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Erste auf Alpenrose spezialisierte Schmetterlingsart entdeckt

Die Alpenrose ist giftig und wird von Tieren und Insektenlarven gemieden. Umso überraschter waren Forscher, als sie eine Schmetterlingsart entdeckten, deren Raupen Alpenrosenblätter essen.

Agentur
sda
24.11.21 - 15:37 Uhr
Wirtschaft
Lyonetia ledi auf einem Alpenrosen-Blatt in Ardez im Engadin. Es ist die erste bekannte Schmetterlingsart, deren Raupen auf die hochgiftige Alpenrose spezialisiert sind. Mitentdecker ist der Ilanzer Jürg Schmid (zVg)
Lyonetia ledi auf einem Alpenrosen-Blatt in Ardez im Engadin. Es ist die erste bekannte Schmetterlingsart, deren Raupen auf die hochgiftige Alpenrose spezialisiert sind. Mitentdecker ist der Ilanzer Jürg Schmid (zVg)
Huemer/Schmid

Auf einer Sommerwanderung in Ardez im Unterengadin erblickte der Ilanzer Schmetterlingsforscher Jürg Schmid und sein Tiroler Kollege Peter Huemer in einem Alpenrosen-Blatt eine Raupe, wie sie im Fachjournal «Alpine Entomology» berichten. «Es war sofort klar, dass es sich um eine aussergewöhnliche Art handeln muss», so Huemer. Bisher war kein Insekt bekannt, das sich auf die Alpenrose spezialisiert hat. Bei der genaueren Erforschung konnten sie eine stabile Population des Schmetterlings nachweisen. Doch die Art-Bestimmung stellte sie zunächst vor ein völliges Rätsel.

Sie nannten den Schmetterling «Alpenrosen-Minierfalter», weil sich die Raupe unmittelbar nach dem Schlüpfen in das Innere eines Alpenrosen-Blatts bohrt, wo sie ihr gesamtes Leben bis zur Verpuppung verbringt. Zwischen den intakten Blatthäuten ist die Raupe gut vor schlechtem Wetter und Fressfeinden geschützt und frisst das Blatt von innen heraus.

Für die Verpuppung verlässt die Raupe das befallene Blatt und legt auf dessen Unterseite ein Hängematten-ähnliches Gespinst an, wo sie sich schliesslich verpuppt. Im Labor beobachteten die Forscher, dass nach etwa zehn Tagen ein rund zwölf Millimeter grosser, nachtaktiver Falter mit weiss-schwarz-gescheckten Flügeln schlüpfte.

Zeuge aus der Eiszeit

Anhand morphologischer Merkmale wie Flügelfarbe und -muster und einem Erbgut-Vergleich fanden Huemer und Schmid heraus, dass es sich um keine neue Art handelte. Vielmehr handelt es sich beim «Alpenrosen-Minierfalter» um «Lyonetia ledi», eine in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika weit verbreitete Art. In Nordeuropa lebt der Falter ausschliesslich auf Sumpfporst und Gagelstrauch - typische Hochmoor-Pflanzen, die in den Alpen nicht vorkommen.

In Österreich findet man den Falter in einem kleinen Gebiet an der Grenze zu Tschechien - also mehr als 400 Kilometer vom Engadin entfernt. Huemer vermutet daher, dass in früheren Kaltphasen - vor etwa 12'000 Jahren - der Sumpfporst und die Alpenrose einen gemeinsamen Lebensraum nördlich der Alpen hatten. Nach Ende der letzten Kaltzeit und dem Abschmelzen der Gletscher könnten dann einige Populationen der Art ihre Wirtspräferenz vom Sumpfporst auf die Alpenrose verlagert haben.

Durch die Trennung der Verbreitungsgebiete der beiden Pflanzen in folgenden Warmphasen könnte es dann auch zur Trennung der Falterpopulationen gekommen sein. Die alpine Population wäre somit ein Relikt der Eiszeit.

Sehr exklusiv

Bisher ist der «Alpenrosen-Minierfalter» nur im Unterengadin gesichtet worden. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Schmetterling auch an Orten mit ähnlichen Bedingungen in den Nordalpen, etwa im benachbarten Tirol und Vorarlberg, entdeckt werden kann. Sie dürfte aber nicht weit verbreitet sein, sonst wäre sie nicht so lange übersehen worden.

*Fachpublikationslink https://doi.org/10.3897/alpento.5.76930

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