor allem auch im Dorfkern, saniert. Gleichzeitig seien im Fuchsgut, im Lerchengut, in der Weid und auch im Centro weitere Baugebiete entstanden oder am Entstehen.Leuzinger spricht von einer gut funktionierenden, professionellen und schlanken Verwaltung. Der Bürger sei stets Kunde gewesen, «wir sahen uns immer als Dienstleistungsunternehmen». Wäre dieses Engagement nicht gewesen, wäre Netstal heute eine Schlafgemeinde, ist er überzeugt. Netstal habe bevölkerungsmässig etwa wieder den Stand von 1999 erreicht.

Einzige mit aktueller Gefahrenkarte

Die Schule hat von der regen Bautätigkeit profitiert, die Schülerzahlen sind relativ stabil. Überhaupt sei die Schule – nebst der erwähnten Sportschule – ein Vorzeigemodell. Wie sie es schon damals war, als Hans Leuzinger noch im Schulhaus lebte. Viele der Aufgaben, welche durch die Gemeindestrukturreform auf die Gemeinden zukommen, sind bereits heute umgesetzt.Wo Netstal ebenfalls gut dasteht, ist der Hochwasserschutz: Mit der letzten Etappe am Löntsch werden in diesem Frühling die wesentlichsten Arbeiten abgeschlossen sein. Netstal verfüge als einzige Gemeinde im Kanton über eine aktuelle Gefahrenkarte, sagt Leuzinger. Auf dieser Grundlage könne nun die neue Grossgemeinde die Arbeit fortführen. Er denkt auch an die Gebühren für Strom und Wasser, welche im Quervergleich unterdurchschnittlich seien. «Trotzdem ist es uns gelungen, eine tadellose Infrastruktur für Bauwerke über und unter dem Boden der neuen Gemeinde zu übergeben.»

Umfahrung und Alterswohnungen

Der noch amtierende Gemeindepräsident ist ebenfalls überzeugt, dass die zwei Netstaler Vertreter im neuen Gemeinderat die Wünsche und Anliegen der Netstaler kennen und auch am richtigen Ort einbringen. Dazu komme der Gemeindeschreiber. Trotzdem befürchtet Leuzinger, dass Netstal bei der Realisierung von Anliegen hinten anstehen wird. «Dort werden andere das Sagen haben, Prioritäten werden wohl anders gewichtet», sagt er – beispielsweise mit Blick auf den Kunstrasenplatz.Ganz oben auf der Prioritätenliste in Netstal stehen die Umfahrung von Netstal mit der dazugehörenden Realisierung der Nordspange sowie der Bau von Alterswohnungen. Bevor nicht der Verkehr aus dem Dorf raus ist, werden vermehrt Häuser entlang der Hauptstrasse leer stehen.Was die Alterswohnungen betrifft, wäre eine Lösung mit Bodenabtausch in Sicht. Hingegen scheitert das vorläufig noch am bäuerlichen Bodenrecht. Hier kann der amtierende Präsident nichts mehr ausrichten. Er wird nun Netstal, das er als ein Erfolgsmodell im Kanton Glarus bezeichnet, demnächst übergeben: In der Hoffnung auf ein weiterhin funktionierendes Dorfleben und die Erhaltung der eigenen Identität.

Hans Leuzinger

Netstal. – Hans Leuzinger ist 66 Jahre alt. Ab 1994 wirkte er im Gemeinderat als Parteiloser mit, die letzten zehn Jahre war er Gemeindepräsident. Die Zeit seit dem Fusionsbeschluss 2006 erlebte er einerseits als Mehraufwand: Er war Mitglied in den Projektgruppen B3.2 und D3.2 sowie im Projektausschuss. Anderseits war er verunsichert, was der bisherige Gemeinderat noch beschliessen darf. Er habe die regierungsrätliche Weisung als eine Bevormundung und ein klares Misstrauensvotum erlebt. Nach der Fusionierung wird er politisch nicht mehr tätig sein, höchstens noch ein vormundschaftliches Mandat übernehmen. (ih)

Von heute 25 zu drei Grossgemeinden (17)

Netstal. – Netstal zählte am 1. Januar 2010 2854 Einwohner. Das Wiggis-Dorf verfügte schon immer über viel Industrie. Zahlreiche Fabrikantenvillen sind Zeugen dieser Entwicklung.Heute ist Netstal eine der wenigen Gemeinden, welche über eingezontes Bauland verfügen. Allerdings ist dieses momentan mit einem zehnjährigen Moratorium belegt. Käme ein grosser Investor, könnte das jederzeit rückgängig gemacht werden. Bewusst wurde auf die Ansiedlung von Discountern verzichtet. Dafür wurde die ansässige Industrie bevorzugt – um deren Abwanderung zuvorzukommen. (ih)

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