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Die Furcht vor den Rosinenpickern

Am Montag diskutiert der Ständerat über den öffentlichen Verkehr. Dabei droht den Randregionen Ungemach. Der Bündner Ständerat Stefan Engler warnt vor höheren Billettpreisen oder einem Leistungsabbau.

Olivier
Berger
26.05.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Das Postauto und der Fernbus könnten sich schon bald nicht nur beim Parkieren in die Quere kommen.
Das Postauto und der Fernbus könnten sich schon bald nicht nur beim Parkieren in die Quere kommen.
OLIVIA ITEM

Für Graubünden gilts gleich zum Auftakt der Sommersession der eidgenössischen Räte ernst. Im Ständerat steht am Montag ein Geschäft an, das Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr hat und auch den Kanton direkt betreffen könnte: die Debatte über die künftige Organisation der Bahninfrastruktur. Für den Bündner CVP-Ständerat Stefan Engler ist vor allem die in diesem Zusammenhang anstehende Diskussion über die Fernbusse «ein verdeckter Angriff auf den Service public» – und das nicht nur, weil er Verwaltungsratspräsident der Rhätischen Bahn (RhB) ist.

«Es könnte fatale Folgen haben»

Engler sorgt sich um die Zukunft des gesamten öffentlichen Verkehrs im Berggebiet. Der Grund: Der Bund möchte privaten Busunternehmen ohne grössere Auflagen erlauben, einzelne Strecken zu bedienen. «Für den Regionalverkehr gerade in Randregionen könnte das fatale Folgen haben», warnt Engler. Er befürchte, dass die privaten Busfirmen die wenigen Rosinen aus dem Kuchen des öffentlichen Verkehrs picken könnten. «An den wenig frequentierten Strecken sind sie aber nicht interessiert.»

Für die bereits bestehenden Unternehmen wie die RhB hätte das den Nachteil, dass sie auf den rentablen Strecken plötzlich Konkurrenz hätten. «Heute ist es aber so, dass wir mit den Erträgen von diesen Strecken den Betrieb in weniger frequentierten Regionen quersubventionieren», sagt Engler. Wenn die Erträge auf den publikumswirksamen Streckenabschnitten sinken würden, hätte das für die Versorgung der Randregionen mit dem öffentlichen Verkehr Folgen. Eigentlich gebe es nur drei Möglichkeiten: «Die Passagiere bezahlen mehr für das gleiche Angebot, die öffentliche Hand muss tiefer in die Tasche greifen, oder es werden Verbindungen eingestellt.»

Ähnlich beurteilt Renato Fasciati die Situation. «Einer direkten Konkurrenzierung des subventionierten regionalen Verkehrs stehen wir ablehnend gegenüber», sagt der Direktor der RhB. Die vom Bund angestrebte Liberalisierung des Fernbusmarkts berge das Risiko der «Aushebelung eines fein austarierten und funktionierenden Systems».

Ergänzen ja, aber nicht mehr

Gegen solche Bedrohungen will Engler im Ständerat Gegensteuer geben. In der Verkehrskommission hat er zwei Anträge eingereicht, um die Vorschläge des Bundesrates zu er- gänzen. Konkret sollen neue konzessionierte Transportunternehmen nachweisen müssen, dass sie «bestehende und von der öffentlichen Hand durch Betriebs- oder Investitionsbeiträge mitfinanzierte Verkehrsangebote ergänzen».

Gegen eine Ergänzung der heutigen Angebote, so Engler, habe er nämlich nichts. «Wenn ein privater Unternehmer einen direkten Nachtbus vom Flughafen in Zürich nach Davos anbieten will, ist das eine gute Sache.» Er wolle nur verhindern, dass Parallelfahrten durchgeführt würden.

Ausserdem will Engler im Gesetz festschreiben, dass die Konzessionen und Bewilligungen für neue Anbieter mit Auflagen versehen werden können. Besonders solle dies «zum Schutz der durch die öffentliche Hand durch Betriebs- und Investitionsbeiträge mitfinanzierten Verkehrsangebote» gelten.

Zuversicht vor der Debatte

Zumindest in der Kommission sind Englers Argumente auf Gegenliebe gestossen. Seine Änderungsanträge werden deshalb als offizielle Haltung der Kommission in die Ständeratsdebatte einfliessen. Widerstand ist allerdings programmiert: Ähnliche Bestrebungen wurden schon bei der nationalrätlichen Behandlung des Themas gebodigt. Weil in Zukunft mit einem höheren Verkehrsaufkommen gerechnet werde, sei gewissermassen genug Verkehr für alle Anbieter da, argumentierte Verkehrsministerin Doris Leuthard damals unter anderem. «Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass der Ständerat die Gefahren für den Regionalverkehr erkennt und meine Anträge annimmt», sagt Engler.

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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Das merkt Herr Engler lamgsam jetzt, wie bei den Wasserzins (GR hat jetzt eine Schlafpause bis 2024 bekommen). Es ist altes Lied in Graubünden, zuerst schlafen, dann jammern und merken, dass man schon wieder verloren hat. Der Kanton hätte schon längsten die Gründung der Graubündner Verkehrsbetriebe (Tochter RhB) vornehmen können, aber auf die Idee kommen sie nicht, dann könnten sie jetzt die Rosinenstrecken ebenfalls anbieten. Es ist vermutlich in den nächsten Jahren zu rechnen, dass die Post aus dem Postautgeschäft aussteigen wird, das Gleiche wird passieren auf dem RhB Netz ab 20.00 Uhr werden auf bestimmten Strecken keine Züge mehr verkehren, sondern Busse und dann wäre Graubünden bereit ( durch die RhB Bus AG) dies zu übernehmen, aber so weit denken unsere Provinzpolitiker und Regierung nicht, gibt halt Arbeit.

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