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Naturfreundin im Silicon Valley

Aufgewachsen ist Marina Glaus in Benken. Heute unterrichtet sie im Silicon Valley. Dort fordern sie die anspruchs- vollen Eltern ihrer Schüler.

Südostschweiz
10.02.18 - 01:00 Uhr
Wirtschaft
Blick vom Walensee aus in die Berge: In Kalifornien vermisst Marina Glaus die heimische Natur.
Blick vom Walensee aus in die Berge: In Kalifornien vermisst Marina Glaus die heimische Natur.

Marina Glaus liebt die Natur und Tiere. Treffpunkt für das Interview ist der Parkplatz am Walensee in Weesen. Der Himmel strahlt blau. Die Sonne scheint. Glaus ist bereits zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin da. Auf dem Parkfeld streunt eine Mischlingskatze herum. Mit dem Vierpfoter freundet sie sich sofort an, streichelt das Büsi. Es folgt ihr nach. Die beiden scheinen sich gar nicht mehr trennen zu wollen. Sie ist zu Besuch bei ihren Eltern, die sich in Weesen eine Wohnung gekauft haben. Im Restaurant «Schwert» muss die Katze allerdings draussen bleiben. Dafür kann sich Glaus jetzt auf Erzählungen aus einer neuen Welt konzentrieren.

Eine glückliche Kindheit

Angefangen hat alles vor 30 Jahren in Benken. Aufgewachsen ist sie mit ihrer jüngeren Schwester Sara. Die beiden haben viel draussen gespielt. In die Schule sei sie gerne gegangen, erzählt die Naturliebhaberin. Mit ihrer Familie war sie regelmässig mit dem Velo oder in den Bergen unterwegs. Ihr liebstes Hobby war schon damals Sport. Sie engagierte sich als aktive Sportlerin und Ausbildnerin. Bei der Leichtathletik-Gemeinschaft Benken trainierte sie fast zehn Jahre lang den Nachwuchs.

Zu ihrem Beruf kam sie mehr zufällig. Während der Kantonsschule in Wattwil erteilte sie Nachhilfe. «Es hat mir grossen Spass gemacht», so Glaus. Sie merkte, wie gerne sie beispielsweise Arbeitsblätter für den Nachhilfeunterricht gestaltete und Fortschritte ihrer Schüler beobachtete. So entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Unterrichten und entschied sich für ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Rorschach. Nach dem Abschluss sammelte sie Berufserfahrung, unterrichtete fünf Jahre lang an der Primarschule in Hombrechtikon. So hatte Glaus Gelegenheit, den Schweizer Schulalltag kennenzulernen.

Aufbruch in die neue Welt

Vor dreieinhalb Jahren erhielt ihr Freund von seinem Schweizer Biotech-Arbeitgeber ein interessantes Jobangebot im Silicon Valley. Die Aussicht auf eine neue Erfahrung reizte das Paar. Die beiden beschlossen, sich auf das Abenteuer einzulassen. Und Kalifornien brachte einige Überraschungen.

Als Erstes seien ihr die hohen Preise aufgefallen, sagt Glaus. «Als Schweizer ist man sich gewöhnt, dass die Preise im Ausland meistens tiefer sind als zu Hause. Im Silicon Valley ist das nicht so.» Speziell die Mieten in der Region seien extrem hoch. Die Wohnung des Paars ist ziemlich klein, weil die Miete für eine grössere Immobilie das Budget gesprengt hätte. Nur auswärts essen zu gehen sei etwas günstiger als in der Schweiz. Glaus legt Wert auf eine gesunde Ernährung und kocht am liebsten selbst – mit möglichst frischen Zutaten.

Bekannt ist die Region vor allem für ihre Technologie-Affinität. Die Innovationskraft der ganzen Tech-Firmen sei in Mountain View, der neuen Heimat, spürbar. Sie zeigt sich zum Beispiel in selbstständig fahrenden Elektrofahrzeugen im Stadtgebiet. Ausserdem sind die neuesten Tech-Gadgets wie Hightech-Uhren sehr präsent. Für die Auswanderin tat sich eine berufliche Perspektive auf. Eine Schweizer Schule gibt es in der Umgebung zwar nicht. Aber eine private deutsche Bildungsstätte. «Eigentlich hat es für mich nur eine reale Chance auf einen Job gegeben und ich hatte Glück, dass es damit geklappt hat», sagt sie.

Eine besondere Schule

Marina Glaus bekam eine Anstellung an der German International School of Silicon Valley (GISSV). Die Schule, an der sie unterrichtet, ist eine zweisprachige Privatschule (Deutsch/Englisch). Für die meisten Kinder sei die Mehrsprachigkeit eine grosse Chance. «Einige sind auch überfordert. Man muss jeden einzelnen Schüler im Auge behalten», so Glaus. Das Ausbildungsinstitut, an dem die Benknerin arbeitet, zählt drei Niederlassungen. Glaus arbeitet im grössten Schulhaus in Mountain View, wo rund 500 Schüler ein und aus gehen. Die Pädagogin unterrichtet eine vierte Klasse. Neben dem Unterricht bietet die Schule eine grosse Auswahl an ausserschulischen Aktivitäten. Musikalität, Kreativität oder Sportlichkeit sollen dabei gleichermassen gefördert werden. Marina Glaus betreut eine Laufgruppe.

Die meisten Eltern sind deutsche Manager von Konzernen wie Mercedes oder BMW, die vorübergehend im Silicon Valley arbeiten und möchten, dass ihr Nachwuchs den Anschluss ans deutsche Schulsystem nicht verliert. An der GISSV kann ein deutsches Abitur abgelegt werden. Das ermöglicht den Absolventen, an einer deutschen Universität zu studieren. Andere Kinder wiederum haben einen deutschsprachigen Elternteil, der die Wurzeln pflegen will. Die Voraussetzungen, welche die Kinder mitbringen, sind auf alle Fälle sehr verschieden. Auch wenn die Schule durch deutsche Einflüsse geprägt ist, gibt es auch einige Schweizer Lehrpersonen. Und in jeder Klasse gibt es laut Glaus im Durchschnitt einen Schweizer Schüler.

Eltern auf der Überholspur

«Die Eltern sind oft sehr erfolgreich. Sie sind es sich gewohnt, Forderungen zu stellen. Und es ist ihnen extrem wichtig, dass ihr Kind eine gute Ausbildung erhält», erzählt Glaus. Ausserdem zahlen sie ein nicht zu unterschätzendes Schulgeld. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Lehrer. Ungefähr eine Stunde pro Tag brauche sie im Durchschnitt für den Mailverkehr mit besorgten Eltern. Auf der Schulagenda stehen neben dem Unterricht verschiedene Veranstaltungen wie etwa das Elternfrühstück vor Weihnachten. Den Eltern sei es auf jeden Fall wichtig, dass sie in Kontakt mit den Lehrpersonen bleiben.

Im Lehrkörper und bei den Schülern gibt es viele Wechsel. Die Angehörigen von Lehrern und Schülern sind oft nur befristet im Silicon Valley tätig. Was ihr in Amerika fehlt, ist der ganze «Versorgungsapparat» hinter dem Lehrkörper. Dabei denkt sie etwa an Heilpädagogen oder Logopäden, die bei Problemen beigezogen werden können. In ihrer Freizeit geht sie ähnlichen Hobbys nach wie bereits in der Schweiz. Weil sie Bewegung braucht («sonst werde ich kribbelig»), hat sie sich einer Laufgruppe angeschlossen. Zwei- bis dreimal pro Woche trifft sie sich mit Lauffreunden.

«Ein Training ist immer auch ein soziales Ereignis», sagt sie. Manchmal frühstücke man gemeinsam oder unternehme sonst etwas. So habe sie wertvolle Freundschaften knüpfen können. Das eine oder andere Training hat die Schweizerin auch schon geleitet. Wenn Glaus nicht für die Schule oder den Sport unterwegs ist, reist sie gerne mit ihrem Partner. Etwa 45 Minuten dauert die Autofahrt ans Meer. Bis zum nächsten Schnee, auf dem Mount Rainier bei Tacoma, dauert es etwas länger. Für Glaus war der Berg trotzdem schon mehrfach eine Reise wert. «Wir geniessen all die Nationalparks sehr», sagt sie.

Kokosnüsse und Pfirsiche

Über die unterschiedlichen Mentalitäten der Amerikaner und der Schweizer hat sie in den Jahren im Mekka der Technologie-Freaks einiges gelernt. Die Schweizer vergleicht sie mit einer Kokosnuss: harte Schale, aber zartes, feines Fruchtfleisch. Die Amerikaner mit Pfirsichen: butterweiches, schmackhaftes Fruchtfleisch und harter Kern. Aber in der Zwischenzeit habe sie gute Freunde gefunden, so Glaus. Was besser oder schlechter sei, darüber will sie nicht urteilen. Es sei einfach anders. Glaus hat gelernt, dass es auch innerhalb der Vereinigten Staaten grosse Unterschiede gibt. Das Silicon Valley und Kalifornien seien im Vergleich mit anderen Landesgegenden sehr aufgeschlossen und liberal. Dass die Bewohner des Golden State sehr gesundheitsbewusst sind, kommt ihr mit ihrem Lebensstil entgegen.

Wenn man weg sei, lerne man Dinge in der Schweiz schätzen. Glaus würde sehr gerne in den Grossraum Zürichsee zurückkehren. Sie hätte gerne eine eigene Katze. Aber im Silicon Valley geht das nicht so gut. Vor allem, wenn man überzeugt ist, eine Katze sollte jederzeit raus können. Aber das Paar plant, irgendwann in die Schweiz zurückzukehren. Dann dürfte es auch mit der Katze klappen.

In der Serie «Fernsicht» porträtiert die «Südostschweiz am Wochenende» in loser Folge Menschen, die ihre Heimat, das Linthgebiet, verlassen haben und heute im Ausland oder in anderen Landesgegenden der Schweiz leben. Das können bekannte oder anderweitig interessante Personen sein, die in der Region aufgewachsen sind. Vorschläge für Porträts sind jederzeit herzlich willkommen. Interessierte können sich unter gastersee@suedostschweiz.ch melden.

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