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Stirbt die Provinz aus?

Am Markentag in Flims, wurde rege über den Begriff «Progressive Provinz» gesprochen. Progressive Provinz sei die Antwort darauf, ob die Provinz trotz Abwanderung der Menschen in die Stadt überleben kann, sagt Zukunftsforscher Matthias Horx. Dass man dabei auf gutem Weg sei, findet auch alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf.

Südostschweiz
10.12.18 - 04:30 Uhr
Tourismus
Graubünden Markentag 2018 Flims Podium
Graubünden Markentag 2018 unter dem Motto Progressive Provinz im Hotel Flims Waldhaus. Podiumsdiskussion mit Reto Gurtner (links) und Eveline Widmer Schlumpf (rechts).
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Die Sehnsucht nach einem abwechslungsreichen Leben ziehe viele Menschen in die Grossstadt, denn die Urbanisierung habe sich in den letzten Jahren als Megatrend herausgestellt, sagt Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher. Dies lässt die Frage aufkommen, wie es mit dem ländlichen Raum weitergeht und ob es Hoffnung gibt.

Horx meint Ja und die Antwort sei der Begriff Progressive Provinz. Seine These ist, dass es zu jedem Trend einen Gegentrend gebe. In Zukunft lasse sich also auch der Trend der Urbanisierung wieder umkehren. Das heisst, Dörfer, Kleinstädte und Regionen leben wieder auf - ein Steilpass für die Marke «Graubünden», heisst es in deren Programm zum Markentag.

Der Begriff Provinz, werde in den Köpfen der Menschen öfters mit Rückständigkeit in Verbindung gebracht, aber Progressive Provinz sei ein in sich paradoxer Begriff. Sichtbar werde dies beispielsweise in der Architektur. Wenn Moderne und Traditionswelt zusammenwachsen, dann sei die Progressive Provinz sichtbar, sagt Horx. Das folgende Beispiel des Julierturms von Origen zeigt dies.

Julierturm Origen Initiant Giovanni Netzer Julierpass Turm
Der Julierturm von Origen verbindet das Moderne mit der Natur.
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Progressive Provinz: Für Graubünden möglich

Damit sich eine Progressive Provinz entwickle, müsse man sich anstrengen. Dabei schätzt Horx die Chancen der Region Graubünden gut ein. Mit dem Kanton habe man eine privilegierte Region. Es seien Zentren vorhanden, die bereits sehr gut ausgebaut seien. Ausserdem seien allein die Natur und die geografische Nähe zu Zürich ein Segen.

Am Markentag wurde rege über Graubünden und die Progressive Provinz diskutiert. Teil des Podiums waren alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Origen-Intendant Giovanni Netzer, HTW-Rektor Jürg Kessler und Tourismus-Vordenker Reto Gurtner. Sie alle waren überzeugt davon, dass in Zukunft die Progressive Provinz möglich sei.

«Die Progressive Provinz kommt. Ich bin überzeugt, wenn man in alpinen Regionen - wie Graubünden - arbeiten kann, ist das ein Privileg», sagt HTW-Rektor Jürg Kessler.
Wenn es darum gehe, dass auswertige Leute nach Graubünden kämen, sei der Standort der HTW in Chur relevant. Es brauche Personen, die sich mit der Progressiven Provinz befassen und daran arbeiten. Essenziell sei dabei die Attraktivität für die Umsetzung an sich zu steigern. «Der Mensch hat die Ideen und kann sie umsetzen», sagt Kessler.

«Man muss daran glauben»

Auch gemäss Reto Gurtner braucht es in der Region zuerst Akteure, wie zum Beispiel Origen-Intendant Giovanni Netzer, damit etwas bewirkt werden kann. Netzer stellt fest, dass wenn der Blick für das Potenzial einer Region geschärft sei, müsse man selber daran glauben. So könne man überzeugen und die notwendige Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand, Privaten oder Stiftungen gewinnen.

«Wir müssen uns selbstbewusster nach Aussen vertreten»

Dass Graubünden auf einem guten Weg sei, was die Progressive Provinz angehe, findet auch alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Sie erklärt gegenüber «suedostschweiz.ch»: «Wir sind eine fortschrittliche Provinz. Unser Kanton hat ein enorm hohes Angebot im Bereich Tourismus, aber er hat auch Unternehmen, die moderne Arbeitsplätze bieten». Als Beispiel nennt sie die Firma Trumpf in Schiers, die Hamilton in Bonaduz, die Ems Chemie in Domas/Ems oder das Lawinen- und Forschungsinstitut Davos. Graubünden habe somit hervorragende, zukunftsgerichtete Arbeitsplätze und durchaus eine Zukunft für junge Menschen, die nicht im Tourismus arbeiten. «Wir müssen uns ein wenig selbstbewusster nach Aussen vertreten», sagt sie.

Dezentrale Regionen müssen mobil sein

Man müsse dafür sorgen, dass gewisse Regionen - nicht nur die Agglomeration Chur bis Thusis, Ilanz und Landquart - sondern auch die dezentralen Regionen gut angeschlossen und mobil seien. Die Mobilität solle gewährleistet werden und auch von der Digitalisierung sollten diese Regionen nicht abgehängt werden, so Widmer-Schlumpf. Nur so könne ein Leben in dezentralen Regionen gleich möglich sein, wie eines im Raum Chur. «Dafür haben wir uns im Kanton Graubünden entschieden und wir müssen auch alles dafür tun, dass es so ist. Ich denke dann ist auch die Abwanderung aus den Tälern zu stoppen», sagt Widmer-Schlumpf. «Was andere Kantone haben, können wir in unserem Kanton auch bieten, sogar noch ein wenig mehr», ergänzt sie. Das müsse man sich immer wieder ein bisschen bewusster machen.

In der Natur wohnen und arbeiten 

Die Chancen als Naturmetropole sehe sie für Graubünden auch in der Lebensqualität. Diese sei höher ist, als in anderen Kantonen, weil hier die Möglichkeit bestehe, in einer Naturwelt zu wohnen und zu arbeiten. Somit sei hier die Work-Life-Balance besser möglich, als in anderen Kantonen.

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In der Natur wohnen und arbeiten . Als Auslandschwezier - mit Wurzeln in Graubünden und vor allem in Splügen.- kann ich die Ideen von Eveline Widmer-Schlumpf nur unterstützen. Hier in der Südostecke des Piemonts gab es kürzlich einen Convegno zum Thema "Il Piemonte dell`Appennino - Realtà e Proposte" - die gleichen Probleme und die gleichen Vorschläge für eine Weiterexistenz abseits der tagtäglich grösser und unbewohnbarer werden Millionenstädte.

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