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Kühe haben bei ihrer Grösse den Zenit erreicht

Schweizer Kühe werden immer grösser und schwerer. Deshalb sollen künftig bei der Besamung kleinere Stiere zum Zug kommen.

Südostschweiz
14.08.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
In der Schweiz werden die Kühe immer grösser. Ganz anders in Graubünden, dort werden sie seit rund zwei Jahren kleiner.
In der Schweiz werden die Kühe immer grösser. Ganz anders in Graubünden, dort werden sie seit rund zwei Jahren kleiner.
SYMBOLBILD KEYSTONE

In der Schweiz wurden in den letzten Jahren die Kühe im grösser und schwerer - mit teils gravierenden Folgen. Manche Tiere bringen bei mehr als 1,60 Meter Grösse schon über 800 Kilogramm auf die Waage.

«Viele Ställe wurden vor 25, 30 Jahren nach der damaligen Grösse der Tiere gebaut», sagt Michael Schwarzenberger, Tierzuchtlehrer am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg. Für heutige Kühe werde es dort oft sehr eng, vor allem, wenn sie liegen. Zudem trampelten die schweren Rindviecher Wiesen und Weiden kaputt, und sie brauchten nicht nur mehr Futter für die gleiche Menge Milch, sondern auch so viel Energie und Protein, dass sie zusätzlich Kraftfutter haben müssen.

Kühe immer grösser

«Die Kühe werden jährlich 0,3 Zentimeter grösser - dieser Trend muss gestoppt werden», sagt der Präsident des Züchterverbandes Swissherdbook, Markus Gerber. Züchter suchten gerne Stiere zur Besamung aus, die möglichst ergiebige Euter versprechen. Dass bedeute aber automatisch immer grössere Tiere. «Man müsste den Zuchtwert 'Euter' weniger gewichten», so Gerber.

Auf Anfrage von «suedostschweiz.ch» bestätigt auch Thomas Roffler, Präsident des Bündner Bauernverbandes, dass die Tiere in der Vergangenheit tatsächlich immer grösser wurden. «Dieser Trend setzte mit der Möglichkeit der künstlichen Besamung und der damit einhergehenden breiteren Genetik ab den 1970er Jahren ein.» Zuvor seien die Tiere meist kleinwüchsig gewesen. Dennoch habe es bereits vor vielen Jahren, während den 1920er und 1930er Jahren, eine Phase mit grossen und schweren Kühen gegeben, erklärt Roffler.

Bis zu 12'000 Liter Milch

Die knapp 700'000 Schweizer Kühe geben im Schnitt 7'500 Liter Milch im Jahr, rund doppelt so viel wie in den 1960er Jahren. Spitzenkühe kommen auf 12'000 Liter, so Schwarzenberger. «Unser Leitbild ist eine Kuh, die fruchtbar und gesund bleibt und bei möglichst niedrigem Antibiotika-Einsatz das hier wachsende Grundfutter, also Gras und Mais, möglichst effizient in Milch umsetzt.»

Zenit erreicht

Im Kanton Graubünden besteht der Kuhbestand gemäss Roffler zu rund 80 Prozent aus der Rasse «Schweizer Braunvieh». Roffler erkennt bei diesen Tieren im Kanton seit rund zwei Jahren allerdings einen entgegengesetzten Trend. Dennoch sagt Roffler deutlich: «Der Zenit wurde erreicht.»

Anders als auf vielen Schweizer Bauernhöfen, seien in den letzten Jahren im Kanton Graubünden ausserdem viele neue Ställe gebaut und damit auch stark ins Tierwohl investiert worden. Gesundheitliche Beschwerden der Kühe könnten laut Roffler aber ohnehin nicht 1:1 auf die Grösse der Tiere zurückgeführt werden. «Es ist wie beim Menschen. Auch da gibt es sehr grosse Individuen, die keine gesundheitlichen Beschwerden haben.»

Kleinere Bullen sollens machen

Wie bei der Vergrösserung ist auch bei der Verkleinerung der Tiere die Zuchtarbeit der entscheidende Faktor. «Die Zuchtarbeit ist eine komplexe und aufwändige Arbeit. Im Kanton Graubünden hat die Tierzucht einen sehr hohen Stellenwert», so Roffler weiter.

Die «IG Neue Schweizer Kuh» empfiehlt nun Stiere zur Besamung, die kleinere, genügsamere und gesündere Kühe als Nachwuchs versprechen. 500 bis 600 Kilogramm Gewicht bei einer Grösse von 1,40 bis 1,45 Meter sei gut.

Mehr Ökologie

Die Schweiz habe schon in den 90er Jahren beschlossen, in der Landwirtschaft nicht auf maximale Leistung sondern auf mehr Ökologie zu setzen, sagt der Sprecher des Schweizer Bauernverbandes, Hans Rüssli. Seitdem laute die Devise eigentlich: kleinere Tiere mit weniger Appetit. «Aber die Bauern entscheiden selbst, was für sie wirtschaftlich Sinn macht», sagt Rüssli. (sda/so)

 

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