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Herden wachsen nur, wenn mehr Gitzi gegessen wird

Bündner Landwirte möchten mehr Geissen halten. Doch dafür müsste man neue Absatzkanäle für Ziegenfleisch finden. Und der Konsument müsste seine Vorurteile abbauen.

Südostschweiz
04.12.17 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Will Ziegenfleisch besser vermarkten: Stefan Geissmann, Berater für Kleinwiederkäuer am Plantahof.Bild Olivia Item
Will Ziegenfleisch besser vermarkten: Stefan Geissmann, Berater für Kleinwiederkäuer am Plantahof.Bild Olivia Item

Ausser an Ostern wird in der Schweiz kaum Gitzifleisch gegessen. Nur gerade 70 Gramm wurden im letzten Jahr pro Kopf verzehrt. «Das ist sehr wenig», sagt Stefan Geissmann, Berater für Kleinwiederkäuer am Plantahof und Geschäftsführer des Bündner Ziegenzuchtverbandes. Gleichzeitig erhält Geissmann regelmässig Anfragen von Bündner Landwirten, die Geissen halten oder ihre Herde vergrössern möchten. Als Alternative zu Milchkühen etwa oder als Ergänzung zu Mutterkühen.

Doch der Berater für Kleinwiederkäuer dämpft die Erwartungen: «Das Ganze muss organisch wachsen.» Damit meint Geissmann: Bei den Konsumenten muss zuerst das Bewusstsein für den Milchkreislauf da sein. Produkte aus Ziegenmilch werden nämlich vermehrt gekauft. Für die Milch muss die Geiss jedoch jährlich ein oder mehrere Gitzi werfen. Und das heisst eben: Fleisch fällt an.

Einige wenige Geissbetriebe

In Graubünden gebe es einige wenige Betriebe, die ausschliesslich von Geissen lebten und diverse, die neben Kühen eine grössere Ziegenherde hielten, erklärt Geissmann. Von den rund 10 000 Geissen im Kanton sind 1800 Herdbuchtiere, also im Zuchtbuch eingetragen. Für rund 4000 Gitzi hat man bis jetzt Abnehmer gefunden. Wenn aber mehr Geissen gehalten werden, muss man neue Absatzkanäle finden. In der Verkaufsvitrine von Metzgern liegt junges Ziegenfleisch nämlich noch kaum auf. Und Gross- abnehmer würden Gitzifleisch nur an Ostern anbieten, so Geissmann. «Sonst ist ihnen das Risiko zu gross.»

Viel Aufwand, wenig Fleisch

Dazu kommt: Die Verarbeitung von Gitzifleisch ist recht aufwendig. Bei einem leichten Tier fällt verhältnismässig wenig Muskelmasse an. Geissmann hat deshalb zusammen mit Pro Specie Rara das Projekt «Herbstgitzi von Bündner Strahlenziegen» initiiert. Die Zicklein, die im Frühling zur Welt kommen, verbringen einen Sommer auf der Alp und werden erst im Herbst geschlachtet. «So können die Gitzi einen Sommer auf den Bergweiden verbringen und haben im Herbst ein höheres Schlachtgewicht», erklärt der Ziegenfachmann. Allerdings gleicht die Sache einer Punktlandung: Im Herbst müssen genau so viele Gitzi geliefert werden, wie die Konsumenten im Frühling bestellt haben.

Mehr Messen, mehr Degustationen

Am Preis für Gitzifleisch gibt es für Geissmann nichts zu rütteln. «Wir müssen aber die Produkte besser positionieren», sagt er. Deshalb will man vermehrt an Messen, Ausstellungen und Events präsent sein. Und dort mit Degustationen und Versucherli die Vorurteile gegenüber Gitzifleisch abbauen. «Auch wenn man jeden Kunden einzeln überzeugen muss.» Potenzial für mehr Ziegen wäre im Kanton jedenfalls vorhanden. Einerseits topografisch: Fast ganz Graubünden ist für Geissenhaltung geeignet. Anderseits hat die Ziegenhaltung Tradition: Urtypisch ist etwa die Pfauenziege, die Bündner Strahlenziege oder die Capra Grigia.

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Wäre toll, GR käme weg von Kampfkühen/stieren und vor allem Tierglocken. Aber die netten Ziegen warum denn essen? Zitat: "Dazu kommt: Die Verarbeitung von Gitzifleisch ist recht aufwendig. Bei einem leichten Tier fällt verhältnismässig wenig Muskelmasse an." Setzen wir die entzückenden Tierli doch als Gesundheits-Tourismusbegleiter (Schrittzähler!) ein (ein toller Artikel war mal in der SO-Wochenendausgabe, muss ich gleich im SO-Archiv suchen oder weiss es jemand noch und könnte es mir hier mitteilen?), würde wohl herzwirksamer wirken als so mancher uninspirierte Psychotherapeut mit HoHo (Hoch-Honorar).

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