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Wenn Textilien und Elektronik verschmelzen

Eine blinkende Flagge im Fussballstadion oder ein Laken im Spitalbett, das Daten über den Zustand des Patienten sammelt: Dank eines neuen Verfahrens könnten Elektronik und Textilien noch besser miteinander verschmelzen.

Agentur
sda
08.08.18 - 19:00 Uhr
Wirtschaft
Gewebe der Zukunft: Dank eines neuen Fertigungsverfahrens lassen sich optoelektronische Bauteile in Textilien einweben.
Gewebe der Zukunft: Dank eines neuen Fertigungsverfahrens lassen sich optoelektronische Bauteile in Textilien einweben.
Michael Rein, Yoel Fink

Drähte und Computerchips, das klingt zunächst nicht nach etwas, das man gerne auf der Haut tragen würde. Aber Forschende entwickeln immer bessere mit Elektronik-bestückte Fasern, die sich in Textilien einweben lassen. Gibt es bald im Dunkeln blinkende Sport-Shirts, die gleich noch den Puls überwachen?

Ein US-Forscherteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit Beteiligung von Valentine Dominique Favrod von der ETH Lausanne (EPFL) stellt nun im Fachblatt «Nature» ein Verfahren vor, mit dem sich optoelektronische Bauteile in Form von winzigen Chips in durchsichtige Polymerfasern verpacken und in Textilien einweben lassen.

Robust auch in der Waschmaschine

Dabei überwinden die Forschenden zwei Hürden: Zum einen ist die Elektronik der Studie zufolge gut geschützt und übersteht mehr als zehn Waschgänge in einer normalen Waschmaschine. Ausserdem gelang es ihnen, die verwendeten Chips relativ einfach zu verkabeln, was normalerweise sehr aufwändig und kostenintensiv sei, wie Walter Margulis vom Royal Institute of Technology in Stockholm in einem Begleitartikel erklärt.

Die Forscher um Yoel Fink vom MIT machten sich ein Standardverfahren zur Herstellung optischer Fasern zunutze. Dabei wird ein rund 2,5 Zentimeter dicker Polymerstab erhitzt und das viskose Material zu einer nur Bruchteile von Millimetern dicken Faser ausgezogen.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass der Durchschnitt des Stabes dabei auf einen viel kleineren Massstab in der Faser verkleinert wird, aber im Prinzip erhalten bleibt: Drähte, die im Stab einen Millimeter auseinander lagen, sind in der Faser nur noch rund 10 Mikrometer voneinander entfernt, aber trotzdem zuverlässig voneinander isoliert. Ein Chip - oder eine ganze Reihe von Chips - zwischen den beiden Drähten im Stab bekommt beim Ziehen der Faser Kontakt zu den Drähten und wird so verkabelt.

Optisch kommunizierende Stoffe

Dass ihre Methode funktioniert, zeigten die Forscher, indem sie ihre Fasern in Textilien einwebten und verschiedene Leuchtdioden in grün, rot und blau leuchten liessen. Ausserdem konnten sie demonstrieren, dass optische Kommunikation zwischen zwei Textilstücken funktionierte: Lichtpulse einer Faser konnten von einer anderen empfangen werden. Drückte jemand den Finger auf zwei solche Fasern, liess sich auch der Puls der Person messen.

Eine Stärke der Studie sei, dass bereits kommerziell erhältliche optoelektronische Bauteile verwendet wurden, kommentierte Walter Margulis. Noch müsse jedoch das Verfahren verbessert werden, insbesondere weil das Platzieren der Chips im Polymerstab noch von Hand geschieht. Anwendungen könne man sich aber bereits vorstellen, beispielsweise im Spital, um über ein smartes Laken den Zustand von Patienten zu überwachen.

Nerven für Roboter

In einem ähnlichen Bereich forschen auch Wissenschaftler der Materialforschungsanstalt EMPA. Gemeinsam mit Kollegen von der EPFL und der TU Berlin hatten sie kürzlich ebenfalls Fasern für smarte Textilien vorgestellt, die extreme Verformungen aushalten. In diese Faser betteten sie reihenweise Elektroden ein, die Daten über die Verformung vermitteln können, zum Beispiel über Druck oder Zug. Davon berichteten sie im Fachblatt «Advanced Materials».

Solche Fasern könnten auch als künstliche Nerven in der Robotik dienen: Die Forschenden setzten die Faser in einer Roboterhand ein, um ihr einen Tastsinn zu verleihen.

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