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Surfbretter, Segel und das Ende einer Ära am Walensee

In den letzten 30 Jahren hat sich die ehemalige Windsurfschule Walensee zu einem Ostschweizer Zentrum für Wassersport gemausert. Nun muss der Besitzer des Wassersportcenters «Shirocco» seinen Standort in Murg aufgeben. Diesen Monat endet das letzte Kapitel einer bewegten Geschichte am Walensee.

Linth-Zeitung
03.10.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Bald ist Schluss: Nur noch bis Ende Saison sind die Kajaks des Wassersportcenters «Shirocco» auf dem Walensee unterwegs.
Bald ist Schluss: Nur noch bis Ende Saison sind die Kajaks des Wassersportcenters «Shirocco» auf dem Walensee unterwegs.
PRESSEBILD

von Michael Kohler

René Sauser sitzt in seinem «Shirocco»-Container am Murger Walenseeufer und grübelt. Über die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Über Erreichtes und Bevorstehendes. Sein Blick schweift in die Ferne, hinaus aufs Wasser. Seinem Element. Ruhig und tiefblau, unergründlich und ungewiss wie die Zukunft, in die er sich schicken muss.

Er, der Vater des Wassersports am Walensee, der das Wind- und Kitesurfen in den 80er-Jahren an die Riviera der Region gebracht hat – er muss aufgeben, was ihn seit 30 Jahren definiert. Nicht des stolzen Alters von 70 Jahren wegen. Auch nicht mangels Freude am Wassersport. Sauser verliert seinen Platz am See, weil ihm sein Vermieter die Räumlichkeiten auf dem «Sagibeiz»-Gelände gekündigt hat.

Diese Kündigung ist schon 2013 erfolgt. Kündigungsgrund: Eigenbedarf. Kündigungsfrist: laut Mietvertrag zwei Jahre. Alles in allem durchaus legitim. Wegen verschiedener Verstösse bei Mietrecht, Bau- und Umnutzungsbewilligungen hätten Sauser und seine Partnerin Annemarie Neumann aber den Rechtsweg einschlagen müssen, um ihr Anrecht auf die Pacht des Grundstücks weiter geltend zu machen. Und sie haben Recht bekommen – jedenfalls teils.

Ein persönliches «Gegeneinander»

Das Gericht verfügte erst eine Mieterstreckung von zwei Jahren, dann eine weitere für noch ein Jahr. Zwei Siege für Sauser – und in seinen Augen ein klares Bekenntnis für den Wassersport.

Für Vermieter Dieter von Ziegler, Besitzer der alten Spinnerei Murg, des Lofthotels und der «Sagibeiz», soll mit dem Auslaufen der Mieterstreckung im Dezember 2018 ein persönlicher Zwist enden. Jahrelang habe Sauser konsequent gegen ihn gearbeitet, Verträge missachtet, Gebietsansprüche geäussert und nicht kooperiert. «Wir werden keinen Konsens mehr finden, dafür ist schon zu viel vorgefallen», findet Dieter von Ziegler klare Worte.

Seit 2002 ist die Wassersportschule auf dem Areal der «Sagibeiz» eingemietet. «Anfangs versprachen wir uns Synergien zwischen dem Wassersport und dem kulinarischen Angebot der ‘Sagi- beiz’», erklärt von Ziegler. Er habe früh erkennen müssen, dass dem nicht so sei, und wollte deshalb schon den ersten Fünf-Jahres-Mietvertrag nicht mehr verlängern. «Sauser drohte mit einem Rechtsstreit, also suchten wir nochmals eine einvernehmliche Lösung – mit genauer definierten Richtlinien und Auflagen.» Auch dieser neue Mietvertrag sei vonseiten der Mieter schliesslich mit Füssen getreten worden.

Als von Ziegler 2013 den Umbau der Mieträume in einen Seminarraum aufgleiste, war die Auflösung des Mietvertrags definitiv. Dieser besagt, dass dem Mieter bei Eigenbedarf gekündigt werden kann. Nur lag von Ziegler bis zum ersten Rechtsstreit keine Baubewilligung für die Umnutzung der Räume vor. Darum hatte der Vermieter vor Gericht das Nachsehen. Ein Umstand, der heute korrigiert sei. «Die Baubewilligung liegt vor, wir werden bauen.»

Chancenlos

Ende 2018 ist also definitiv Schluss, das Wassersportcenter muss ausziehen. Sauser und Neumann haben sich darum schon vor fünf Jahren nach einer Alternative umgesehen. Es sei aber nicht nur schwierig, eine weitere Bucht am Walensee zu finden, die ähnlich ideale Voraussetzungen für Anfänger im Wassersport biete. Auch hätten sie Kontakt mit allen Behörden und Tourismusorganisationen rund um den See aufgenommen und vergebens nach einer neuen Bleibe für ihr «Shirocco» gesucht. «Überall sind wir mit unseren Anfragen chancenlos geblieben», erklärt Sauser.

Ende 2018 ist definitiv Schluss – dann muss das Wassersportcenter ausziehen.

Betrachte man die planerischen Umstände rund um den See, könne man dem «Shirocco»-Team schlecht unterstellen, sich nicht genug um einen neuen Platz am Walensee bemüht zu haben – hier, wo «selbst kantonal unterstützte Vorhaben (Seeuferweg, Spielerlebnis Walensee, Seeuferplanung Walensee) jahrelang erfolgreich durch Einsprachen blockiert werden». Genau das habe das Gericht aber moniert. «Das hat am meisten wehgetan», erklärt Sauser.

Einbussen im Angebot

Tatsächlich hätten die Behörden keinen alternativen Standort bieten können. Der Quartner Gemeindepräsident Erich Zoller dazu: «Die Politische Gemeinde Quarten hat direkt am See keine Gebäude oder Liegenschaften, die für den Betrieb eines Wassersportcenters infrage kommen. Und die wenigen privaten Eigentümer mit allenfalls geeigneten Liegenschaften wollen offensichtlich keine entsprechenden Verträge abschliessen.» Er bedaure, dass das Wassersportangebot in Murg nicht weiter bestehen bleiben könne, so Zoller. «Ich kann mir aber vorstellen, dass am Walensee andere Angebote entstehen werden.»

Ähnlich klingt der Tenor vonseiten der Heidiland Tourismus AG. «Als Tourismusorganisation bedauern wir es, wenn ein etabliertes Angebot für unsere Gäste verschwindet – ungeachtet der Gründe, die letztlich im Einzelfall dazu führen», so Adrian Pfiffner, Leiter Kommunikation. Er relativiert: «Glücklicherweise finden sich rund um den See noch weitere Anbieter, welche interessierten Gästen am Walensee auch weiterhin Wassersportmaterial und -Know-how zur Verfügung stellen.»

Die Leidenschaft bleibt

Damit ist das Schicksal der Schule besiegelt, das Wassersportcenter ist am Ende. Das sei schade für die vielen Schulen, Vereine, Firmen, Sportler und Wassersportfans. Aber Sauser ist dankbar. Nicht nur für «die wunderschöne Zeit am Walensee, für die Treue und das Vertrauen aller Stammkunden aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland», sondern auch für den Beistand in der jüngsten Vergangenheit, «die Aufmunterungen und Unterstützung». Und schliesslich auch für die 661 Unterschriften für die von einem Stammgast initiierte Petition zum Erhalt der Wassersportschule.

Ganz verschwinden wird «Shirocco» nicht, die GmbH bleibt weiterhin bestehen. Auch werden Sauser und Neumann in Murg wohnhaft bleiben, obwohl sie schon eifrig Reisepläne für die Zeit nach der Schliessung schmieden. Zu arbeiten brauchen die beiden eigentlich nicht mehr, schon eine Weile sind sie im Rentenalter angekommen. Dennoch werden sie dem Wassersport bestimmt nicht den Rücken kehren. «Es war so, ist so und wird immer so sein: Wassersport ist unsere grosse Leidenschaft.»

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