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Schweizer Notenbank notfalls zu weiterer Zinssenkung bereit

Die Schweizer Notenbank zeigt sich entschlossen, den Leitzins gegebenenfalls noch weiter in den Negativbereich zu senken. Dies sagte der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Agentur
sda
03.11.19 - 01:09 Uhr
Wirtschaft
"Unsere Geldpolitik ist richtig": Nationalbank-Präsident Thomas Jordan. (Archivbild)
"Unsere Geldpolitik ist richtig": Nationalbank-Präsident Thomas Jordan. (Archivbild)
KEYSTONE/ANTHONY ANEX

«Die Phase der tiefen Zinsen könnte noch länger anhalten, und auch eine weitere Lockerung der Geldpolitik ist unter Umständen notwendig», erklärte der 56-jährige Notenbanker. «Unser Spielraum beim Zins ist nicht unbeschränkt, aber wir haben durchaus die Möglichkeit für weitere Senkungen.»

Zuletzt beliess die SNB den Leitzins unverändert bei minus 0,75 Prozent. Mit den Negativzinsen will die Zentralbank den Franken für internationale Investoren unattraktiv machen. Denn er gilt als «sicherer Hafen» und ist daher in turbulenten Zeiten gefragt.

Dass die Leute bei noch tieferen Zinsen in grossem Stil ihr Geld von den Banken abziehen und zu Hause horten, glaubt Jordan nicht. «Die Kosten und Risiken der Bargeldaufbewahrung sind grösser als die Kosten des Negativzinses, den wir im Moment haben», sagte er. Deshalb gehe die SNB davon aus, dass noch Spielraum vorhanden sei.

Umstrittene Massnahme

Wie lange die vor über vier Jahren als Notmassnahme eingeführten Negativzinsen anhalten, dazu wagte Jordan keine Prognose. «Wir gehen davon aus, dass die heutige Situation früher oder später korrigiert wird. Wann genau, ist schwer zu prognostizieren.» Jordan betonte, dass die Zinsen unabhängig von der Geldpolitik stark gesunken seien. Gründe dafür seien die demografische Entwicklung und eine tiefere Produktivität.

Die Nationalbank sieht sich angesichts der Negativzinsen auch Kritik ausgesetzt, unter anderem von der Bankiervereinigung. Kritiker bemängeln, die Negativzinsen erfüllten ihren Zweck nicht. Zudem würden Leute mit geringen Ersparnissen und wenig Geld in der Pensionskasse verlieren während Besitzer von Immobilien und Aktien profitierten, heisst es.

«Unsere Geldpolitik ist für die gegenwärtige wirtschaftliche Situation richtig», sagte Jordan. «Wir haben nie infrage gestellt, dass es Nebenwirkungen gibt. Wir müssen jedoch das Gesamtinteresse des Landes im Blick haben und dürfen keine Einzelinteressen verfolgen.» Wenn die Nationalbank den Leitzins jetzt anheben würde, würde daraus laut Jordan ein stärkerer Franken resultieren. «Die Arbeitslosigkeit würde steigen.»

Gegen Vorschlag für «Helikoptergeld»

Um den Franken zu schwächen und die exportorientierte Wirtschaft zu stützen, greift die SNB zudem bei Bedarf am Devisenmarkt ein. Auf die Frage, ob diese Eingriffe in den USA auf politischen Widerstand stossen könnten, entgegnete Jordan: «Wir stehen in einem engen Kontakt mit dem US-Finanzministerium, um unsere spezifische Situation zu erklären. Unsere Interventionen zielen nie auf eine Schwächung des Frankens zulasten anderer Volkswirtschaften.»

Der SNB-Präsident äusserte sich ferner ablehnend zum Vorschlag eines sogenannten Helikoptergeldes. Die Idee zielt darauf ab, die Wirtschaft anzukurbeln, indem durch die Notenbank direkte Geldgeschenke an die Bürger verteilt werden. «Ich kann solche Konzepte nicht befürworten», sagte Jordan. «Denn es handelt sich um eine Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik, was ein Spiel mit dem Feuer ist.»

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