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Lautäusserung bei Affen: Weniger Schubladendenken als beim Mensch

Die Schreie von Affen sind keine einfachen Lautäusserungen. Sie vermitteln vielmehr differenzierte Informationen auf eine Weise, die sich teils von menschlichen Spracheigenheiten unterscheidet, berichten Neuenburger Forschende.

Agentur
sda
16.05.19 - 12:58 Uhr
Wirtschaft
Südliche Grünmeerkatzen verständigen sich mit sehr differenzierten Schreien.
Südliche Grünmeerkatzen verständigen sich mit sehr differenzierten Schreien.
Wouter van Vliet, Wikimedia Commons, CC BY 2.0

Forschende der Universität Neuenburg haben die Lautäusserungen von zwei Affenarten in Brasilien und Südafrika untersucht und die Ergebnisse in zwei Studien beschrieben. Demnach sind die Schreie der Tiere weitaus differenzierter als oft angenommen, wie die Hochschule am Donnerstag mitteilte.

In Brasilien zeichneten die Forschenden um Mélissa Berthet die Laute von Titi-Affen (Springaffen) auf, nachdem die Wissenschaftler ein ausgestopftes Raubtier - einen Raubvogel oder eine Raubkatze - am Boden oder im Blätterdach in unmittelbarer Nähe der Gruppe platziert hatten. Später spielten sie der Gruppe die aufgezeichneten Laute wieder vor, um die Reaktionen der Affen zu beobachten.

Demnach konnten die Titit-Affen durch die Laute Informationen über den Typ des Raubtiers und seinen Standort vermitteln, schienen dabei jedoch keine Kategorisierung zu verwenden, wie es beim Mensch der Fall ist.

Kontinuum statt Kategorien

«Wir neigen dazu, die Ereignisse, die uns umgeben, in Kategorien einzuteilen, auch wenn die Unterscheidung zwischen diesen Kategorien tatsächlich unklar ist», erklärte Berthet gemäss der Mitteilung. «Zum Beispiel bilden die Farben eines Regenbogens ein Kontinuum, aber Menschen bevorzugen es, über sieben Farbbänder zu sprechen», so die Forscherin.

In ähnlicher Weise würden Menschen in der den Affen präsentierten Situation dazu neigen, vier Kategorien zu unterscheiden: bodengestütztes Raubtier am Boden, Flug-Raubtier am Boden, bodengestütztes Raubtier im Blätterdach, Flug-Raubtier im Blätterdach.

Nicht so bei den Titi-Affen: Sie stellen diese vier Situationen als Kontinuum dar. Und zwar durch Lautfolgen aus Kombinationen von Schreipaaren, die aus Schrei A und/oder Schrei B bestehen können. Je weniger Kombinationen von zwei Schreien B in der Lautfolge vorhanden sind, desto mehr schauen die zuhörenden Affen in die Luft, um dort nach einem Raubtier zu suchen.

Aber sobald die Anzahl der Kombination mit zwei B-Schreien zunimmt, schauen die Affen eher zum Boden. Diese als probabilisitisch bezeichnete Informationsübermittlung wurde bisher bei keiner anderen Tierart beschrieben.

Differenziertes Streitgeschrei

In der zweiten Studie befassten sich Forschende um Stéphanie Mercier von der Uni Neuenburg mit Konflikten in wildlebenden Gruppen der südlichen Grünmeerkatzen in Südafrika. Ihren Ergebnissen zufolge verraten die Lautäusserungen der Beteiligten bei einer Schlägerei ihre Identität, und ob es sich um Opfer oder Angreifer handelt.

«Die Schreie der Opfer sind länger und häufiger als die der Angreifer», sagte Mercier gemäss der Mitteilung. Dies stimme mit theoretischen Studien überein, die vorhersagen, dass Laute in feindlichen und aggressiven Situationen mit geringerer Häufigkeit abgegeben werden. In Angstsituationen nimmt die Frequenz zu und der Laut wird tonaler.

Diese Variationen erlauben es den Affen, die die Schreie abgeben, zum einen den Angreifer abzuwehren, zum anderen Artgenossen zur Hilfe zu rufen, vor allem während intensiver Streitigkeiten.

Obwohl bei vielen Arten die Kampfschreie dem menschlichen Ohr sehr ähnlich erscheinen, sind die Konfliktschreie der südlichen Grünmeerkatzen laut der Studie sehr differenziert, je nach Rolle im Konflikt und nach der Intensität des Streits.

Hintergrund der Studien, welche in den Fachjournalen «Science Advances» und «Plos One» erschienen sind, ist die Erforschung der biologischen Ursprünge der Sprache, wie die Uni Neuenburg schrieb.

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