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Plädoyer für eine Zukunft ohne fossile Energien

Seine Thesen scheinen steil, die Aussagen provokant: Doch wenn man Marcel Hänggis Ausführungen folgt, ist alles schlüssig und nachvollziehbar. Fossile Energieträger müssen sehr schnell ersetzt werden. Dafür plädierte er an der Hochschule Rapperswil.

Linth-Zeitung
20.12.18 - 11:07 Uhr
Wirtschaft
Überzeugend: Marcel Hänggi zählt an den Fingern ab, was getan werden muss, um das Klima zu retten.
Überzeugend: Marcel Hänggi zählt an den Fingern ab, was getan werden muss, um das Klima zu retten.
TOBIAS HUMM

von Tobias Humm

Null Öl, null Gas, null Kohle ist der Titel des Buches, mit dem der Historiker und Journalist Marcel Hänggi einen Vorschlag zu einer neuen Klimapolitik macht. Das Buch und seine Thesen stellte er an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) im Rahmen einer äusserst gut besuchten Veranstaltung vor. Eigentlich sei sein Vortrag schon nach einem Wort zu Ende, sagte er, «doch will ich trotzdem noch etwas ausholen und eine Geschichte erzählen.»

Erwärmung verstärkt sich selber

Das eine Wort hiess übrigens «Null». Eben: Weder Kohle noch Gas oder Öl, denn diese Rohstoffe reichern die Luft mit CO2 an, was den berüchtigten Klimawandel anheizt, indem durch einen erhöhten CO2-Gehalt in der Luft die Sonnenstrahlung nicht ins All reflektiert werden kann.

Der Anstieg an Kohlenstoffgas in der Luft wird inzwischen nicht mehr nur direkt durch das Verbrennen der fossilen Energiequellen verursacht, das System hat sich verselbstständigt, indem durch das Auftauen von Permafrostböden und das Abschmelzen der Polkappen zusätzliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Diese Prozesse sind unumkehrbar.

Die Schweiz hat 2015 das Pariser Klima-Abkommen unterzeichnet. Dieses fordert, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Eine stärkere Erwärmung gefährdet die Ökosysteme weltweit und führt in der Schweiz zum Verschwinden der Gletscher als sichtbarstes Zeichen. Bis heute ist die schweizerische Klimapolitik weit davon entfernt, die Ziele des Abkommens zu erreichen.

Plädoyer für Null-Politik

Was tun? Hänggis These ist kurz und bündig: «Es ist ganz einfach: Man muss eine Nullpolitik betreiben.» Was einfach tönt, ist aber nicht unbedingt leicht. Die ganze Wirtschaft muss sich darauf einstellen, bis in wenigen Jahrzehnten mit klimafreundlichen Technologien zu produzieren. Heizungen müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden, Produktion und Verkehr ebenfalls.

Marcel Hänggi spricht ausholend, erläutert seine Thesen mit Geschichten, deren Zusammenhang mit dem Thema nicht immer auf den ersten Blick naheliegend erscheinen. Illustrierende Bilder braucht er nicht, eine Power Point Präsentation auch nicht. Denn seine Botschaft ist simpel: Nur wenn wir es schaffen, die fossilen Energieträger bis in 30 Jahren zu verbieten, besteht eine Chance, die Erderwärmung innerhalb des gesetzten Rahmens von 1,5 Grad zu beschränken. Neue Technologien helfen, die Klimaziele zu erreichen. Jedoch kann laut Hänggi das Ziel nicht sein, gleich viel Energie zu verbrauchen wie bis anhin, auch wenn sie klimaneutral produziert würde. Der Energieverbrauch muss massiv sinken. Bis in die 1950er-Jahre war die Schweiz eine 1000-Watt-Gesellschaft. Erst danach verfünffachte sich der Energieverbrauch. Hänggi zweifelt an der Behauptung, dass sich neue Technologien immer durchsetzen würden, sobald sie Marktreife erlangt hätten. Er führt Beispiele an, dass in England der Bestand an Transportpferden nie höher war, als hundert Jahre nach dem die erste Eisenbahn gerollt ist. Die Bahn hat das Pferd also nicht ersetzt, sondern bloss in eine andere Rolle gedrängt.

Er erläuterte auch, dass die Dampfmaschine während 80 Jahren ausschliesslich in England im Bergbau eingesetzt wurde, weil sie anderorts nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte.

Es braucht staatliche Steuerung

Hänggi zerzaust auch die Logik der neoklassischen Ökonomen, die behaupten, dass der freie Markt alleine die Probleme dieser Welt regeln könne. Er bezeichnet diese Haltung als ideologisch und nicht gewinnorientiert. Denn eine Haltung, die gewinnorientiert ist, würde die Erhaltung des Klimas als oberste Priorität setzen.

Die Kernfrage in Hänggis Vortrag lautet also nicht, was kostet es, die Klimaziele zu erreichen, sondern: «Wie schaffen wir es, bis in 30 Jahren aus den fossilen Brennstoffen ganz auszusteigen.» Wenn man bedenkt, wo überall Erdöl drin ist, ist dies eine Herkulesaufgabe, die nicht kleiner wird, wenn man sie hinausschiebt. «Die Lösung ist einfach», schliesst er seinen Vortrag, «Doch leicht wird es nicht sein, die Ziele zu erreichen.»

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