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Der erste Blick ins Erwachsenenleben: die Schnupperlehre

Eine Schnupperlehre ist für viele Jugendliche der erste Kontakt mit der Arbeitswelt. Oft nutzen Unternehmen Schnupperlehren aber auch gleich als Teil der Lehrlings-Rekrutierung.

22.04.19 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Berufsmesse Fiutscher Jugendliche Ausstellung
Berufsmessen wie die Fiutscher bieten Jugendlichen gute Gelegenheiten, Firmen und Berufe kennen zu lernen.
OLIVIA ITEM/ARCHIV

Rund um die Frühlingsferien wird es in vielen Sekundar- und Realschulhäusern etwas ruhiger. Denn, die 2.- respektive 8.-Klässler strömen in dieser Zeit hinaus in die Arbeitswelt, um sich zum (oft) ersten Mal in ihrem Leben ein Bild der Arbeitswelt zu machen: sie gehen Schnuppern. Diese Tage in einem völlig neuen, anderen, Umfeld sind aber nicht nur für die jugendlichen Schüler interessant und wichtig, sondern auch für viele Unternehmen. Denn, oft nutzen diese Schnuppertage auch als Teil der Lehrlingsrekrutierung, um interessante Bewerber genauer kennen zu lernen.

Viele Firmen schreiben Schnupperlehren heute auf spezialisierten Webseiten aus. So findet man aktuell (Freitag 18. April) auf der Plattform yousty.ch im Kanton Graubünden 809 ausgeschrieben Schnupperlehren, schweizweit sind es über 14'700. Normale Lehrstellen sind es im Kanton 810, national über 16'000. In der Lehrstellensuche auf berufsberatung.ch sind Schnupperlehren nicht separat aufgeführt, dafür sind hier für Graubünden aktuell sogar 962 Angebote aufgelistet. Wie viele der Lehrstellen auf beiden Plattformen zu finden sind, ist nicht bekannt. Zu finden sind dort Angebote von Grossunternehmen wie der Ems-Chemie oder Repower aber auch von kleinen Handwerksbetrieben, Verkaufsläden oder Coiffeur-Läden.

Wir haben bei einigen der grösseren Arbeitgeber im Kanton Graubünden nachgefragt, was die Schnupperlehren ihnen bringen, wie viele Interessenten es überhaupt gibt und auf welche Kanäle sie setzen. So setzt etwa das Kantonsspital Graubünden (KSGR) auf die eigene Lehrlingsplattform wills-passt.ch, über die sich Jugendliche für Schnupperlehren bewerben können. Man könne sich auf blindbewerben, erklärt Andrea Weibel, Leiterin Bildung am KSGR, aber lieber sei es ihnen, wenn die Bewerbungen über die Webseite eingehen.

Wo findet man Schnupperlehren?

Komplett auf Blindbewerbungen setzt dagegen Arosa Lenzerheide Tourismus. «Wir erhalten jedes Jahr ziemliche viele Blindbewerbungen, so dass wir noch gar nie welche ausschreiben mussten», sagt die Kommunikationschefin Marlen Schwarz. Auf konkrete Ausschreibungen verzichtet auch der Kanton Graubünden. Dort gibt es einen Web-Bereich für Lehrlinge und Interessierte, wo man auch den Hinweis findet, man könne sich für Schnupperlehren per Mail melden.

Ähnlich handhabt Hamilton in Bonaduz das Thema. Björn Gerhard, Team Leader Talent Developement, erklärt: «Wir schreiben unsere Schnupperlehren nicht separat aus, weisen jedoch auf unserer Job-Website darauf hin.» Zudem gebe es periodische Talent-Informationen, bei denen man immer auch auf die Möglichkeit von Schnupperlehren hinweise. Zudem platziere man den allgmeinen Schnupper-Hinweis auch auf der – oben erwähnten – Plattformen yousty.ch und auf lehre-gr.ch.

Auf die eigene Lehrlingswebseite verweist man auch bei der Ems-Chemie, einem der grössten Ausbildungsbetriebe im Kanton. Auf lehrebeiems.ch können sich interessierte Jugendliche direkt bei dem Beruf, der sie interessiert für eine Schnupperlehre bewerben. Repower und die Kantonalbank setzen ebenfalls den Karriere-Bereich der eigenen Webseite ein, wie sie auf Anfrage sagen. «Wir sprechen interessierte Jugendliche auch direkt an verschiedenen Infoveranstaltungen, Berufsmessen oder Zukunftstagen an», erklärt zudem Rahel Bauer vom HR bei Repower.

Gleich rekrutieren oder einfach mal reinschauen?

Unterschiedlich gehen die befragten Arbeitgeber in Sachen Rekrutierung von Lehrlingen vor. Einige nutzen Schnupperlehren ganz gezielt, um künftige Lehrlinge zu testen, andere erklären, Schnupperlehren sollen möglichst vielen Jugendlichen offen stehen, um einfach einmal einen Einblick in einen Beruf zu bekommen. So lädt etwa Engadin Mountains für die eine Lehrstelle als Bergbahn-Mechatroniker pro Jahr vier bis fünf Schnupperlehrlinge ein, aber nur solche, die grundsätzlich für die Lehrstelle in Frage kommen, sagt Martin Baumann. «Wir laden Jugendliche, die sich für die Lehrstelle beworben haben zum Schnuppern ein. Man kann sich schon auch blindbewerben für die Schnupperlehre, aber wir laden auch dann jemanden nur ein, wenn er von den Anforderungen her, für die Lehrstelle in Frage käme.» 

Das Kantonsspital steht da auf der anderen Seite, wie Andrea Weibel sagt: «Eine Schnupperlehre ist für alle offen.  Es gibt viele junge Leute die sich nicht sicher sind, was sie später einmal werden wollen. Wir unterscheiden prinzipiell zwischen Schnuppern und einer Bewerbung um eine Lehrstelle. Ist jemand nach dem Schnuppern an einer Lehrstelle interessiert, kann man sich bewerben. Anschliessend beginnt der Rekrutierungsprozess.» Gleich sieht das der Kanton: «Schnupperlehren sind bei uns da, um in den Beruf reinzuschauen. Diese Möglichkeit sollte jede und jeder haben», erklärt Luca Catricalà vom Personalamt Graubünden.

Sogar noch mehr investiert man bei Hamilton bei Schnupperlehrlingen. «Interessiert sich ein Schnupperlehr-Bewerber nur geringfügig an handwerklichen oder technischen Tätigkeiten, bewirbt sich aber auf die Schnupperlehre im Mechanik-Bereich, so nehmen wir persönlichen Kontakt auf, um die Interessen genauer abzuklären. So können wir auch eine Empfehlung geben, in welchem Bereich der Schnuppernde einen besseren Einblick zu seinen Interessen erhält», führt Björn Gerhard aus.

Vorbereitung ist wichtig

Einigkeit bei allen befragten Arbeitgebern, herrscht darüber, dass sich die Jugendlichen bereits über ein Unternehmen und über die Berufe informieren sollen, bevor sie sich für eine Schnupperlehre dort bewerben. «Die Jugendlichen profitieren dann am meisten, wenn sie über einen Beruf Bescheid wissen und auch gezielte Fragen stellen können», sagt etwa Marlen Schwarz von Lenzerheide Arosa Tourismus.

«Ebenfalls ist es zentral, dass die Jugendlichen einen Beruf nach Interessen und Neugier aussuchen und nicht nur die Schnuppertage absolvieren, weil dies die Schule vorschreibt», findet Björn Gerhard von der Hamilton. Und Rahel Bauer von Repower ergänzt: «Wir empfehlen den Jugendlichen ausserdem, sich die Zeit zu nehmen, um verschiedene Lehrberufe kennen zu lernen, um schliesslich den passenden Beruf für sich zu finden.»

Und wer sich dann für ein Unternehmen und den einen oder anderen Beruf zum Beschnuppern entschieden hat, tut gut daran, sich bei dieser Bewerbung bereits entsprechend Mühe zu geben, denn: «Auch bei der Schnupperlehre gilt: Mit einem vollständigen und fehlerfreien Bewerbungsdossier machen Lehrstellensuchende einen guten ersten Eindruck», betont Conrad Gericke von der Ems-Chemie.

Schulen helfen, Verantwortung liegt aber beim Jugendlichen

Zumindest in der Stadt Chur kann man davon ausgehen, dass es den Jugendlichen, wenn sie in die Phase der Schnupperlehren kommen, nicht an Vorbereitung gefehlt hat. Im zweiten Schuljahr absolvieren alle Schüler das Fach «Berufliche Orientierung», wie Gian Martin Camenisch, Schulleiter des Sekundarschulhauses Quader erklärt: «Die Schüler sollen weiter sein als auf Feld eins, wenn sie sich ans Schnupperlehre-Suchen machen.» Sie sollen eine Idee haben, was sie erwartet, worum es geht und haben idealerweise davor schon einmal einen Berufsberater besucht.

Die drei Churer Mittelschulhäuser staffeln ihre Schnupperwochen jeweils, damit es nicht jedes Jahr alle Schüler, die Schnuppern wollen gleichzeitig auf den Markt spühlt, wie Camenisch weiter erklärt. «Es kommt auch immer wieder vor, dass Schüler auch ausserhalb unserer Projektwochen schnuppern gehen, wenn das von den Firmen gewünscht wird.» Da sei man flexibel. Aber, einfach zum Plausch mal schnuppern und sich eine schulfreie Woche gönnen geht nicht, denn: die Lehrer besuchen ihre Schüler in den Lehrbetrieben, um sich ein Bild des Erfolgs zu machen.

Übrigens können auch Sek-Schüler, die keine Lehre machen, sondern an ein Gymnasium wechseln wollen, bei Interesse eine Schnupperlehre machen. «Wir konnten schon Schnuppertage bei Ärzten oder Anwälten organisieren, also akademische Beruf beschnuppern lassen», sagt Camenisch. Sogar schnuppern bei Lehrern sei möglich.

Wichtig zu betonen ist Camenisch aber, dass die Verantwortung für das Suchen und Finden einer Schnupperlehre – und einer Berufslehre – am Ende immer beim Jugendlichen selbst liegt. «Wir helfen und bereiten die Schüler vor, machen sie so fit wie mögliche für den Arbeitsmarkt», sagt Camenisch, aber ohne Engagement der Jugendlichen – und/oder der Eltern – gehe es nicht. Da gebe es schon immer wieder Kandidaten, die erwarten, dass man ihnen alles auf dem Silbertablett serviere.

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