«Die Tribüne muss Risse haben»
Von Jürg Sigel
Hugo Wetzel ist bereits bei der WM 2003 in St. Moritz dabei gewesen. Wetzel war damals OK-Präsident. Er ist demnach ein «alter» Fuchs, der weiss, was es braucht, damit ein «normaler» Weltcupanlass, ein Weltcupfinal oder eben eine WM funktioniert. Der Anlass stehe auf drei Säulen, erklärt Wetzel. «Faszination ist das Wichtigste.» Er spricht unter anderem die Geschichte von St. Moritz an. «Dann gibt es die Emotionen. Die löst der Sport aus, man muss sie aber auch schüren.» Dann erwähnt Wetzel noch die Organisation, «deren Aufgabe es ist, die beiden anderen Punkte genau zu beobachten. Schaffen wir es zu faszinieren und genügend Emotionen zu wecken? Ich nenne ein Beispiel: Solange die Tribüne nicht bebt, bin ich nicht zufrieden. Die Zuschauer müssen derart toben, dass die Tribüne Risse erhält.» In dieser Woche hatten zwei bis drei Speaker die Aufgabe, für Stimmung auf den Rängen zu sorgen. Das gelang recht gut.
Es klappte auch sonst fast alles. So schien es. Doch Wetzel will und darf sich nicht zurücklehnen. «Es stimmt, wir bekommen immer wieder zu hören, dass alles grossartig war. Doch von den 100 000 Details, die funktionieren müssen, sind noch nicht alle perfekt.» Wetzel schmunzelt: «Das Schöne daran ist, dass dies die Leute nicht wahrnehmen. Das merken nur wir Organisatoren. Das bereitet mir die grösste Freude.»
In dieser Woche gab es einige Testläufe, welche das Publikum als solche gar nicht wahrnahmen. «Es waren in der Regel Kleinigkeiten, Details eben», sagt Wetzel. «Die Infrastruktur steht, Voluntaris haben wir, aber wir brauchen noch mehr. Wir würden uns deshalb freuen, wenn sich noch weitere melden.»
Die Weltcup-Finalwoche war so, wie sich Wetzel die WM im kommenden Februar wünscht. Schweizer Erfolge unter stahlblauem Himmel, beste Werbung für das Engadin. Wetzel: «Wir leben hier vom Sport. Wenn wir diesen so präsentieren wie in den vergangenen Tagen, ist dies genau das, was es braucht. Das Wetter spielt die grösste Rolle.» Und detaillierter: «Eine gute Organisation und schlechtes Wetter wird von der Allgemeinheit als schlechter Anlass bezeichnet. Eine nicht so gute Organisation und herrliches Wetter wird hingegen immer positiv bewertet.» St. Moritz hat beides. Wetzel: «Ich rede immer mit vielen Leuten, die laufend an Grossanlässen weilen.» Deren Stimme ist Wetzel wichtig. «Die sehen, was hinter den Kulissen läuft. Ich handhabte das auch in dieser Woche so, und die Fachleute äusserten sich durchwegs positiv.»
Neben Organisation und Wetter seien die Leistungen der einheimischen Athleten massgebend. «Was die Schweizer am Final zeigten, war phänomenal», sagt Wetzel. «Gut gefahren sind einige ja in der ganzen Saison. Dass der Exploit aber ausgerechnet in St. Moritz erfolgte, an der ‘Vor-WM’, wenn ich das so nennen darf, ist grossartig.»
Die WM 2017: Andere Destinationen würden daraufhin arbeiten, dann wäre das Ziel erreicht. In St. Moritz wird nach der WM im kommenden Februar jedoch nicht Schluss sein. Wetzel bezeichnet den Event als «einen Anfang von Anlässen im digitalen Zeitalter. Das muss man mit jungen Leuten angehen. Die Kommunikation zu 2003 ist der grösste Unterschied. 2003 war eine tolle Website unser ganzer Stolz. Der Stolz, den wir nun haben werden, ist der Eintritt in den Social-Media-Bereich.»
Wetzel weiss auch, dass ein Sportanlass Unterhaltung sein muss. «Schon die alten Römer waren wegen der Unterhaltung im Kolosseum. Der Sport ist das zentrale Element. Aber das allein reicht nicht mehr. Das Publikum ist verwöhnter als noch vor 13 Jahren.» Das Rahmenprogramm wird demnach von grosser Bedeutung sein.
Reichlich Arbeit bescheren wird die St. Moritzer an der WM der logistische Bereich. «2003 kamen zur Abfahrt 36 000 Zuschauer. 80 Prozent begaben sich zu Fuss ins Zielgelände, weil das Wetter gut war», erzählt Wetzel. «Wenn in einem knappen Jahr wieder 36 000 kommen, das Wetter aber nicht mitspielt, dann wollen alle gefahren werden. Das ist eine ebenso riesige Herausforderung wie das Thema Unterkunft. Gegenüber 2003 gingen im Engadin 1000 bis 1500 Hotelbetten verloren. Die fehlen.» Es gibt also noch das eine oder andere, das Kopfzerbrechen bereitet. Aber die St. Moritzer haben schon ganz andere Probleme gelöst.
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