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Für langjährigen Glarner Beizer ist das Glas halb voll

Das Beizensterben im Glarnerland findet mit der Schliessung des traditionsreichen «City» in Glarus den bisherigen Höhepunkt. «Route 66»-Wirt Marc Brunner sucht nach Erklärungen – und malt nicht schwarz.

Paul
Hösli
03.02.18 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Sieht für die Glarner Beizen eine Zukunft: Marc Brunner führt seit 20 Jahren die Bar «Route 66» in Glarus.
Sieht für die Glarner Beizen eine Zukunft: Marc Brunner führt seit 20 Jahren die Bar «Route 66» in Glarus.
SASI SUBRAMANIAM

Wo soll man noch sein Feierabend-Bier trinken? So lautete wohl in so mancher Runde die Frage in letzter Zeit. Zuerst die «Linden-Bar», dann der «Ochsen» und das «Buffet» und als trauriger Höhepunkt das legendäre «City», im Herzen des Glarner Hauptortes. Vier Beizen sind in kürzester Zeit in Glarus von der Bildfläche verschwunden. Es ist zu befürchten, dass im Glarnerland weitere folgen. Zumindest für den «Ochsen» zeichnet sich ein Happy End ab (siehe Artikel unten).

Die Gründe für das Beizensterben sind vielschichtig. Und sie treffen viele ländliche Regionen der Schweiz. Während einige Wirte eine neue Herausforderung suchen wie Zorica Jurceva vom «Ochsen» oder Zsanett Kovàtsik von der «Linde», wurden andere zu diesem Schritt gezwungen. Das «Buffet» am Bahnhof in Glarus muss einem Migrolino weichen, während «City»-Wirt Thomy Zimmermann Insolvenz anmelden musste. «Es blieb mir nichts anderes mehr übrig, als die Bücher zu deponieren», so der 37-Jährige.

Schattenseiten kennengelernt

Einer, der sich in der Beizenszene bestens auskennt, ist der Glarner Marc Brunner. Seit 20 Jahren führt er erfolgreich das «Route 66» in Glarus. Die Bar an der Landstrasse trotzt allen Gegebenheiten und erfreut sich grosser Beliebtheit. «Ich kann auf eine treue Stammkundschaft zählen, die seit jeher zu mir kommt. Zudem gewinne ich viele Junge dazu», erklärt der 43-Jährige.

Aber auch er hat sich am Herd schon die Finger verbrannt. Seine Speiserestaurants «Route 66 Steakhouse» und das «Bergli» florierten nicht. «Das war schon immer so. Mit einer Bar verdient man Geld. Der Gast ist eher bereit, drei Bier zu bezahlen, als ein Rindsfilet.» Brunner räumt aber unumwunden ein, «dass ich damals grundsätzliche Fehler gemacht habe. Dies kann man mit der heutigen Situation nicht vergleichen.»

«Obwohl», fährt er fort, «das Konsumverhalten der Leute hat sich in den vergangenen zehn Jahren sicher verändert». Die Digitalisierung etwa geht an den Gastrobetrieben nicht spurlos vorbei. «Früher ging man in die Beiz, um von den Ferien zu erzählen, oder was man sonst so erlebt hat. Heute weiss das aufgrund der sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram schon jeder vorher.» Auch die Senkung der Promille-Grenze oder das Rauchverbot hätten das Leben der Beizer nicht einfacher gemacht.

Trotzdem möchte Marc Brunner das Wort Beizensterben nicht in den Mund nehmen. «Dass nun gleich so viele Beizen in Kürze schliessen mussten, ist eher Zufall. Das gab es schon früher und ist nicht aussergewöhnlich.» Die derzeitige Situation sei einfach zu erklären: Einige wollen sich neu orientieren, oder der «Sternen»-Wirt in Netstal ging in Pension. «Schön für ihn», so Brunner mit einem Lachen.

Lösungen in Sicht

Gut findet Brunner die Entwicklung dennoch nicht. Schadenfreude, dass er dadurch mehr Kunden gewinnen könnte, kommt erst recht nicht auf. «Es ist immer schade, wenn eine Beiz schliesst. Ich denke, ich habe mehr davon, wenn drumherum mehr läuft. Da kann ich eher profitieren. Die Vielfalt ist wichtig für die Beizenszene.»

In die gleiche Kerbe schlägt Rauti-Snack-Besitzer Tahir Taqi. Die Take-away-Läden in Glarus könnten die Profiteure sein. Doch Taqi befürchtet das Gegenteil: «Wenn die Restaurants in der Umgebung schliessen, habe auch ich weniger Kunden, weil dann weniger Leute nach Glarus kommen.»

Marc Brunner sieht aber den Silberstreifen am Horizont. Denn neben dem «Ochsen» zeichnet sich auch für den «Sternen» in Netstal eine Lösung ab. «Ich bin überzeugt, dass es auch für das ‘City’ eine geben wird. Es ist ein guter Platz und dieser hat eine gute Seele verdient.» Am ehemaligen Besitzer, Thomy Zimmermann, sollte es nicht scheitern. «Ich werde alles daran setzen und meine Hilfe in jeder Beziehung anbieten, dass ein würdiger Nachfolger gefunden werden kann.» Vor allem dürfe daraus kein Kleidergeschäft entstehen oder eine Versicherung einziehen. «Dann gehe ich auf die Barrikaden», so der Stadtglarner kämpferisch.

Keine Angst vor der Zukunft

Dass es in Glarus möglich ist, eine Beiz erfolgreich zu betreiben, davon ist Marc Brunner überzeugt. «Wenn man gegenüber den Gästen eine ehrliche Gastronomie führt, als Wirt Präsenz markiert, freundlich ist und vernünftige Preise anbietet, dann kann man als Beizer überleben.» Er wünscht sich dennoch ein Entgegenkommen von verschiedenen Seiten. «Über die Mietpreise müsste man sich Gedanken machen. Diese sind zu hoch und stammen noch aus früheren Zeiten. Entweder soll der Vermieter investieren, oder zumindest mit der Miete entgegenkommen», so der Appell von Brunner.

Auch am Handeln der Gemeinde findet er keinen Gefallen. «Bei Gemeindeprojekten wird zu stark auf den Mieter eingegangen, es ist wie ein Wunschkonzert und ein Eingriff in die Privatwirtschaft – mit unseren Steuergeldern. Die Gemeinde konkurriert, was ich nicht fair finde.» Trotz der schwierigen Umstände: Bei Marc Brunner im «Route 66» wird man auch in Zukunft sein Feierabendbier bekommen. «Mir gefällt es noch immer, und das Route wird sicher nicht schliessen.»

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

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Es stimmt nicht das das Beizensterben nicht an der Tages Ordnung ist.Das Beizensterben gibt es schon über 40 Jahre.UNd das im ganzen Kanton.Wo sind den die Beizen in Schwanden geblieben:Rest.Schönengrund .Rest.Central.Rest.Rössli ,Schwanderhof u s w.Dasselbe in Niederurnen .Rest.Bahnhöfli,Krone mit Saal.Rest.Mühlegasse .Rest.Eidgenossen.Rest,Höfli.Rest,Hirschen mitten im Dorf.Rest,mit Saal Löwen.Rest.Ziegelbrücke. Anstelle diese reizen sind meistens Immobilien hergestellt worden.Von wegen kein Beizensterben in den Dörfern.auch Nestal hatte mal eine Salmen .Harmonie mit Saal.ein Rest.Rathaus.Rest.Jägerstübli und sogar noch ein Rest.Eidgenossen. Und Oberurnen ein Rössli +Frohsinn.Nur das wegen kein Beizensterben in den Dörfern des Glarner Landes.Könnte noch viele beizen erwähnen ,die nicht mehr da sind.
W.Grämer Niederurnen

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