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Bündner China-Offensive am Start

Der Verband Hotelleriesuisse Graubünden will im China-Geschäft aktiv werden. Der Ferienkanton hätte in diesem Markt grosse Chancen, doch die werden noch nicht genutzt. Von den 2017 in der Schweiz gezählten Logiernächten chinesischer Gäste entfielen nur 2,9 Prozent auf Graubünden.

Béla
Zier
26.05.18 - 04:30 Uhr
Tourismus

Graubünden hätte im chinesischen Tourismusmarkt ein riesiges Wachstumspotenzial, doch ausgeschöpft wird dieses noch längst nicht. «Entdeckungsfreudige Asiaten – lassen uns links liegen», heisst es dazu im Klartext im «Weissbuch für den Bündner Tourismus», das im vergangenen Jahr präsentiert wurde. Die Zahlen sprechen Bände.

Gemäss Angaben des Bündner Amts für Wirtschaft und Tourismus wurden 2017 in der Schweiz rund 1,5 Millionen Übernachtungen chinesischer Gäste gezählt. In Graubünden haben Touristen aus dem Reich der Mitte im selben Jahr gerade mal für im Vergleich mickrige 44 000 Logiernächte gesorgt. Dennoch, in Graubünden nehmen die Übernachtungszahlen aus China kontinuierlich zu (siehe Grafik) und konnten von 2014 bis 2017 nahezu verdoppelt werden. Aber es läge noch viel mehr drin.

Auf «Allianz Golfstaaten» folgt …

«Für mich ist es nicht eine Frage, ob man einsteigen oder etwas machen soll, sondern wann, wo und wie schnell», sagt Ernst Wyrsch, Präsident Hotelleriesuisse Graubünden, zur Bearbeitung des China-Markts. Der Verband wird nicht länger zuwarten, sondern laut Wyrsch die Initiative ergreifen. Dabei werde man denselben Weg einschlagen wie für die touristische Bearbeitung der Golfstaaten. Analog zu China schöpft Graubünden auch hier seine Möglichkeiten bei Weitem noch nicht aus.

Im Auftrag der Bündner Hoteliers hat das Wirtschaftsforum Graubünden ein Marktentwicklungskonzept für die Golfstaaten ausgearbeitet. Der Marktaufbau erfolgt durch die «Allianz Golfstaaten», die sich aus strukturstarken Bündner Hotels, Graubünden Ferien sowie kantonalen Tourismusdestinationen zusammensetzt. Bis in fünf Jahren, so die Zielsetzung, soll während der Sommermonate die Anzahl Logiernächte auf über 100 000 pro Jahr gesteigert werden. Das ist in Anbetracht, dass Graubünden 2017 nur rund 19 000 Übernachtungen von Gästen aus den Golfstaaten verbuchen konnte, ein enorm anspruchsvoller Vorsatz.

… jetzt die «Allianz China»

Wie Wyrsch ausführte, soll nun nach gleicher Organisationsform eine «Allianz China» gebildet werden. Mit dieser will man 2019 an den Start treten und den chinesischen Markt, analog zu den Golfstaaten, direkt vor Ort beackern. Auch dieses Projekt werde unter Federführung von Hotelleriesuisse Graubünden und dem Wirtschaftsforum Graubünden umgesetzt, so Wyrsch. «Wir dürfen keine Zeit verlieren und können uns nicht nur auf den Gast aus der Schweiz oder Deutschland verlassen», hält Wyrsch zur Dringlichkeit fest. Im Auge habe man dabei nicht den Gruppen-, sprich Bustourismus, sondern den chinesischen Individualgast. «Das lohnt sich langfristig», ist der Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden hinsichtlich der Wertschöpfung überzeugt.

Zweistelliges Wachstum

Gestützt werden die positiven Zukunftsaussichten für den chinesischen Markt durch die Tourismusprognose der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Die Ankünfte chinesischer Gäste in Schweizer Hotels hätten in den letzten zehn Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten zugelegt, heisst es im jüngsten KOF-Bulletin zu China.

Wie das KOF schreibt, sei China innert Kürze zum fünftwichtigsten Herkunftsland für den Schweizer Tourismus aufgestiegen. Auch in den kommenden Jahren werde weiterhin mit hohen Zuwächsen gerechnet. Für das laufende und nächste Tourismusjahr geht die KOF bei chinesischen Gästen mit einem Wachstum der Übernachtungszahlen von 20, respektive 15 Prozent aus. Gemäss weiteren KOF-Angaben wird der Grossteil der chinesischen Logiernächte in der Schweiz in den Tourismusregionen Zentralschweiz (31 Prozent), Bern (25 Prozent) und Zürich (17 Prozent) gezählt.

St. Moritz steigt bei der Bündner Destinations-Verkaufsorganisation China Connect aus
Um stärker vom chinesischen Tourismusmarkt zu profitieren, gründeten die Destinationen Davos, Engadin St. Moritz und Arosa 2016 zusammen mit der chinesischen Tourismusfachfrau Aina Meng die China Connect AG. Die Firma ist in China mit eigenen Büros in Peking und Shanghai vertreten. «Wir konnten zusammen eine sehr erfolgreiche Marketing- und Verkaufsorganisation auf die Beine stellen», sagt Reto Branschi, CEO der Davoser Tourismusorganisation. Ziel sei gewesen, im China-Markt präsent zu sein, und er glaube, dass man das geschafft habe. Gemäss Branschi zählte Davos im Tourismusjahr 2017/18 rund 15 000 Logiernächte chinesischer Gäste. Davon seien 10 000 Übernachtungen auf den Sommer und 5000 auf den Winter entfallen. Dieses Jahr wolle man 20 000 Übernachtungen erreichen.
«Für uns erfüllen die Aktivitäten von China Connect im chinesischen Markt voll und ganz die Erwartungen», hält der Aroser Tourismusdirektor Pascal Jenny fest. Im vergangenen Jahr hätten Touristen aus China in Arosa 2500 Übernachtungen generiert, für 2018 erwarte man eine Verdoppelung, teilte Jenny mit.
Laut Branschi hat die Destination Engadin St. Moritz nun aber per Ende Mai ihre Beteiligung an der China Connect AG aufgekündigt. Ihren 17-Prozent-Anteil habe vorübergehend die Davos Destinations Organisation übernommen, man führe derzeit mit drei potenziellen Partnern Gespräche zwecks Über-nahme dieser Beteiligung, so Branschi.
Der St. Moritzer Tourismusdirektor Gerhard Walter bestätigt den Ausstieg. Als Grund führt er an: «Wir möchten in Zukunft den chinesischen Markt etwas anders bearbeiten, es ist eine Neuorientierung auf dem chinesischen Markt.» (béz)

Béla Zier ist Redaktor der gemeinsamen Redaktion Online/Zeitung «Südostschweiz» und «suedostschweiz.ch» und berichtet über die Region Davos und das Prättigau. Er ist seit 1993 für die Medienfamilie Südostschweiz tätig und arbeitet dort, wo er auch wohnt. In Davos. Mehr Infos

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Dieser Bericht befasst sich mit den Bemühungen Graubündens und dem Hotelierverein im Markt China.. Die dazu verwendete Grafik der Logiernächte schliesst aber Hongkong und Taiwan ein, was das eigentliche Bild verfälscht. Die für Arosa erwähnten 2500 Logiernächte sind daher falsch. Es waren deren nur 1096 aus China.

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