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EuGH senkt Hürden für Schadenersatz-Klagen von Diesel-Käufern

Wer ein Auto mit unzulässiger Abgastechnik hat, kann in der EU künftig leichter Schadenersatz verlangen als bisher. Für die Autobauer ein empfindlicher Schlag. Droht etwa in Deutschland eine neue Klagewelle?

Agentur
sda
21.03.23 - 10:36 Uhr
Wirtschaft
Der EuGH fällt ein Urteil in einem Mercedes-Fall (Symbolbild).
Der EuGH fällt ein Urteil in einem Mercedes-Fall (Symbolbild).
KEYSTONE/EPA/ANNA SZILAGYI

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) senkt die Hürden für Schadenersatz-Klagen von Diesel-Käufern bei unzulässiger Abgastechnik. Die Autobauer könnten auch dann haften, wenn sie ohne Betrugsabsicht einfach nur fahrlässig gehandelt hätten, urteilten die Luxemburger Richter am Dienstag in einem Mercedes-Fall.

Das könnte grosse Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung haben. Denn beim Bundesgerichtshof (BGH) hatten Klägerinnen und Kläger bisher nur dann eine Chance auf Schadenersatz, wenn sie vom Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht wurden. Diese strengen Kriterien waren nur beim VW-Skandalmotor EA189 erfüllt. Dem EuGH genügt nun fahrlässiges Handeln - was sich leichter nachweisen lässt.

In Deutschland Verfahren auf Eis

Die Richter in Deutschland müssen diese Vorgaben nun umsetzen. Um das EuGH-Urteil abzuwarten, hatten Gerichte aller Instanzen massenhaft Diesel-Verfahren auf Eis gelegt, bei denen es auf diese Frage ankommt. Allein beim BGH sind im Moment mehr als 1900 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden anhängig, die deutliche Mehrzahl war wegen des EuGH-Verfahrens erst einmal zurückgestellt worden.

Der «Dieselsenat» des BGH hat für den 8. Mai bereits eine Verhandlung terminiert, in der er die sich «möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht» erörtern will, um den unteren Instanzen möglichst schnell Leitlinien an die Hand zu geben. Denn mit dem EuGH-Urteil sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Offen ist zum Beispiel, wie viel Geld betroffenen Autokäufern zusteht.

Hintergrund des Verfahrens war eine Schadenersatz-Klage aus Deutschland gegen Mercedes-Benz wegen eines sogenannten Thermofensters. Thermofenster sind Teil der Motorensteuerung, die bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung drosseln. Autohersteller argumentieren, das sei notwendig, um den Motor zu schützen.

Umweltorganisationen sehen darin hingegen ein Instrument, das dabei hilft, die Emissionen von Autos unter Testbedingungen kleiner erscheinen zu lassen, als sie es im realen Strassenverkehr sind. Der EuGH erachtet diese Thermofenster nur in ganz engen Grenzen als zulässig.

Thermofenster wurden auch von anderen Herstellern standardmässig eingesetzt. Da sich das EuGH-Urteil auf unzulässige Abschalteinrichtungen allgemein bezieht, könnte es auch auf andere Funktionalitäten in der Abgastechnik von Diesel-Autos übertragbar sein, die derzeit von Gerichten unter die Lupe genommen werden.

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