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Informatiker will berühmtes Flugboot Do X nachbauen – ohne Pläne

Der Luftfahrtpionier Claude Dornier hat in seiner Berufslaufbahn einige bekannte Flugboote entworfen, darunter auch die Do X - damals das grösste Verkehrsflugschiff seiner Zeit. Ein Informatiker will die Maschine nun wieder aufbauen. Leicht wird das nicht.

Agentur
sda
29.11.19 - 10:53 Uhr
Wirtschaft
Der Ingenieur und Informatiker Peter Kielhorn hält eine Seitenansicht des Flugbootes DO X, während die Studenten Dominik Bodenmüller, Kai Pete, Sofia Stich und Pascal Mannig im Hintergrund an der Konstruktion des legendären Fluggeräts tüfteln.
Der Ingenieur und Informatiker Peter Kielhorn hält eine Seitenansicht des Flugbootes DO X, während die Studenten Dominik Bodenmüller, Kai Pete, Sofia Stich und Pascal Mannig im Hintergrund an der Konstruktion des legendären Fluggeräts tüfteln.
Keystone/DPA/FELIX KÄSTLE

Peter Kielhorn hat einen Plan. Am 12. Juli 2029 soll in Friedrichshafen am Bodensee ein exakter Nachbau des berühmten Flugbootes Dornier Do X stehen - zum 100. Jahrestag des Erstfluges der Maschine.

Welche Mammutaufgabe der Informatiker sich da gestellt hat, wird deutlich, wenn man sich die Zahlen der Do X anschaut: Das Flugboot war damals das grösste seiner Zeit, mit einer Länge von 40 Metern, einer Spannweite von 48 Metern, 12 Triebwerken und 3 Decks. «Da haben wir eine Riesenaufgabe vor uns», sagt Kielhorn, der seit 2014 intensiv mit Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg an der Rekonstruktion des Flugbootes arbeitet - trotz fehlender Originalpläne.

Die Zielstrebigkeit, mit der Kielhorn und seine Helfer das Projekt verfolgen, könnten sie mit dem Entwickler des Flugbootes gemeinsam haben: dem Luftschiffpionier Claude Dornier, dessen Todestag sich am Donnerstag (5. Dezember) zum 50. Mal jährt. «Für ihn war das überhaupt keine Option, dass irgendwas nicht funktioniert», erinnert sich sein Enkel David Dornier. Was sein Grossvater sich vorgenommen habe, habe er auch durchgezogen. «Ich glaube, es war eine unheimliche Motivation für ihn, nicht mehr in Elend und Armut zu fallen.»

Zeppelin rettet ihn vorm Verhungern

Denn der 1884 in Kempten im Allgäu geborene Claude Dornier hatte vor seiner Karriere im Flugzeugbau kein einfaches Leben: In seiner Autobiografie berichtet er von ersten Anstellungen in jungen Jahren, in denen er wenig verdiente und seine Familie finanziell unterstützen musste. Seine Standardmahlzeit unter der Woche sei Schwartenmagen mit Brötchen gewesen.

«Am Samstag gab es dazu eine Essiggurke.» Ein Arzt diagnostizierte bei ihm Unterernährung. In dieser Zeit erreicht ihn ein Brief mit einem Stellenangebot der Luftschiffbau Zeppelin GmbH am Bodensee. «Ich sah Licht in der Dunkelheit meines Daseins und faltete die Hände lange Zeit», beschreibt Dornier diesen Moment.

Der Maschinenbauer bekommt die Stelle - und seine Karriere nimmt Schwung auf. Rund 20 Jahre lang wird er in dem Unternehmen von Ferdinand Graf von Zeppelin bleiben, bis er sich später selbstständig macht.

Silicon Valley am Bodensee

In dieser Zeit sei der Bodensee ein innovatives Zentrum gewesen, sagt die Sammlungsleiterin des Dornier Museums in Friedrichshafen, Julia Menzer. Zeppelin habe dort eine Art Silicon Valley geschaffen. «Das war unglaublich, etwas ganz Besonderes. Und da wollte Dornier dabei sein.»

Der Luftfahrtfan entwickelt in den folgenden Jahren unter anderem Flugboote, die vollständig aus Metall gebaut wurden. «Das war damals etwas ganz Neues», sagt Menzer. «Er war damit einer der ganz wichtigen Pioniere im Flugzeugbau.» Noch heute sei sein Grossvater genau dafür bekannt, sagt auch David Dornier. «Er steht für einzigartige, besonders schöne und gute Flugboote, die damals in recht grossen Stückzahlen gebaut wurden und die den Interkontinental-Luftpostverkehr möglich gemacht haben.»

18'000 Fans beim Jungfernflug

In den 20ern entwirft Dornier Modelle, die noch heute weltberühmt sind - darunter die erfolgreiche Baureihe «Wal». 1929 folgt schliesslich die Do X als Flugschiff mit drei Decks. «Die Begeisterung war damals weltweit riesengross», sagt Menzer. Das Flugzeug sei ein Symbol seiner Zeit gewesen - die geprägt war von einer Leidenschaft für technische Innovation und insbesondere für Flugzeuge.

1932 wird die Maschine mit einem Flug durch Deutschland präsentiert. «Und als sie in Bonn landet, stehen dort 18'000 Menschen», sagt Menzer. «Die Kinder kriegen schulfrei, die öffentlichen Behörden schliessen, um dieses Flugzeug zu empfangen. Das zeigt ganz gut, wie ungeheuer das damals gewesen ist.»

Gebaut werden drei Flugschiffe, wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage bleibt der grosse Erfolg jedoch aus. «Wir sind mitten in der Weltwirtschaftskrise, die Luftfahrt funktioniert eigentlich nur dank staatlicher Subventionen, der Wettbewerb um die Gelder ist gross», erklärt Menzer.

Geldquellen gesucht

Doch die Faszination des Luftschiffes bleibt bestehen. 1996 habe es am Bodensee schon einmal die Idee gegeben, das Flugschiff nachzubauen, sagt Kielhorn. Er ist ehemaliger «Dornianer» - arbeitete also in der von Dornier gegründeten gleichnamigen Firma, die später von Daimler-Benz übernommen wurde und heute zum Teil im Unternehmen Airbus aufgegangen ist. «Damals ist es am Geld gescheitert.»

Er trägt den Gedanken aber weiter und tritt 2013 an verschiedene Hochschulen heran, um seinen Plan umzusetzen. Ein Jahr später fällt der Startschuss, und seitdem arbeitet der Informatiker an dem Projekt. Momentan arbeiten 34 angehende Ingenieure an verschiedenen Standorten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg mit ihm.

In Friedrichshafen am Bodensee sind Dominik Müller, Sophia Stich, Kai Peter und Pascal Mannig derzeit dabei, den Mittellängsträger der Do X zu konstruieren. Das Schwierige an dem ehrgeizigen Projekt: Von den drei gebauten Exemplaren sind nur noch einzelne Teile übrig, die Originalpläne sind verschollen. «Wir betreiben luftfahrthistorische Archäologie», sagt Kielhorn.

Im Detail heisst das: Die Studenten trieben alte Zeichnungen und Fotos aus der Bauphase auf und rekonstruierten das Luftboot. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, wollen sie die Do X anhand ihres Modells nachbauen lassen - allerdings als nicht fliegendes Ausstellungsstück. Dafür will Kielhorn einen Freundeskreis gründen, der die finanziellen Mittel auftreiben soll. Welche Summe er benötigt, will er lieber nicht verraten. «Viel Geld», sagt er nur.

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