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Bei der Näfelser Firma Gentile rollen die Rüebli mit einem E-Lastwagen an

Die Glarner Gemüse- und Früchtehandelsfirma Gentile in Näfels testet einen ersten elektrischen Lastwagen. Der Dreiachser wird für Lieferungen bis nach Davos eingesetzt. Aber es gibt noch Limiten.

Fridolin
Rast
28.04.23 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Alternativer Antrieb: Hansruedi Menzi präsentiert den elektrisch angetriebenen Test-Lastwagen, den die Gentile AG testet. 
Alternativer Antrieb: Hansruedi Menzi präsentiert den elektrisch angetriebenen Test-Lastwagen, den die Gentile AG testet. 
Bild Sasi Subramaniam

Sitzt man nur in der Fahrerkabine des Mercedes e-Actros 300, so sind die Unterschiede klein. Die ganzen Anzeigen sind digital, gefahren wird der elektrische Dreiachser mit Gas- und Bremspedal. «Wie die Diesel-Lastwagen von heute auch, die schon länger alle ein automatisiertes Getriebe haben», erklärt Hansruedi Menzi, Leiter Transport und Infrastruktur bei der Gebrüder Gentile AG. Der Kühllastwagen hat laut Hersteller eine theoretische Reichweite von 335 Kilometern. Chauffeur Hatib Denjali, der seit sechs Jahren bei Gentile Kunden wie Läden und Hotels beliefert, fährt seit einer Woche jeden Tag mit dem neuen Stromer nach Davos und wieder zurück.

«Wir testen den Lastwagen im täglichen Einsatz», sagt Menzi. Ihm geht es darum, wie sich der Lastwagen verhält, wie oft er geladen werden muss und wie er in der Firma eingesetzt werden kann.

Erneuerbare Energie werde auch in der Branche immer stärker zum Thema. Die Firma wolle möglichst weg vom Verbrennungsmotor. «Und wir haben grosse Kunden, die Alternativen fordern.» Die Gentile AG hat sich laut Menzi aber auch selber das Ziel gesetzt, bald CO₂-neutral zu werden: «Dabei machen die Fahrzeuge einen grossen Anteil aus.» Bis 2030 will die Firma ihren Fuhrpark auf alternative Antriebe umstellen. 

Sehr angenehm zu fahren

Denjali schätzt das neue Fahrzeug, weil es sehr schön und ruhig zum Fahren sei. Und zum Beschleunigen im Vergleich zum Dieselfahrzeug schneller. Denjalis Strecke nach Davos ist 200 Kilometer lang und geht rund 1200 Höhenmeter bergauf. Und wieder herunter. Da gewinnt der E-Lastwagen einen Teil der Energie zurück, meist über 65 Kilowattstunden (kWh), wie er beobachtet hat. Das sind gut 20 Prozent der Batteriekapazität. Wenn Denjali von seiner Tour zurück ist, bleibt ihm eine Restreichweite von 70 bis 100 Kilometern. Trotzdem hätte er lieber das Modell mit der grösseren 400-kWh-Batterie, wenn das Fahrzeug tatsächlich zum Einsatz käme. Das würde ihm mehr Sicherheit geben, dass er ohne Nachladen wieder nach Hause kommt.

«Für die Zukunft etwas Gutes»

Die bisherigen Erfahrungen sind gut, so Menzi: «Wir sind wirklich zufrieden. Für kürzere Touren ist der Lastwagen einsetzbar und ist für die Zukunft eine gute Sache.» Für längere Strecken von bis 300 oder 350 Kilometern würde er wohl nur das Modell mit entsprechend grösserer Batterie einsetzen. Nachteile hätten die heute verfügbaren Elektrolaster durchaus. Auftanken respektive Laden braucht viel mehr Zeit und Planung. Und für die Strecke ins Tessin und zurück würde Menzi im Moment noch nicht auf Elektroantrieb setzen. Dafür müssten die Batterien noch leistungsfähiger, die Ladestationen unterwegs häufiger werden.

«Wir sind wirklich zufrieden. Für kürzere Touren ist der Lastwagen einsetzbar und ist für die Zukunft eine gute Sache.»

Hansruedi Menzi, Leiter Transport und Infrastruktur der Gebrüder Gentile AG

Menzi sagt, er habe lange den Brennstoffzellen-Antrieb favorisiert, der auf Strom aus der Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff beruht. Entsprechend will er auch einen Wasserstoff-Lastwagen testen und die beiden Systeme vergleichen. «Für den Moment liegt wohl die Batterie vorn, die Energieeffizienz beim Wasserstoff ist bedeutend geringer», so Menzi.  

Auch die Nutzlast sei beim Testfahrzeug nur minim geringer als bei einem herkömmlichen Dieselfahrzeug, da der Gesetzgeber für Elektro-LKW ein höheres Gesamtgewicht zulässt. 

Eigener Strom kommt

Laut Hansruedi Menzi ist die Firma Gentile auch daran, eine firmeneigene Solarstromanlage zu planen, die ab Herbst Strom liefern soll. Das dürfte sich bereits für die Kühlung der Lagerhallen lohnen, die viel Strom braucht. Würde der Betrieb nach und nach auf elektrische Fahrzeuge umstellen, so würde der Stromverbrauch noch ansteigen. «Das ist eine grosse Herausforderung neben der Reichweite der Fahrzeuge, die mehr Planung braucht.» Günstig ist dagegen laut Menzi, dass die Lastwagen tagsüber geladen werden können, weil sie in der Nacht unterwegs sind, um frische Waren zu liefern.

Vor allem brauche es damit wesentlich stärkere Stromleitungen zur Firma und zu den Ladestationen, damit die nötigen Ladeleistungen verfügbar würden. Deshalb hat sich Menzi mit den Technischen Betrieben Glarus Nord und mit dem Lieferanten der Ladestationen zu einem runden Tisch getroffen. Die Gentile AG will auf jeden Fall vermeiden, dass schon in kurzer Zeit wieder ausgebaut werden müsse. Heute hat die Firma zusammen mit ihrer Tochterfirma Bettio Glarona einen Fuhrpark von 14 Lastwagen und zehn Lieferwagen bis sieben Tonnen. 

Anschaffungskosten werden wieder eingespart

Im ersten Moment erschreckend hoch sind die Kosten. Ein Diesellaster ohne Aufbau koste um die 150’000 Franken, sein elektrisches Pendant heute das Dreifache. Allerdings könnten die Mehrkosten innert sieben bis acht Jahren wieder eingespart werden, weil Unterhalt und Treibstoffkosten tiefer seien und weil die Elektrischen auf diese Zeit hinaus von der Schwerverkehrsabgabe befreit seien. Menzi rechnet aber damit, dass auch die Anschaffungskosten sinken würden, wenn die Industrie die Elektrolaster einmal in grossen Serien produziere.

Diese Erwartungen bestätigt auch Ruedi Hartmann, Verkaufsleiter bei der Altherr Nutzfahrzeuge AG, die das Testfahrzeug zur Verfügung stellt. Er will sich allerdings nicht auf Zahlen festlegen und erklärt: «Wenn Kunden verlangen, dass ihre Lieferanten auf die teureren Fahrzeuge umstellen, sollten sie auch bereit sein, etwas mehr zu bezahlen.» 

Beim heutigen Stand sei nicht jeder Transport mit Batteriefahrzeugen möglich, so Hartmann: «Das Fahrzeug wäre relativ rasch lieferbar. Doch bei der Reichweite und der Ladeinfrastruktur muss noch einiges vorwärtsgehen.» Diverse Hersteller, auch Mercedes, überlegten sich, eigene Ladeinfrastrukturen aufzubauen. So wie es Tesla für Personenwagen gemacht habe, aber mit wesentlich höherer Leistungsfähigkeit. 

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