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Kleinst-Logger enthüllt Überraschungen aus Zugvogel-Leben

Um Zugvögel rankt sich manche Anekdote, und das Wissen über die weiten Reisen ist trotz aller bisherigen Datenaufzeichnungen immer noch beschränkt. Ein von Schweizer Forschern entwickeltes Kleinst-Gerät bringt nun Überraschendes zutage.

Agentur
sda
03.10.18 - 15:21 Uhr
Wirtschaft
Der Wiedehopf wurde auf Grund seines unbeholfen aussehenden Flugstils für einen wenig effizienten Zugvogel angesehen. Zu Unrecht, wie eine Studie der Vogelwarte Sempach LU zeigt. (Archivbild)
Der Wiedehopf wurde auf Grund seines unbeholfen aussehenden Flugstils für einen wenig effizienten Zugvogel angesehen. Zu Unrecht, wie eine Studie der Vogelwarte Sempach LU zeigt. (Archivbild)
KEYSTONE/SIGI TISCHLER

Zum Beispiel der Wiedehopf: Er ist vielfach nachts unterwegs ins Winterquartier in Afrika, auf sich alleine gestellt, und fliegt auf bis 4500 Metern Höhe über Meer, wie es in einer im Fachmagazin «Movement Ecology» veröffentlichten Studie der Vogelwarte Sempach LU heisst.

«Lange glaubte man, dass der Wiedehopf mit seinem unbeholfen anmutenden Flugstil hauptsächlich tagsüber unterwegs sei», sagte Felix Liechti, Hauptautor der Studie und Leiter der Abteilung «Zugvogelforschung» an der Vogelwarte, der Agentur Keystone-SDA. Wiedehopfe wurden wegen ihrer grossen Flügel bisher als eher wenig effiziente Zieher angesehen. Zu Unrecht, wie die Studie zeigt.

Kleinst-Datenspeicher am Rücken

Die Forscher haben für ihre Zugvogel-Studie Wiedehopfen in der Schweiz und Drosselrohrsängern in Bulgarien einen Logger umgeschnallt. Entwickelt wurde dieser Kleinst-Datenspeicher von der Vogelwarte Sempach und der Berner Fachhochschule.

Das Gerät, das die Zugvögel wie einen winzigen Rucksack tragen, zeichnet über Sensoren Daten zu Lichtintensität, Tageslänge und Sonnenauf- und untergangszeit auf. Damit kann der ungefähre Aufenthaltsort des Vogels bestimmt werden.

Alle 30 Minuten gibt die Luftdruckmessung Aufschluss über die Flughöhe. Ein Beschleunigungssensor ermittelt die Flugaktivität. Auch die Temperatur und die Magnetfeldstärke werden aufgezeichnet.

Damit kann der Logger Angaben darüber liefern, zu welcher Tageszeit sich die Vögel auf den Weg machen - meist in den Abendstunden -, in wie viele Etappen sie ihre Reise aufteilen, wie lange ihre Pausen dauern, wie oft sie sich auf dem Flug in die Höhe schwingen oder eine tiefere Flughöhe wählen und wie lang sie insgesamt in der Luft waren.

Individualisten der Lüfte

Die Daten, die nach der Rückkehr der Vögel aus den Speichern ausgelesen wurden, zeigten, dass Wiedehopfe und auch Drosselrohrsänger Individualisten sind. Bei Tieren derselben Art gab es verschiedene Verhaltensmuster, bei Flugdauer, gewählten Flughöhen, Zahl und Länge der Etappen.

Namentlich konnten die Forscher nachweisen, wie gross der Anteil der nächtlichen Flüge der beiden Arten ist - sie überqueren auf ihrem Zug die Sahara. Beobachtungen, dass Drosselrohrsänger hauptsächlich nachts fliegen, bestätigten sich.

Beim Wiedehopf dagegen widerlegten die im «Rucksack» zurückgebrachten Daten die Behauptung, dass er ein Tagzieher und nur gelegentlicher Nachtflieger sei. Zu dieser Fehleinschätzung hatte laut der Studie geführt, dass der Vogel mit dem prächtigen Federputz auf dem Kopf tagsüber in der Luft gesichtet wurde. In Tat und Wahrheit ist er aber zu 90 Prozent nachts unterwegs.

Für guten Wind in grosse Höhen

Weiter enthüllten die Daten, dass die untersuchten Zugvögel sich nicht nur dann hinauf in grosse Höhen schwangen, wenn Bergketten vor ihnen lagen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Vögel die bei den vorherrschenden Windverhältnissen ideale Höhe suchten.

Sie erwarten von weiteren Einsätzen der Multi-Sensorlogger grundlegenden Wissensgewinn über den Vogelzug und besonders über die Individualisten unter den Gefiederten. Die in der Studie gewonnenen Erkenntnisse seien nur die Spitze des Eisberges, schreiben sie.

Zum Beispiel könnte Wissen gesammelt werden rund um Rastplätze von Zugvögeln, wie sie sich in ihrem Habitat bewegen und dieses nutzen und wie sie mit ihrer Energie umgehen. Nutzbar wären die Erkenntnisse nicht nur für Studien zum Vogelzug, sondern auch für die Forschung in Verhaltensökologie und an Bewegungsmustern.

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