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Die Dorfläden im Unterengadin feiern sich und ihre Kundschaft

Am 27. Juni feiert die Region Unterengadin/Val Müstair den «Di da nossas butias», den «Tag unserer Dorfläden». Aufgrund von social distancing fällt der Tag anders aus als geplant. Einen Besuch wert sind die 15 Dorfläden aber auch ohne grosse Feierlichkeiten – wie das Beispiel der Butia Ramosch zeigt.

Simone
Zwinggi
22.06.20 - 04:30 Uhr
Wirtschaft

Eine Premiere sei er, der «Di da nossas butias» vom 27. Juni, sagt Martina Schlapbach, Regionalentwicklerin der Region Engadin Bassa Val Müstair. «Die 15 unabhängigen Dorfläden wollen mit diesem Tag auf sich aufmerksam machen und Danke sagen.» Geplant war, den Anlass mit Apéro und gemütlichem Beisammensein zu gestalten, doch aufgrund der Hygienemassnahmen wird nun darauf verzichtet. «Klar, wir hätten den Anlass in den Herbst verschieben können», meint Schlapbach dazu. «Doch die Dorfläden möchten jetzt, nach der gemeinsamen Bewältigung des Lockdowns, ihren Kunden für die Unterstützung in dieser schwierigen Zeit danken.» Und so gibt es an jenem Samstag keinen Apéro, aber eine 10-Prozent-Reduktion auf den Einkauf und ein Überraschungsgeschenk.

Die Idee dieses «Di da nossas butias» sei bei einem Austauschtreffen mit den Dorfläden entstanden, erklärt Schlapbach. «Sie wollen zeigen, wieviele Aufgaben sie übernehmen und welches ihre alltäglichen, vor allem wirtschaftlichen Herausforderungen sind.» Die Dorfläden seien nämlich nicht nur Einkaufsläden, sondern mittlerweile auch Post und Café, Bankomat, touristisches Informationszentrum und sozialer Treffpunkt. «Und manchmal trägt man sich im Dorfladen für die Durchführung eines geselligen Adventsfensters ein», ergänzt Schlapbach. Sozialer Dreh- und Angelpunkt also.

Kaffee, Ruhe und frisches Gemüse

Die Wichtigkeit des sozialen Treffpunkts betont auch Wanda Hopmann. Sie führt die Butia Ramosch seit Anfang April. «Die Nähe zu den Leuten, ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich beim Kaffee auszutauschen, das bereitet mir viel Freude», sagt Hopmann. Eher kurzfristig kam sie zu ihrer neuen Aufgabe als Geschäftsführerin. Nach 30 Jahren wollten ihre Vorgänger die Leitung des Dorfladens abgeben. Weil niemand anderer in die Fussstapfen der Familie Häfner treten wollte, habe sie sich kurzerhand dazu entschieden, die Butia Ramosch am Leben zu erhalten. «Ich bin sozusagen von 0 auf 200 in diese neue Aufgabe hereingerutscht», beschreibt Hopmann ihre neue berufliche Herausforderung. Dass dies gleich zu Beginn des Lockdowns war, machte alles noch ungewohnter.

Ein kleiner Laden in einem kleinen Dorf am Rande Graubündens, nahe der Grenze zu Österreich und Italien: Dass diese Ausgangslage Herausforderungen mit sich bringt, war Hopmann von Anfang an klar. «Um überleben zu können, müssen wir anderen Läden standhalten können. Klar ist es andernorts günstiger, dafür sind wir eine Konstante im Dorfleben, wir stellen Einkäufe zusammen, wenn es mal nicht mehr zu den Öffnungszeiten in die Butia reicht, und bei uns kann man in Ruhe abrechnen – grad auch für die älteren Leute wertvoll.» Im Sortiment der Butia Ramosch finden sich lokale Produkte wie Honig, Brot und Fleisch, handwerkliche Gegenstände wie Tiere aus Filz und eine Auswahl an frischem Obst und Gemüse. Es sei ihr wichtig, dass ihre Kunden auch in der Butia verschiedenes frisches Gemüse zur Auswahl hätten, betont Hopmann. «Damit man nicht wegen der Peperoni und dem Ingwer nach Scuol fahren muss.»

Die Butia gemeinsam tragen

Die Butia in die Zukunft tragen und rentabel wirtschaften, das schafft Hopmann nicht alleine. Sie wisse, dass ein kleiner Dorfladen niemals dasselbe grosse Angebot wie ein Grossverteiler haben könne, schreibt sie auf der Website. Wenn aber jeder konsequent einen Teil seiner Einkäufe in der Butia erledige, sei das ein Beitrag dazu, das Projekt Butia Ramosch gelingen zu lassen. Als weiteren wichtigen Unterstützer darf Hopmann auf den Förderverein Butia Ramosch zählen. Dieser übernehme in den ersten fünf Jahren die Miete, erzählt sie.

Letzte Woche war die Butia Ramosch geschlossen. «Wir haben das Café erweitert», erklärt Hopmann. Neu bietet es Platz für 15 Personen und eine Kinderspielecke lädt die Kleinsten zum Verweilen ein. Der Zeitplan war sportlich, erklärt Hopmann und lacht. «Nach nur einer Woche Umbauarbeiten haben wir den Laden wiedereröffnet.» Dass sie bei den handwerklichen Arbeiten selbst Hand angelegt hat, müsste wohl gar nicht erst erwähnt werden.

Neue Unterstützungsmöglichkeiten gesucht

Die Dorfläden, die beim «Di da nossas butias» dabei seien, würden grundsätzlich auf eigenes wirtschaftliches Risiko hin betrieben, erklärt Regionalentwicklerin Schlapbach abschliessend. «Teilweise werden sie bei den Ladenmieten unterstützt, wie zum Beispiel in Ramosch.» Schlapbach ist stolz auf das grosse Engagement und den innovativen Geist der Butia-Geschäftsführer. Für die Zukunft hat sie deshalb eine Hoffnung: «Vielleicht gibt es bald auch noch weitere Möglichkeiten, die Butias zu unterstützen.»

Diese Dorfläden machen beim «Di da nossas butias» mit:
Butia Volg Guarda – Butia Volg Lavin –Butia Ramosch – Sennerei Samnaun –Butia Volg Sent – Butia Strada – Butia Tarasp –Butia Tschlin – Butia Janett Tschlin
Butia Fuldera – Butia Volg Müstair – Butia Volg Sta. Maria – Butia da cumün Meier-beck Sta. Maria – Butia Tschierv – Butia Valchava

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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