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Vor 100 Jahren fuhr die RhB elektrisch nach Davos

Heute wird über die Elektrifizierung des Verkehrs diskutiert. Wir vergessen aber, dass genau vor 100 Jahren das Thema in ähnlicher Form, aber mit anderen Gründen, aktuell war.

Davoser
Zeitung
15.04.21 - 16:48 Uhr
Tourismus
Um die Verkehrstauglichkeit der Strecke zu überprüfen, fanden Versuchsfahrten mit einer 
1200 PS starken Lok statt.
Um die Verkehrstauglichkeit der Strecke zu überprüfen, fanden Versuchsfahrten mit einer 
1200 PS starken Lok statt.
zVg/firmengeschichtliche Dokumentation Baumann Koelliker

Heute bewegen der Klimawandel und die CO2-Problematik die Masse. Kaum jemand mag sich erinnern, mit welcher grosser Freude die mit Kohle befeuerten Eisenbahnen dazumal aufgenommen wurden.
Für die RhB, deren erste Lokomotiven zwischen Landquart und Klosters bereits am 9. Oktober 1889 dampften, brauchte es energiereiche Steinkohle. Die eigenen, spärlichen Kohlevorkommnisse in der Schweiz waren schnell ausgebeutet. Nur durch den Import aus Deutschland und Frankreich konnte Kohle in genügender Menge beschafft werden.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde aber die eingeführte Kohle knapp, zeitweilig wurde die Einfuhr sogar ganz eingestellt. Die Preise für die Importkohle stiegen bald einmal auf das Dreifache und machten den Bahngesellschaften schwer zu schaffen. Gezwungenermassen wurde auf Holzfeuerung umgestellt. So verfeuerte die RhB rund 27 000 Kubikmeter Holz. Das hatte aber wenig Brennwert und war auch umständlich zu handhaben. Das Holz fehlte dann als wertvolles Baumaterial. War das nun das Ende der neuen Verkehrsmittel, oder gab es Alternativen?

Ein Montagezug befährt das Landwasser-Viadukt. Das Bauwerk gehört zur Albula-Linie, 
die 1919 elektrifiziert worden ist.
Ein Montagezug befährt das Landwasser-Viadukt. Das Bauwerk gehört zur Albula-Linie, 
die 1919 elektrifiziert worden ist.

Lötschberg als Vorbild

Mit dem Aufkommen der Elektrizität als neue Energie und der Gründung vieler Elektrizitätswerke rund um die Jahrhundertwende konnten auch die Modernisierung und der Kohleersatz auf Bahnstrecken angedacht werden. Wasserkraft für die Erzeugung von Elektrizität gab es in Graubünden genug. Zwischen 1910 und 1913 wurde die Strecke Spiez–Frutigen–Brig der Lötschbergbahn BLS elektrifiziert, also war es auch nicht mehr technisches Neuland.
Initiant und treibende Kraft der Elektrifizierung der RhB war Dr. Planta, der erste Präsident der 1904 gegründeten Kraftwerke Brusio AG. Ihr Werk Campocologno exportierte den Hauptteil der erzeugten Energie nach Italien. Eine Transportleitung über die Alpen fehlte. Erst 1908 entstand die Berninaleitung, und somit war die Energie auch für das Netz der RhB verfügbar. Bever–Scuol-Tarasp war 1913 die erste elektrische Strecke. Mit ihr konnten Erfahrungen gesammelt werden. Die Siemens-Schuckertwerke lieferten die Ausrüstungen.
Nachdem der Bund 1919 ein grosszügiges Darlehen von 17 Millionen Franken für die Förderung der Privatbahnen zur Verfügung stellte, war der Weg frei für die Elektrifizierung der Strecken in Davos und im Prättigau. 1919 wurde zwischen Davos Platz und Filisur elektrifiziert.
Den Auftrag zum Bau der elektrischen Fahr- und Speiseleitungen für diese Strecken erhielt die Zürcher Firma Baumann, Kölliker & Co. Neben dem Aargauer Leitungsbauer Kummler und Matter hatten sie genügend Erfahrung in solchen Arbeiten. Sie bauten schon 1912 und 1913 alle elektrischen Bahnleitungen der Lötschberg-Südrampe.

Feinsäuberlich listete die Firma Baumann, Kölliker & Co alle Abänderungen auf.
Feinsäuberlich listete die Firma Baumann, Kölliker & Co alle Abänderungen auf.

Holzmasten für die Strecke

Für die Erstellung gab es noch wenig Bedingungen, dafür die allgemeine Aufforderung: «Die gesamte Leitungsanlage soll mit grosser Sorgfalt erstellt werden, und es soll nur das beste Material zur Verwendung kommen.»
Die wenigen elektrotechnischen Materialien waren bahneigene Konstruktionen, oder es war Material aus dem Freileitungsbau, das für die Fahrleitung abgeändert wurde. Für die Einrichtungen des Blitzschutzes, der Leitungsschalter und der Streckentrenner waren die Erfahrungen der Engadinerstrecke massgebend, hatten sie sich dort dort sechs Jahre bewährt. Als Tragwerke für die Leitungen wurden unimprägnierte Lärchenholzmasten verwendet. Nur in den Stationen wurden Eisenkonstruktionen erstellt. Die Fahrleitungsmasten wurden neben dem Bahntrasse in einen Betonsockel gestellt und mittels Steinen, Sand und Zement-Aufguss festgekeilt.
Da elektrische Leitungen bei einer Gebirgsbahn nicht etwas Alltägliches waren, musste die Verkehrstauglichkeit der Strecke zuerst mit Probefahrten überprüft werden. Es stand eine Elektrolok der ersten Serie zur Verfügung. Mit 66 Tonnen Gewicht leistete sie – für damals bereits beachtliche – 1200 PS. Alle Versuchsfahrten verliefen so erfolgreich, dass nicht einmal die Hälfte der in der Planung vorgesehenen Lokomotivstunden benötigt wurde. Dem ausführenden Unternehmen wurde eine Prämie von 20 070 Franken für die Unterschreitung der vertraglich zugeteilten Lokomotivstunden ausbezahlt – für diese Zeit ein hoher Betrag. Für Monteurstunden wurden damals 2.80 Franken in Rechnung gestellt. Gleichviel kosteten vier Metallschrauben (½ Zoll × 30 Millimeter).

Im Gebiet «Auf den Höfen» bei Davos Platz wird ein Mast errichtet.
Im Gebiet «Auf den Höfen» bei Davos Platz wird ein Mast errichtet.

Neue Energiequelle, neuer Bahnhof

Nun war der Weg frei für das schnelle, bequeme und saubere Transportmittel auf der Schiene. 1922 war das ganze RhB-Netz elektrifiziert und damit die Abhängigkeit von ausländischer Energie aufgehoben. Die vorhandenen, zum Teil fast neuen Dampflokomotiven wurden laufend verkauft und dafür Elektroloks angeschafft. Nur wenige Dampfloko- motiven wurden in Reserve gehalten, vorgesehen für den Einsatz im Rangierdienst, an Bauzügen oder für allfällige Stromunterbrüche. Immer mehr Passagiere wurden befördert. Weitere Ausbauten, auch Stationen, wurden notwendig. Politiker machten sich für Ausbauten in ihren Regionen stark. So war es Dr. Erhard Branger, der 1920 zum Landammann von Davos gewählt wurde und sich für einen neuen und besseren Bahnhof einsetzte. Er hatte Erfolg: Der Bahnhofsumbau in Davos Platz erfolgte in den Jahren 1922 bis 1924, also kurz nach der Elektrifizierung.
Schon lange ist von den alten Leitungen nichts mehr vorhanden. Stabile Metallmasten ersetzen seit vielen Jahren die einfachen Holzmasten. Die Fahrdrähte, die Stationsleitungen und die Einspeiseleitungen müssen heute schnellere und leistungsfähigere Züge verkraften.
Geblieben sind aber Erinnerungen an Pionierleistungen, waren doch die RhB und die BLS die ersten elektrischen Bahnen in der Schweiz, national war man noch nicht soweit. Auf der Gotthardstrecke fuhr man erst ab 1922 elektrisch, viele weitere Strecken im Mittelland wurden erst später elektrifiziert.

Verfasst von Rico De Boni, (1945) geboren und aufgewachsen in Davos.

Hier zu sehen ist ein Montagezug mit einer dampfbetriebenen Lokomotive.
Hier zu sehen ist ein Montagezug mit einer dampfbetriebenen Lokomotive.
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