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Zu viel ist zu viel

Einen Wechsel in der Mieterschaft nutzen viele Vermieter/innen dazu, den Mietzins zu erhöhen. Mit der Anfechtung des Anfangsmietzinses können sich betroffene Mieter und Mieterinnen dagegen wehren.

Wohnen
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24.06.22 - 13:45 Uhr
Tinte trocken: Bis 30 Tage nach Übernahme des Mietobjekts kann der neue Mieter die Anfangsmiete als missbräuchlich beanstanden.
Tinte trocken: Bis 30 Tage nach Übernahme des Mietobjekts kann der neue Mieter die Anfangsmiete als missbräuchlich beanstanden.
123rf

von Fabian Gloor, MLaw und Auskunftsperson beim Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz zu mietrechtlichen Fragen

Yvo Ruf hat endlich eine neue Wohnung gefunden: eine 3-Zimmer-Wohnung in einem älteren Mehrfamilienhaus in Luzern. Fast perfekt, wäre da nicht diese horrende Monatsmiete von 2500 Franken. Zusammen mit dem Mietvertrag händigte ihm der Vermieter das amtliche Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses aus. Dazu sind Vermieter/-innen von Wohnräumen seit dem 1. November 2021 auch im Kanton Luzern verpflichtet. Dem Formular entnimmt Ruf, dass der Vormieter nur 1500 Franken Miete bezahlte. Wieso er nun für dieselbe Wohnung zwei Drittel mehr hinblättern soll, ist Ruf ein Rätsel. Im Formular unter der Rubrik «Klare Begründung der (eventuellen Erhöhung) des An-fangsmietzinses» steht nur «Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit».

Schutz vor missbräuchlichem Mietzins

Beim Abschluss eines Mietvertrags ist der Mietzins eigentlich Verhandlungssache. Da wir alle wohnen müssen, Wohnungen aber knapp sind, sind die Vermieterinnen und Vermieter am längeren Hebel. Deshalb sieht das Gesetz gewisse Regeln zur Mietzinsgestaltung und zur Durchsetzung des Schutzes vor missbräuchlichen Mietzinsen vor. Mietende müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass dieser Schutz nur wirksam wird, wenn sie ihn auch in Anspruch nehmen und den Mietzins von Behörden und Gerichten auf seine Missbräuchlichkeit hin überprüfen lassen.

Aktiv die Anfangsmiete anfechten

Ruf muss also selber aktiv werden. Gemäss Artikel 270 kann er den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme des Mietobjekts bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten. Damit sich die Schlichtungsbehörde der Sache überhaupt annimmt, muss eine der folgenden drei Voraussetzungen gegeben sein: Die Mieterschaft war entweder aufgrund einer persönlichen oder familiären Notlage einerseits oder aufgrund der Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (Wohnungsknappheit) anderseits zum Abschluss des Mietvertrags gezwungen, oder aber der Anfangsmietzins wurde gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht.
Als «persönliche Notlage» gelten beispielsweise eine Scheidung oder eine drohende Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses. Wohnungsknappheit liegt vor, wenn die Leerstandsziffer weniger als 1,5 Prozent des lokalen Gesamtwohnungsbestands beträgt. 
Ist in einem Kanton die Verwendung des amtlich genehmigten Formulars für die Mitteilung des Anfangsmietzinses vorgeschrieben, ist in der Regel von einer Wohnungsknappheit auszugehen. Derzeit gilt das Formular-Obligatorium in den Kantonen Basel-Stadt, Zürich, Zug, Genf, Waadt, Neuenburg und seit Kurzem auch in Luzern. Als «erheblich» schliesslich gilt in der Praxis eine Erhöhung um mehr als zehn Prozent.

Wann ist ein Mietzins missbräuchlich?

Wenn eine der Voraussetzungen von Art. 270 OR erfüllt ist, heisst das noch nicht, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich ist. Ein Mietzins ist missbräuchlich, wenn die Vermieterschaft einen übersetzten Ertrag damit erzielt, oder die Wohnung teurer ist als andere vergleichbare Wohnungen im Quartier (Orts- und Quartierüblichkeit). Überprüft wird dies von der Schlichtungsbehörde oder später von einem Gericht. Als oberstes Prinzip des Mietrechts gilt, dass der Ertrag aus einem Mietobjekt nicht übersetzt sein darf.
Selbst wenn sich der Mietzins im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit bewegt, können Neumietende geltend machen, die Vermieterschaft erziele einen zu hohen Ertrag. Gehört die Liegenschaft schon lange derselben Eigentümerschaft, ist es aber oft schwierig, eine Ertragsberechnung vorzunehmen. Dann müssen sich Neumieterinnen und Neumieter mit einer Beurteilung der Orts- und Quartierüblichkeit begnügen.
 

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