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Ein Stall als architektonische Herausforderung

Auch Bündner Bildungsstätten wie die Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur thematisieren zunehmend den Umbau von landwirtschaftlichen Ökonomiegebäuden. Ein Beispiel- und Studienobjekt steht im historischen Kern von Fürstenau.

Südostschweiz
30.09.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Einer der Vorschläge: Die Studierende Larissa Cavegn hat in Anlehnung an die Reben in Fürstenau aus dem Stall ein kleines Weingut gemacht.Pressebild
Einer der Vorschläge: Die Studierende Larissa Cavegn hat in Anlehnung an die Reben in Fürstenau aus dem Stall ein kleines Weingut gemacht.Pressebild

Wie geht man mit Ställen um, die ihren ursprünglichen Zweck verloren haben? Die aktuellen politischen und raumplanerischen Rahmenbedingungen sorgen für hohen Umnutzungsdruck auf diese landwirtschaftlichen Ökonomiebauten. Das weiss auch Robert Albertin, Architekt und Dozent an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur. Gemeinsam mit seinem Mitdozenten, dem Architekten Michael Meier aus Zürich, betreut er an der HTW die architektonischen Bachelorarbeiten im Studiengang Bauingenieurwesen und Architektur – und als Thema der Abschlussarbeiten wurde dieses Jahr bewusst eine solche Ökonomiebaute gewählt.

Caminada sorgt für Beispiele

Die Studierenden hatten die Aufgabe, für einen Stall unmittelbar neben dem bekannten Schloss Schauenstein in Fürstenau einen Bebauungsvorschlag zu entwickeln. Dozent Albertin war als kommunaler Bauberater auf das Objekt gestossen; es gehört der Heinrich-Schwendener-Stiftung, die auch Besitzerin des von Andreas Caminada betriebenen Hotel-Restaurants «Schauenstein» ist. Caminada notabene hat bereits zwei Stallumbauten in Fürstenau initiiert: Gerade fertig gebaut ist die Casa Caminada (siehe obenstehenden Artikel). Und vis-à-vis des Schlosses, auf der anderen Strassenseite, wird gerade ein weiterer Stall bis auf die gemauerten Teile abgerissen; dort entsteht Spitzenkoch Caminadas neues privates Daheim.

Die Stadtmauer als Stallwand

Nutzungsideen hätte Caminada offenbar auch für den Stall, der nun Gegenstand der HTW-Arbeiten ist. «Er würde dort einen Wellnessbereich und einen multifunktionalen Saal unterbringen», weiss Albertin. Der Stall steht notabene an einem besonders sensiblen Ort: nicht nur neben Schloss Schauenstein, sondern gleichzeitig auch neben dem Bischöflichen Schloss. Gegenüber liegt das alte Meierhaus, und die Stadtmauer von Fürstenau ist gar Teil der nördlichen Stallwand. Welche Nutzung ist so einem Ort angemessen? In welchem Kontext steht der Stall zu den Nachbarbauten? Was soll der neue Entwurf für die Ortschaft bewirken?

Anhand solcher Fragestellungen haben die Studierenden einen Weg vom Ort zur Idee zu finden versucht – einen Vorschlag für die neue Nutzung und Funktion, aber auch für die gestalterische Umsetzung bis hinein in die konstruktive und ökonomische Realisierung. Dazu noch in einer denkmalgeschützten Umgebung, wobei der Stall an sich «nur» als erhaltenswert eingestuft ist, wie Albertin betont.

Die Studierenden hatten denn auch gewisse Freiheiten bei ihren Entwürfen, «bis hin zu einem Abbruch», so Albertin. Oder bis zu einem Teilabbruch, denn spätestens bei der Stadtmauer in der Nordwand wäre Schluss gewesen. «Wir haben auch klar gesagt: Wer den Stall abreisst, muss eine adäquate bauliche Antwort darauf finden.»

Keine «leuchtenden Laternen»

Bei der Sichtung der Vorschläge zeigt sich: Nur die Wenigsten ziehen den Abbruch überhaupt in Betracht; generell werden das Bestehende und der Kontext respektiert, wie Albertin feststellt. «Es scheint da einen ganz natürlichen Schutzgedanken zu geben.» Und auch reine Wohnnutzung kommt nicht vor, wohl auch deshalb, weil man die heute häufige Art der Stallumbauten – «diese Kuben, die in der Nacht wie Laternen leuchten» – absichtlich vermeiden wollte. Was dafür vorgeschlagen wird: ein Bikehotel mit Boxen als Zimmern. Eine Weinkellerei. Ein Thermalbad. Ein Mix aus Gewerbe- und Wohnnutzung: unten die Werkstatt, oben das Zuhause. Ein multifunktionaler Raum, wie von Caminada angeregt. Insgesamt sind 14 Entwürfe aller Art entstanden.

Auch an anderen Orten denkbar

Ihm persönlich, sagt Albertin, würden vor allem die Ideen gefallen, die einen Mehrwert generieren, zum Beispiel jene des Kleinhandwerkbetriebs. Da werde das Erdgeschoss aktiv besetzt und das Dorf belebt. «So etwas könnte auch an anderen Orten funktionieren», ist er überzeugt. Er hofft, dass die Arbeiten der Studierenden ein weiterer Beitrag sein können, um Lösungen in der schwierigen Thematik der Stallumbauten zu finden – «auch wir hier in Graubünden machen uns Gedanken um Fragen der Identität. Wir möchten Diskussionen in den Gemeinden auslösen und so vielleicht Initialzündung sein für Projekte.» Eine Ausstellung der Arbeiten vor Ort ist in Planung.

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