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Die ewige Hypothese: Ist Wein gesund?

Wie gesund ist der Konsum von Rotwein? Und wann wird er zum Problem? «Südostschweiz Online» hat nachgefragt.

Südostschweiz
21.10.16 - 17:38 Uhr
Ereignisse

Es ist ein schmaler Grad vom gesunden Alkoholkonsum in eine Sucht. Wir haben uns die beiden Seiten der Medaille mit Rahul Gupta näher angeschaut. Gupta ist Co-Chefarzt Spezialpsychiatrie und Psychotherapeutische Tagesklinik der Psychiatrischen Dienste Graubünden. Zu seinen psychiatrischen Schwerpunkten zählt Gupta nicht zuletzt die Suchtbehandlung.

Herr Dr. med. Rahul Gupta: Sie werden oft mit negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums konfrontiert. Doch es gibt auch andere: Was ist der positive Effekt auf den Körper?

Es gibt die Theorie, dass Wein durchaus eine positive Wirkung haben könnte. Auf sie gestossen ist man in den Siebzigerjahren. Die Rede ist hier vom französischen Paradoxon, weil man gesehen hat, dass die Franzosen, die eigentlich viel rauchten und sich fettig ernährten, anscheinend weniger mit Herz-Kreislauf-Problemen zu kämpfen hatten. Die Hypothese: Der regelmässige Rotweinkonsum trug dazu bei. Man untersuchte dies weiter und es scheint so zu sein, dass gewisse Stoffe im Wein einen schützenden Effekt auf unser Herz-Kreislauf-System haben. Allerdings: Bewiesen ist dieser positive Effekt bis heute nicht. Es bleibt bei der Hypothese, dass geringe Mengen von Rotweinkonsum einen schützenden Effekt haben.

Wie viel Wein pro Tag ist denn «gesund»?

Der gesundheitsfördernde Effekt wäre beim einem Deziliter pro Tag.

Gibt es einen Unterschied zwischen Mann und Frau?

Die 0,1 Liter gelten für den Mann und für die Frau. Generell verarbeiten die beiden Geschlechter Alkohol jedoch unterschiedlich. Das schlägt sich auch bei der Suchtbehandlung der Psychiatrischen Dienste Graubünden nieder: Auch wir ziehen eine unterschiedliche Grenze, was kritischen Alkoholkonsum angeht.

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Dr. med Rahul Gupta.

Was solls sein: Rot- oder Weisswein?

Die Hypothese vom gesundheitsfördernden Wein gilt nur für den Rotwein. Denn nur bei ihm wird die ganze Traube verwendet inklusive Schale. Die Vermutung liegt nahe, dass gerade die schützenden Stoffe in eben dieser Schale enthalten sind.

Wir sind bei der Kehrseite des Weinkonsums angekommen: Wo liegen die Gefahren?

Einerseits kann der Weinkonsum zu einer Abhängigkeit führen und damit ganz viele Folgeschäden produzieren, vor allem körperliche. Alkohol hat eine negative Wirkung vor allem auf die Leber, aber auch auf das Gehirn und Herz-Kreislauf-System. Die Folgen sind gravierend.

Das Problem dürfte sein, dass der Übergang vom gesunden Konsum in eine Sucht gar nicht bemerkt wird.

Dem ist so. Der Übergang ist schleichend, viele Menschen nehmen den veränderten Konsum gar nicht so wahr, es kommt zur Wahrnehmungsverzerrung. Das Umfeld ist es, welches die Sucht erkennt. Dieses wiederum weist zwar auf das Suchtproblem hin, doch die Betroffenen wollen es nicht wahrhaben. Das hat nicht zuletzt mit Scham- und Schuldgefühlen und einer gewissen Verkennung zu tun.

Was kann das Umfeld tun, wenn es merkt: Jemand trinkt mehr als seinen Deziliter pro Tag?

Ich rate immer, die Dinge klar anzusprechen. Nicht vorwurfsvoll, sondern unterstützend mit einem Gesprächsangebot, in welchem man hinweist, dass der gegenwärtige Konsum durchaus auch negative Konsequenzen hat. Das wird etwa nötig, wenn der Betroffene zu spät zur Arbeit kommt, wichtige Termine der Kinder in der Schule verpasst etc.– dann sind das klare Warnhinweise, die man ansprechen sollte.

Sind die Psychiatrischen Dienste Graubünden häufig mit Suchtfällen konfrontiert, deren Auslöser explizit der Wein ist?

Wir haben durchaus Patienten, die «nur» Wein trinken und sich das zu einem Problem entwickelt hat. Ebenso ist es aber beim Bier und bei härteren Getränken der Fall. Generell lässt sich sagen: Männer greifen eher zum Bier, Frauen zum Wein.

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