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Wetterkapriolen lassen den Holzmarkt zusammenbrechen

Erst «Burglind», dann die extreme Trockenheit: Das Wetter setzt dieses Jahr den Wäldern zu. Davon profitiert der Borkenkäfer, gegen den nur die Motorsäge hilft. Die Waldbesitzer bleiben auf dem vielen Holz sitzen – auch in der Region.

13.10.18 - 04:36 Uhr
Wirtschaft

Revierförster Sepp Kuriger zeigt im Wald der Ortsgemeinde Schmerikon am Buechberg auf Dutzende von Baumstämmen, die sich entlang der Kiesstrasse stapeln. «Das ist alles Holz, das nach dem Sturm ‘Burglind’ im Januar auf einen Käufer wartet», sagt er mit nachdenklichem Blick. 20 Lastwagenladungen habe er bei einer grösseren Ostschweizer Sägerei angemeldet; abgeholt worden seien bis jetzt vier davon.

Doch damit nicht genug: Seit Mitte August kommt weiteres Holz hinzu, weil Borkenkäfer die Fichten angreifen. Bis zu 35 Meter lang sind eine Handvoll entrindete Stämme, die weiter unten an der Strasse liegen. Es gebe nur eine Möglichkeit, die Schäden in Grenzen zu halten, erläutert Kuriger: «Wir müssen die befallenen Bäume fällen und entrinden, bevor sich die Insekten darin vermehrt haben.» Denn Borkenkäfer nisten sich unter der Rinde ein, um sich vom Saft des Baumes zu ernähren. Dabei geht dieser kaputt (siehe Kasten).

Käferplage zeichnete sich ab

Wie Rolf Ehrbar, der für See-Gaster zuständige Regionalförster, erklärt, war mit der Borkenkäferplage zu rechnen. Denn die Fichten seien dieses Jahr mehrfach geschwächt worden: «Erst setzte 'Burglind' ihnen zu, dann kostete eine extrem starke Blüte sie Kraft, und schliesslich kam noch der heisse, trockene Sommer hinzu», zählt Ehrbar die Stressfaktoren auf. Dies alles habe die Abwehrkraft der Bäume reduziert.

Der diesjährige Borkenkäferbefall könnte bloss der Auftakt zu einer noch schlimmeren Plage sein.

Noch nicht bekannt ist die Zahl der Bäume, die den Insekten bis jetzt zum Opfer gefallen sind. Laut Ehrbar wird derzeit eine Statistik erstellt. Sepp Kuriger, der für die Forstgebiete Schmerikon, Eschenbach und Ernetschwil verantwortlich ist, hat bis jetzt rund 100 Bäume gefällt, die befallen waren. «Das sind aber noch längst nicht alle», sagt er, «denn wenn nur ein paar isolierte Fichten inmitten von Laubbäumen betroffen sind, unternehme ich nichts.» Er müsse immer abwägen, ob sich ein Eingreifen rechtfertige, so Kuriger.

Holzpreise sind im Keller

Für die Waldbesitzer kamen «Burglind» und Käfer zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Dies, weil die reguläre Holzernte im letzten Winter schon weit fortgeschritten war, als der Sturm in mehreren Ländern zuschlug. Kuriger schätzt, dass im Moment zwei- bis dreimal so viel Holz auf dem europäischen Markt ist wie üblich. Deshalb fehlen für das Sturm- und Käferholz die Absatzmöglichkeiten, obschon die Nachfrage wegen der guten Konjunktur intakt ist. «Mir bleibt nichts anderes übrig, als das Holz zu lagern, auch wenn es so an Wert verliert», sagt Kuriger. Schon unter normalen Bedingungen seien die Preise seit Jahren «himmelschreiend», fügt er hinzu. 60 bis 80 Franken bringt ein Kubikmeter hochwertiges Fichtenholz heute ein – rund 200 Franken waren es vor 35 Jahren.

Erschwerend kommt laut Regionalförster Ehrbar hinzu, dass in der Schweiz in den letzten 25 Jahren zahlreiche Sägereien eingegangen sind. Im Raum See-Gaster könne nicht einmal mehr halb so viel Holz verarbeitet werden wie bei seinem Amtsantritt im Jahr 1991. Dies habe die einheimische Waldwirtschaft um wichtige Absatzkanäle gebracht, erklärt Ehrbar. Selbst nach den Jahrhundert-Stürmen «Vivian» im Jahr 1990 und «Lothar» im Jahr 1999 hätten die Waldbesitzer das Holz besser verkaufen können als heute – obschon die Schäden damals weit grösser gewesen seien. «Das Marktumfeld in der Region ist so schlecht wie nie», klagt der Förster.

Hoffen auf nasskaltes Wetter

Einig sind sich Ehrbar und Kuriger auch darin, dass die Zukunft nichts Besseres verheisst. Beide befürchten, dass der diesjährige Borkenkäferbefall bloss der Auftakt zu einer noch schlimmeren Plage sein könnte. «Wenn ich sehe, wie schnell die Käfer sich diesen Herbst vermehrt haben, wird mir bange», sagt Kuriger. Ehrbar erinnert sich daran, dass die Parasiten nach «Vivian» und «Lothar» erst in den Folgejahren grössere Waldflächen absterben liessen. Ein nasskalter Frühling und Sommer könnten eine explosionsartige Ausbreitung der Insekten möglicherweise noch verhindern, meinen die beiden Förster.

Selbst wenn der Kelch an den Fichten nächstes Jahr noch einmal vorübergehen sollte, sieht Ehrbar für diese Baumart in den tiefer gelegenen Gebieten schwarz. Denn naturgemäss bevorzugt sie höhere Lagen, was sich wegen des Klimawandels noch verstärken wird. Für die Wissenschaft stehe fest: «Unter 800 Metern Höhe wird es für die Rottannen langfristig schwierig», sagt Ehrbar:

Rolf Ehrbar, Revierförster im See-Gaster, sieht die hiesigen Wälder im Umbruch begriffen.
Rolf Ehrbar, Revierförster im See-Gaster, sieht die hiesigen Wälder im Umbruch begriffen.

1. Rolf Ehrbar, die Fichte ist ein Baum, der von Natur aus in höheren Lagen wächst. Ist die aktuelle Borkenkäferplage ein Vorbote dafür, dass die Rottanne aus der Linthebene verschwindet?
Die Fichte galt lange Zeit als der Brotbaum der Holzwirtschaft. Deshalb wurde sie im Schweizer Mittelland in grosser Zahl gepflanzt. Wegen des Klimawandels wird diese Baumart in tieferen Lagen nun effektiv grosse Probleme bekommen. Die Forstwissenschaft geht davon aus, dass es bei uns unter 800 Metern Höhe langfristig nur noch an einzelnen schattigen, gut mit Wasser versorgten Stellen Fichten geben wird.

2. Wie sehen die Wälder der Zukunft in tiefer gelegenen Gebieten aus? Welche Baumarten sollen die Fichten dort ersetzen?
Von den Nadelbäumen sollten die Weisstanne und die Douglasie mit wärmeren und trockeneren Bedingungen gut zurechtkommen. Wir fördern aber auch standortgerechte Laubhölzer, die mit den künftigen Klimaverhältnissen keine Probleme haben dürften – wie Eichen, Ahorne, Linde oder Nussbaum. Wichtig ist ein naturnaher Waldbau mit einer guten Durchmischung. Die Zeit von Monokulturen anstelle von Mischwäldern ist definitiv vorbei.

3. Wie sieht es längerfristig für die Buchen aus? 
Auch sie haben während der sommerlichen Trockenphase an mehreren Orten in der Region Stressreaktionen gezeigt, indem sie sich verfärbten und Blätter abwarfen. Die Verfärbungen widerspiegeln die Geologie: In trockenen Böden werden die Buchen je länger, desto mehr Probleme bekommen. An Orten, die ausreichend mit Wasser versorgt sind, erwarten wir für die Buchen im Linthgebiet hingegen keine Probleme – auch in tieferen Lagen. Spannend ist für uns die Frage, wie gut die Buchen, die in den vergangenen Monaten gelitten haben, nächstes Jahr wieder austreiben.

Wie Borkenkäfer Bäume töten
Bis zu 30 Borkenkäferarten leben in den Wäldern des Linthgebiets. Sie alle sind auf einzelne oder einige wenige Baumarten spezialisiert. Grössere Schäden verursacht jedoch nur der sogenannte Buchdrucker, der Fichten befällt. Die flugfähigen Insekten fräsen zwischen Rinde und Stammholz bis zu fünf Millimeter breite Gänge, um dort ihre Eier abzulegen. Die ausgeschlüpften Larven bohren Seitengänge, wo sie sich verpuppen und zu Käfern verwandeln. Dabei greifen sie diejenigen Schichten an, die den Baumsaft transportieren. Bei einem massiven Befall bedeutet dies für den Baum den Todesstoss. Rund zwei Monate brauchen die Parasiten, um eine Fichte absterben zu lassen.

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