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Die Wiederbelebung der Promenade als Shopping- und Begegnungsmeile ist nach Corona eine gemeinsame Aufgabe

«Weniger Autos – mehr ÖV und Fussgänger in der Innenstadt», dies ist das Motto des «Wildmannli-Wiitblicks», der Denkfabrik der «Wildmannli Tafel uf Tafaas».

Davoser
Zeitung
11.03.21 - 17:10 Uhr
Tourismus
«Die Mieten müssen runter, damit sich der Einzelhandel vermehrt ansiedeln kann. Er sorgt für eine Durchmischung und Attraktivitätssteigerung», finden die Wildmannli.
«Die Mieten müssen runter, damit sich der Einzelhandel vermehrt ansiedeln kann. Er sorgt für eine Durchmischung und Attraktivitätssteigerung», finden die Wildmannli.
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In einem mehrteiligen Blog werden gewisse Ideen, Vorschläge und Anregungen auch in der DZ vorgestellt.
Der Lockdown bringt die Geschäftsstrassen der Innenstädte in Vergessenheit. Die Fussgängerzonen sind entvölkert. Läden schliessen. Ihre Existenz nach Corona ist ernsthaft gefährdet. Die Kaufkraft fliesst nun vermehrt ins Internet. Der Online- und Versandhandel boomt. Corona hat gezeigt, dass der Verlust an stationärem Textil- und Warenhandel den Konsumenten nicht stark betroffen hat.
Viele fragen sich heute, was soll ich überhaupt noch in der Stadt kaufen? Lohnt sich der Weg dorthin noch? Nach einer deutschen bestellen zwei Drittel der Innenstadtbesucher im Internet und wollen dies weiterhin tun. Ladenstrassen haben heute noch ihre Berechtigung. Auch die Davoser Promenade. Es bedingt einen generellen Gesinnungswandel aller Beteiligten.
Der Immobilieneigentümer muss sich tendenziell auf stark sinkende Mieten einstellen. Er hat keine andere Wahl. Er muss ein Interesse daran haben, dass sein Haus mit Geschäften und Wohnungen und dasjenige daneben – ja alle Häuser in seiner Strasse – nicht leer stehen. Die Ladenbesitzer müssen schleunigst umdenken. Die grosse Mehrheit der Einzelhändler glaubte viel zu lange, die digitalen Emporkömmlinge ignorieren zu können.
Die Städte sorgen sich um ihre Zentren. Vor allem erfährt der Online-Handel in der Corona-Krise viel mehr Nachfrage und verdrängt damit die klassischen Ladenlokale. Die «Cities» müssen neu belebt werden, gemeinsam mit der Stadt- und Tourismusplanung, den Vermietern, Unternehmen, dem Einzelhandel, der Kultur und allen anderen Akteuren wie Café- und Restaurantbesitzern vor Ort.
Erst heute, Corona sei Dank, nehmen sich die Detailisten der Digitalisierung mit stationären Geschäftsmodellen an. Bisher suchte jedes zweite Geschäft ausschliesslich im eigenen Laden Kundenkontakte und Geschäftschancen. Viele verfügen noch heute über keine eigene Website. Im Internet sind sie nicht auffindbar. Ladenbesitzer müssen sich und ihr Umfeld verändern. «Zusammenstehen und sich branchenübergreifend gemeinsam nach Vermarktungsmöglichkeiten umsehen», heisst die Devise. Die Stadt muss die Ladenstrasse aufwerten. Der öffentliche Raum mit engen Strassen, schmalen Gehsteigen, zu viel Autoverkehr und dergleichen ist nicht mehr zeitgemäss. Es ist auf die Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen. Es braucht Belebung. Die alten Strukturen müssen umgebaut werden. Nur Einkaufen und Fast-Food beleben die Innenstadt nicht mehr.

Eine öffentliche Aufgabe

Der Wandel gelingt nur, wenn Gemeinde und Tourismus von der passiven in die aktive Rolle wechseln. Es reicht nicht mehr, Werbematerial zu drucken, die zeigen, wie schön die Laden-Angebote sind. Es geht neu darum, mit Ladenbesitzern und Kulturvereinen, Events zu kreieren, regionale Marktplätze zu schaffen, Gutscheinaktionen zu planen und den Angebotsmix mehr zu fördern. Leerstandsmanagement, Zwischennutzungen, In- vestorenwerbung und viele andere Aufgaben kommen gerade auch für die Gemeinde- und Tourismus-Verwaltung hinzu.
Trotz leerstehenden Läden sind Fussgängerzonen kein Auslaufmodell, im Gegenteil. Innenstädte mit ihren Geschäften sind das Aushängeschild einer Stadt und bieten viel Potenzial für Identifikation, Kommunikation, Aufenthalt und Erlebnis. Gerade für den Ferienort Davos sind gut funktionierende Geschäfte eine Notwendigkeit. Die Innenstadt steht vor einer Wiederbelebung. Es sollen nicht mehr die Grossverteiler und Kaufhäuser dominieren. Kleinhandel und Kleingewerbe sollen bevorzugt angesiedelt werden. Die Promenade muss wieder den Menschen gehören.

Einkaufen zum Event machen

Das Einkaufen bleibt auch künftig ein wichtiges Motiv, um die Stadt zu besuchen – aber nur eines unter vielen. Nur wenn die Stadt wieder vielfältiger wird, wenn erschwingliche Mieten herrschen, das Wohnen über den Geschäften gefördert wird, Szene–Gastronomie, Kulturstätten, Galerien und Kleingewerbe kommen, bleibt der Standort Stadt interessant. Auch für Beratungsangebote, soziale und kulturelle Einrichtungen und Reparaturdienste muss künftig mehr Platz in der «City» sein. Restaurants sollen mehr auf die Gehsteige «herausstuhlen» dürfen. Das funktioniert nur in einer konzertierten Aktion, an der sich die Gemeinde ebenso beteiligt wie Gastronomen, Händler, Kulturschaffende, Kleingewerbler und soziale Einrichtungen.
In der künftigen Shoppingwelt dient das Einkaufen in der Stadt weniger der Versorgung als dem Freizeitvergnügen und dem Sich-Treffen. Städte ohne Wohlfühlfaktor werden veröden. Entscheidend wird der richtige Mix aus Cafés, Lebensmitteläden und Kaufhäusern, Gross und Klein, Schnäppchen und Luxus. Premiumgeschäfte gehören ebenso dazu wie Trödler, Galerien, Co-Working-Spaces, Restaurants, genauso wie Infobüros von Behörden und Räume für die Kinderbetreuung.
 

Autokolonnen in der Shoppingmeile: Für die Wildmannli alles andere als attraktiv.
Autokolonnen in der Shoppingmeile: Für die Wildmannli alles andere als attraktiv.
zVg/Peter Kuratle

Weniger Autos, mehr Aufenthaltsqualität

Für das Auto als Mittel der Kundengewinnung scheint die Zeit abgelaufen zu sein. Kundenparkplätze bringen wenig und generieren kaum Umsatz. Dies ist ein Geschäftsmodell aus dem vergangenen Jahrhundert. Die Verbannung vom Privatautos und offenen Parkplätzen aus der «City» gilt als langfristig unvermeidbar. Mit Parkhäusern ausserhalb und Gehwegen von einem Kilometer lässt sich bestens leben. Gehen bedeutet Verweilen. Eine britische Studie ergab, dass Betriebe in fahrrad- und fussgängerfreundlich umgestalteten Stadtteilen Londons bis zu 30 Prozent bessere Geschäfte machen. Die entsprechende Kundschaft kommt häufiger in die lebenswürdigen Einkaufszonen und verbringt dort mehr Zeit als der Autofahrer. Das macht die Geschäfte wirtschaftlich wertvoller. Mehr Grün und weniger Autos in der Innenstadt – das erhöht die Aufenthaltsqualität für alle.

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