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Am Tag Zurückhaltung zeigen und die Nacht dem Wild lassen

Die Wildhüter sind vom Kanton bestimmte Anwälte für alle jene Kreaturen, die schon immer unsere Berge bewohnten. Nun haben sie Sorge um ihre Schützlinge. Viel zu oft werden sie von Menschen gestört.

Barbara
Gassler
26.01.21 - 08:30 Uhr
Tourismus

«Bisher war der Winter ein ganz normaler», sagt Thomas Fankhauser, Wildhüter im Davoser Oberschnitt. Will heissen, die Wildtiere kommen mit Schnee und Kälte bestens zurecht, denn dafür sind sie ausgerüstet. «Auch der grosse Schneefall von vorletzter Woche macht ihnen nicht viel aus.» Was sie jetzt aber gar nicht brauchen können, sind Störungen durch Menschen. «Bei den jetzt liegenden Schneemassen ist jede Flucht unheimlich kräftezehrend. So werden Energiereserven verbraucht, die dann mit fortschreitendem Winter fehlen.» Zu oft aufgeschreckten Tieren fehlten im Spätwinter die nötigen Fettreserven, und sie würden verhungern. «Das sind unnötige Tode.» Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Zu vermeiden ist ...

Was nun folgt, ist eine Aufzählung von Dingen, die Menschen aus obgenanntem Grund eben genau tun oder nicht tun sollen. Und der Ge- und Verbote sind eigentlich gar nicht viele. So sollen Aktivitäten in der Natur bis zum Austreiben des jungen Grases im Frühjahr auf Wege und bezeichnete Routen beschränkt bleiben. Waldränder und schneefreie Flächen sollen gemieden werden. Begleitende Hunde gehören an die Leine, und für Wildruhezonen gilt ein absolutes Betretungsverbot. Das ist auch schon alles und müsste eigentlich doch gar nicht so schwierig einzuhalten sein. Die Beobachtungen der Wildhut sind allerdings andere. «Der grösste Feind der Wildtiere ist der menschliche Egoismus», sagt Fankhauser. So sei es nicht nötig, in ein Dickicht vorzudringen, nur weil das Gerät an den Füssen es gerade ermögliche. Ebenso wenig sei es nötig, dass ein jeder seine eigene Spur in den Neuschnee ziehen müsse. Egal ob es sich dabei um Skier, Schlitten oder Schneeschuhe handle. «Genau dadurch werden die Tiere unsicher. Sie bleiben nicht im Versteck, sondern flüchten.» Und wer doch einmal eine unverhoffte Begegnung macht, ist natürlich versucht, nachzusetzen, um einen besseren Blick oder Kamerawinkel zu erwischen. «Unser Wild ist schlau. Es merkt schnell, dass von Menschen auf Wegen und Pfaden keine Gefahr ausgeht», erklärt der Wildhüter. Um dieses Sicherheitsgefühl zu zerstören, reicht es allerdings bereits, wenn die Menschen zehn oder zwanzig Meter vom üblichen Weg abweichen. «In ihrer Panik flüchten die Tiere dann oft auf der einfachsten Route.» Manchmal sei das dann genau der Weg, der sie geradewegs in die menschlichen Siedlungen bringe. «Kürzlich verirrte sich ein Reh auf diese Art in die Stadt und endete schliesslich im Landwasser.» Die Wildhüter und Helfer brauchten zwei Stunden, um das panische Tier einzufangen. Nach dem Trocknen sei es an einem sicheren Ort freigelassen worden. «Vielleicht überlebt es», meint Fankhauser lakonisch. Auch freilaufende, jagende Hunde, egal wie klein, sind für das Wild ganz schlimm. «Das kommt leider viel zu oft vor.»

Fütterungsverbot einhalten

Dank dem seit 2017 geltende Fütterungsverbot habe man grosse Erfolge erzielt, lobt Fankhauser. «Es wurde erreicht, dass die Tiere inzwischen in ihrer natürlichen Umgebung bleiben.» Massenversammlungen und der damit verbundene Verbiss des Waldes seien stark zurückgegangen. Darum erneuert er den Appell: «Auch Vogelfutter oder Gartenabfälle locken Wild an. Gerade wer in Waldesnähe wohnt, muss solches unbedingt unerreichbar machen.» Und dann gibt es noch die Nacht. «Seit sich die Menschen überall so stark ausbreiten, weichen die meisten Wildtiere auf die Nachtstunden aus.» Doch gerade in Corona-Zeiten würden nächtliche Ausflüge in den Wald als der letzte Schrei angeboten. Dabei würden die starken Stirnlampen die Umgebung auf grosse Distanz taghell ausleuchten, und das Wild könne dabei unmöglich ruhig bleiben. So ist auch der letzte Wunsch des Wildhüters sonnenklar: «Die Nacht gehört dem Wild.»

Mehr informationen unter https://natur-freizeit.ch/schneesport-mit-ruecksicht

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