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Ist kurz und billig bei Hypotheken immer die richtige Wahl?

Nach der Finanzkrise vor fast zehn Jahren sind die Zinsen stark gefallen und bewegen sich seit Längerem auf einem sehr tiefen Niveau. Viele Immobilienbesitzer haben darum Geldmarkthypotheken ohne Zinsabsicherung abgeschlossen.

Wohnen
Südostschweiz
14.08.17 - 09:04 Uhr
Wohnen
Das historisch sehr tiefe Zinsniveau veranlasste viele Immobilienbesitzer, Geldmarkthypotheken ohne Zinsabsicherung abzuschliessen.
Grafik GKB

Martin Gartmann / Leiter Private Kunden bei der Graubündner Kantonalbank

Wenig erstaunlich, wenn man sich den attraktiven Verlauf der Zinskurve für dreimonatige Geldmarkthypotheken seit der Finanzkrise vor Augen führt. Die Entwicklung birgt aber auch Gefahren. 

Momentan kosten Geldmarkthypotheken ohne Zinsabsicherung bei guter Bonität des Schuldners und angemessener Belehnung weniger als ein Prozent. Aber ist kurz und billig auch wirklich gut? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Geldmarkthypotheken ohne Zinsabsicherung sind so lange interessant, wie die Zinsen auf tiefem Niveau verharren. Spannend wird es, wenn die Zinsen steigen. Das wird früher oder später wieder passieren, darüber sind sich die Experten einig. Nur der Zeitpunkt ist unklar, weil Prognosen an den Finanzmärkten – insbesondere Zinsprognosen – ein schwieriges Unterfangen sind. Allerdings vermehren sich die Anzeichen, dass die absolute Tiefzinsphase nicht mehr so lange wie bis anhin dauern wird.

Wann in Festhypothek umsteigen?
Erfahrungen zeigen, dass es äusserst anspruchsvoll bis unmöglich ist, bei einem Zinsanstieg den idealen Zeitpunkt für den Umstieg in eine Festzinshypothek mit längerer Laufzeit zu erwischen. Dies darum, weil ein Zinsanstieg vielfach rasch erfolgt und der Entscheid umzusteigen, viel Disziplin erfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass die langfristigen Zinsen bei einem Anstieg oft früher nach oben tendieren als die für die Geldmarkthypothek als Basis relevanten kurzfris­tigen Zinsen. Dies führt dazu, dass sich Besitzer einer Geldmarkthypothek ohne Zinsabsicherung zu lange in Sicherheit wiegen. Zusätzlich zu beachten ist, dass ein zu später Umstieg den Effekt der tiefen Zinsbelastung in der Vergangenheit auffressen kann. Die Zinsbelastung kann dann über alles gesehen sogar höher ausfallen, wenn man nicht schon früher, auf tiefem Niveau, eine Festzinshypothek abgeschlossen hat.

Individuelle Finanzierungsstrategie
Für welche Finanzierungsprodukte sich ein Immobilienbesitzer auch immer entscheidet, die Finanzierung muss auf seine individuellen Bedürfnisse und Wünsche abgestimmt sein – von der Planung über die Umsetzung bis zur laufenden Überprüfung.
Bei der Planung ist die Frage nach dem Risiko zentral. Wie viel Risiko kann der Kreditnehmer aufgrund seiner finanziellen Situation überhaupt eingehen (Risikofähigkeit)? Wie viel Risiko ist er bereit zu übernehmen (Risikobereitschaft)? Aus diesen Faktoren ergibt sich schliesslich die individuelle Risikotoleranz – ein für die Bestimmung der Finanzierungsstrategie entscheidender Faktor. Denn je nach Risikotoleranz empfiehlt sich eine offensive oder defensive Finanzierungsstrategie.

Strategie bestimmt das Produkt
Die gewählte Strategie bildet die Basis für die Umsetzung der Finanzierung mit den entsprechenden Produkten. Diese unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Laufzeiten. Zentral ist, dass jeder Kunde aufgrund seiner Präferenzen und der definierten Strategie, die für ihn am besten geeignete Produktkombination wählt.
Generell gilt: Die aktuell günstigste Variante muss langfristig nicht die beste sein. Oder um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: kurz und billig ist langfristig nicht immer die richtige Wahl.

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