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«Die Schweiz hat einen Vorteil»

Solartechnologie ermöglicht auch hierzulande neue Energiewege. Vor dem grossen Durchbruch bei der Fotovoltaik stehe das Problem der Speicherung und Weiterleitung des Stroms, sagt Christof Biba von der Hochschule Rapperswil.

Jérôme
Stern
27.10.17 - 15:58 Uhr
Wirtschaft
Christof Biba zeigt auf dem Dach der Hochschule Rapperswil ein hochflexibles Sonnenenergiemodul.
Christof Biba zeigt auf dem Dach der Hochschule Rapperswil ein hochflexibles Sonnenenergiemodul.
MARKUS TIMO RÜEGG

Christof Biba ist Professor am Institut für Solartechnik der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Im Rahmen des heutigen «Energy Day» (siehe Kasten) hält er an der Hochschule einen öffentlichen Vortrag zum Thema Solarenergie. Die «Südostschweiz» befragte Biba ihm Vorfeld zu seiner Arbeit und dem Stand der Stromerzeugung aus der Sonnenenergie.

Christof Biba, das Institut für Solartechnologie (SPF) geniesst schweizweit einen hervorragenden Ruf. Auf welchem Gebiet forschen Sie zurzeit?

Christof Biba: Unsere Forschung geschieht momentan vor allem der Systemebene. Das heisst, wir untersuchen, wie die verschiedenen Komponenten der Solarenergie möglichst effizient zusammenspielen.

Kürzlich schwärmten Sie in einem Artikel von Bertrand Picards Weltumrundung mit einem Solarflugflugzeug. Was hat die Aktion gebracht?

Mit seinem Projekt hat er nicht nur die Öffentlichkeit erreicht, sondern auch viele Themenfelder angesprochen, an denen noch gearbeitet werden muss.

Gehört auch die Speicherfähigkeit von Batterien zu diesen Feldern?

Ja. Die Fotovoltaik nimmt heute eine Dimension an, bei der die Weiterleitung und Speicherung der Energie immer wichtiger wird.

«Letztlich muss die Frage gelöst werden, wie ich den Sommerüberschuss in den Winter schieben kann.»

Wo stehen wir punkto Energiedichte von Batterien heute?

Bei den neuesten Lithium-Ionen-Batterien liegen wir heute bei rund 0,2 Kilowattstunden pro Kilogramm.

Welchen Wert erzielt im Vergleich dazu ein moderner Benzinmotor?

Bei Benzin erzielt man 8,7 Kilowattstunden pro Kilogramm. Das ist deutlich mehr, dafür aber nur einmal nutzbar.

Was bedeuten diese unterschiedlichen Werte für Elektro-Fahrzeuge?

Die geringere Energiedichte führt zu mehr Gewicht. Das ist ein Problem. Das zweite Hindernis ist, dass bei der Herstellung von Batterien Materialien verwendet werden, die bei grossen Stückzahlen knapp werden könnten.

«Von 100 Prozent einfallendem Sonnenlicht wandeln gute Module rund 20 Prozent in Strom um.»

Der Elektroauto-Hersteller Tesla vermarktet zurzeit erfolgreich leistungsstarke Fahrzeuge. Wie löst Tesla die Batteriefrage?

Ja. Tesla verwendet für seine Fahrzeuge die gleiche Batteriezellen-Technologie, wie sie zum Beispiel bei Werkzeugen oder E-Bikes genutzt wird. Damit kann der Hersteller den Standard übernehmen, der in diesem Bereich verwendet wird. Weltweit hat die Produktion von solchen Batterien extrem zugenommen.

Solche Batterien werden zum überwiegenden Teil in Asien hergestellt. Kann Europa den Rückstand aufholen?

Wir hinken eindeutig hinterher. Meine Hoffnung ist, dass beispielsweise die deutschen Automobilhersteller in die Fabrikation von Batterien investieren. Allerdings ist Elektromobilität nur sinnvoll im Zusammenhang mit erneuerbarer Energieerzeugung. Mit der Energiewende wird sich auch die Elektromobilität entwickeln. Dabei sollte man nicht grosse, schwere Autos bauen, sondern massentaugliche, leichte und kleine Fahrzeuge.

Ihr Spezialgebiet ist Fotovoltaik, also die Erzeugung von Strom durch Sonnenenergie. Welchen Wirkungsgrad erreichen Solarstromanlagen aktuell?

Von 100 Prozent einfallendem Sonnenlicht wandeln gute Module rund 20 Prozent in Strom um. Im Gesamtsystem stehen letztlich 17 bis 18 Prozent zu Verfügung. Wenn ich den Strom direkt im Haus nutze, dann habe ich diese Energie eins zu eins zur Verfügung. Falls ich den Strom in eine Batterie oder übers Netz schicke, habe ich Verluste.

«Bei der Solartechnik kann die Schweiz Technologieführer werden – wenn der globale Trend in diese Richtung geht.»

Macht Fotovoltaik in der Schweiz Sinn, wo lediglich im Sommer genug Sonneneinstrahlung einfällt?

Ja, das macht Sinn. Dass hierzulande im Winter nur 25 Prozent der jährlichen Sonnenenergie zur Verfügung stehen, ist allerdings eine Herausforderung. Langfristig aber lässt sich über Sektorenkopplung – also der Verbindung des Strom-, Wärme- und Mobilitätssektors – sowie über Speichertechnologien und Energiemanagement dieses Problem lösen. Hinsichtlich der Stromproduktion hat die Schweiz aber den grossen Vorteil von Speicherseen mit grossen saisonalen Speichervolumen. Da sind die Potenziale relativ gross. Zudem muss man eine solche Energieproduktion mit anderen erneuerbaren Energiequellen koppeln. Windenergie wäre hierfür eine Möglichkeit. Jedenfalls muss man verschiedene Strategien dort einbinden. Und man muss natürlich auch die europäische Verkoppelung im Auge behalten. Das gibt nochmals sehr viele Verschiebungsmöglichkeiten.

Damit wären wir wieder beim Problem der Speicherung ...

Ja. Als langfristiges Konzept ist dafür «Power to Gas» eine Option. Dabei nutzt man den Strom für die Elektrolyse von Wasserstoff und erzeugt Methan, den man ins Gasnetz einspeisen kann.

«Dass hierzulande im Winter nur 25 Prozent der jährlichen Sonnenenergie zur Verfügung stehen, ist eine Herausforderung.»

Skeptiker sagen, die solare Energieproduktion biete zu wenig Versorgungssicherheit. Ist das Argument stichhaltig?

Das ist eine Frage der Technologien, die man einsetzt. Man kann mit entsprechenden Speichertechnologien und Ersatzkraftwerken eine 100-prozentige Versorgungssicherheit erreichen. Aber dafür braucht es einen längerdauernden Prozess, um dahin zu kommen. Das geht zwar nicht von heute auf morgen, aber wenn man das will, kann man schon relativ schnell ziemlich viel erreichen.

Dafür braucht es aber den politischen Willen und günstige wirtschaftliche Bedingungen ...

Ganz klar. Um einen solchen Wandlungsprozess hinzukriegen, müssen alle gesellschaftlich relevanten Player mitspielen. Die Bürger müssen das wollen, das industrielle Umfeld ebenso. Ausserdem braucht es gut ausgebildete Menschen für diesen Prozess. An der HSR leisten wir dazu unseren Beitrag.

Welche Chancen hat die Schweiz hinsichtlich der Solartechnik?

Wenn man dran glaubt, dass der globale Trend in diese Richtung geht, kann sie Technologieführer werden. Zum Beispiel bei der Fassadenintegration von farbigen Fotovoltaik-Modulen. Das kann wirtschaftlich grosse Vorteile bringen.

Energy Day 2017
Am Samstag, 28. Oktober, ist schweizweit der Stromspartag. Wobei der jährliche Anlass stets am Tag vor der Umstellung auf die Winterzeit stattfindet. Aus diesem Anlass hat der Verein Natur Uznach Schmerikon zusammen mit der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) einen öffentlichen Vortrag organisiert. Zum Thema Solarwärme und Fotovoltaik spricht Christof Biba, Professor am HSR-Institut für Solartechnik (SPF). Der Vortrag findet von 10 bis 12 Uhr an der Hochschule für Technik Rapperswil statt. In seinem Vortrag zeigt Biba, wo die Solartechnik heute steht. Er erklärt, woran aktuell geforscht wird und wie Wissenschaftler des HSR-Instituts die Zukunft der Solartechnik sehen. An diesem Anlass wird nicht nur geredet, vielmehr gibts eine Führung durch die Labors des Solarinstituts. Dabei erhalten Gäste einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte und sehen die Infrastruktur des SPF. Auch andere alternative Methoden zur Energieerzeugung werden behandelt.

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