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Ein- und Ansichten eines Monuments

Manchmal ist Geiz eben schon so geil, wie uns die Werbung glauben machen will. Das wissen wir seit der 14. Etappe der «Südostschweiz»-Wandertage.

Olivier
Berger
06.08.17 - 16:06 Uhr
Leben & Freizeit

Es ist eigentlich der beste Weg, sich der Salginatobel-Brücke zu nähern. Das weiss die «Südostschweiz»-Wandergruppe aber noch nicht, als sie sich in Kehren vom Schierser Dorfkern den Berg hinauf kämpft. Unbarmherzig brennt die Sonne vom Himmel, und der satte Anstieg macht den Start zu dieser 14. Etappe nicht einfacher. Die Laune verderben lässt sich von den ersten 100 Höhenmetern allerdings niemand, und tatsächlich: Bald wird es flacher, angenehmer.

Das Monument im Wald

Es ist ein Tag der Auf-, Ein- und Aussichten, und alle drehen sie sich um die Brücke, die in den Jahren 1929 und 1930 als innovative Ingenieurleistung von Robert Maillard geplant und realisiert wurde. Die erste Begegnung mit der Brücke ist eine Aufsicht: Urplötzlich ist sie da, unter uns, ein unerwartetes Bauwerk, das man in einer Stadt vermuten würde, aber nicht über einem Prättigauer Tobel.

Eigentlich hätte Maillard durchaus seine Idee einer Bogenbrücke aus Stahlbeton gerne in einer Stadt realisiert. Die Berner aber, verrät uns Sami Wyss vom Verein Salginatobel-Brücke, sie wagten den Bau nicht. Zu neu war Maillards Technologie damals. Und so landete die Brücke hier, zwischen Schiers und Schuders, und ermöglichte den Strassenverkehr zwischen den beiden Orten. Zuvor nämlich hatten die Schuderser dem Heimweg auf jenen steilen Wegen in Angriff nehmen müssen, die wir gerade begangen sind. Dabei mussten sie allerdings auch noch erst 80 Meter ins Tobel hinab- und weiter oben die gleichen 80 Meter wieder hochkraxeln, wie der Schierser Gemeindepräsident Christoph Jaag erklärt.

Sowohl Jaag wie auch Wyss wissen auch, wieso Maillard die Brücke im Prättigau überhaupt bauen durfte. Einen Wettbewerb habe es damals gegeben, erzählt Wyss; gut zwei Dutzend Projekte seien eingereicht worden. Dass am Ende die revolutionäre Betonbogenbrücke erstellt wurde, hatte einen äusserst profanen Grund: Maillards Projekt war schlicht das günstigste. Keine 200 000 Franken kostete der Bau der gut 132 Meter in rund 90 Metern Höhe. Das Kies sei damals mangels Helikoptern und ausreichend Camions mit einer eigens zu diesem Zweck erstellten Bahn von einer nahen Kiesgrube herbeigeschafft worden; der flache Teil unseres Anmarschs sei der einstigen Trasse gefolgt.

Im Bauch der Brücke

Wie man mit wenig Geld eine Brücke baut, die es bald ins Unesco-Welterbe schaffen soll, erklärt uns auf der anderen Seite des Tobels – und nach einem Ausblick in die Tiefe – Andreas Kessler, Autor zweier Bücher über das Schierser Weltmonument. Auf den Ausblick und Ausführungen von Marcus Valaulta, ebenfalls Mitglied des Brückenvereins, gibts Einblicke – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Brücke nämlich, sie ist teilweise hohl. Und so klettern wir die steilen Bogen hinauf von dunkler Kammer zu dunkler Kammer. Hier, im Bauch der Brücke, ist es kühl und still. Wie hoch die 90 Meter sind, welche die Brücke über dem Bach thront, können wir später selber ausprobieren: auf einem steilen Abstieg hinunter ins Tobel.

Der akustische und filmische Rückblick:

 

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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