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Schweizer Optik half bei der Generalprobe für die Mondlandung

Bevor Apollo 11 Geschichte schrieb, testete Apollo 10 die notwendigen Manöver für die Mondlandung. Den Flug über die zerklüftete Mondlandschaft hielt eine Kamera fest, die ein Schweizer Objektiv trug.

Agentur
sda
16.05.19 - 08:00 Uhr
Wirtschaft

Es war der vierte bemannte Raumflug des Apollo-Programms und der zweite, der den Mondorbit erreichte. Am 18. Mai 1969 brachen Thomas Stafford, John Young und Eugene Cernan mit Apollo 10 von Cape Kennedy aus zum Mond und zur grossen Generalprobe für die Mondlandung auf. Sie testeten sämtliche Manöver, die auch Apollo 11 durchführen sollte - mit Ausnahme der tatsächlichen Landung. Die Landefähre wurde vom Command Service Module (CSM) getrennt und stieg bis auf rund 15 Kilometer über der Mondoberfläche ab. Von dort war gerade noch der direkte Aufstieg möglich.

Eine der Aufgaben von Apollo 10 war auch, mögliche Landeplätze für Apollo 11 zu erkunden. Dazu filmte eine Farbfilmkamera der Firma J. A. Maurer Inc. LIG NY während des Überflugs die Mondoberfläche. Bestückt war die Kamera dabei mit Objektiven der ehemaligen Firma Kern & Co. AG in Aarau. Drei von insgesamt elf Filmrollen mit Kopien der Originalfilmaufnahmen von Apollo 10 befinden sich in der Sammlung Kern im Stadtmuseum Aarau.

Auch bei Mondlandung dabei

Es war die erste Apollo-Mission, bei der Schweizer Objektive der Firma Kern dabei waren, aber bei weitem nicht die letzte. Auch als Neil Armstrong und Buzz Aldrin am 20. Juli 1969 mit der Landefähre vom CSM im Mondorbit abkoppelten und zur Mondoberfläche abstiegen, filmte eine Maurer-Kamera mit Schweizer Objektiven das Manöver - ebenso ihre Rückkehr und das Wiederandocken der Landefähre «Eagle» am Command Service Module «Columbia».

In der «Eagle» war eine zweite Kamera mit Objektiven der Firma Kern dabei, die das Landemanöver auf die Mondoberfläche über einen Spiegel filmte. Geschwenkt und ohne Spiegel nahm die Kamera dann die Aktivitäten der beiden Astronauten auf der Mondoberfläche auf Farbfilm auf: Unter anderem, wie Armstrong und Aldrin den Anruf von US-Präsident Nixon entgegennahmen und der US-Flagge salutierten.

Anders als die Schwarz-Weiss-Aufnahmen der Live-TV-Übertragung, die Millionen Menschen weltweit verfolgten, gelangten die belichteten Farbfilme erst mit der Apollo-11-Besatzung zur Erde zurück. Und nicht nur sie: Eigentlich hätte die Kamera aus der Mondfähre - und mit ihr ein Stück Schweizer Präzisionsarbeit - auf dem Erdtrabanten bleiben sollen, um das Gewicht für den Wiederaufstieg zu reduzieren. Doch es kam anders.

Neil Armstrong hatte die Kamera offenbar unerlaubterweise wieder mitgenommen. Nach seinem Tod fand seine Witwe Carol Armstrong im Februar 2015 die Kamera mit dem Objektiv der Firma Kern in einer Tasche zuhause in einem Kleiderschrank und übergab sie dem Smithsonian National Air and Space Museum. In dessen Besitz befinden sich die Kameras der Apollo-Missionen heute - leider ohne Hinweis auf die Herkunft der Objektive, erzählt Aldo Lardelli von der Sammlung Kern im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Erfolgreiche Kameras

Dass eine Schweizer Firma die Objektive für einige Kameras lieferte, die bei den Apollo-Missionen 10 bis 17 dabei waren, war der Zusammenarbeit mit der Firma Paillard SA in Sainte-Croix VD und Yverdon VD zu verdanken. Die Kern-Objektive waren zentraler Bestandteil der 8- und 16-Millimeter-Kameras unter dem Namen Bolex, die auch auf dem amerikanischen Markt beachtlichen Erfolg hatten. Und sich bis heute grosser Beliebtheit erfreuen, weiss Lardelli zu berichten.

Möglicherweise nahm die US-Raumfahrtbehörde Nasa aufgrund des Erfolgs der Bolex-Kameras im Jahr 1965 mit der Vertretung der Firma Paillard in Linden New Jersey Kontakt auf. Letztlich kamen jedoch nicht die Paillard-Kameras, sondern die beim US-Militär verbreiteten Maurer-Kameras mit einfacherer Handhabung zum Einsatz. Aber mit Kern-Objektiven, welche die Firma Paillard in Vertretung der Firma Kern vertrieb. 1968 und 1969 lieferte die Aarauer Firma 33 10-Millimeter-, 21 18-Millimeter- und ebenso viele 75-Millimeter-Objektive.

Der kleine, aber wichtige Beitrag der Firma Kern blieb jedoch unbekannt. Eine grosse Auftragswelle blieb aus. Sie schrieb aber mit ihren hochqualitativen optischen, feinmechanischen und elektronischen Instrumenten vor allem im Bereich der Vermessungstechnik ein bedeutendes Stück Schweizer Industriegeschichte.

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